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vor als früher. Die Luft roch abgestanden und tot.

      „Wir werden Fackeln brauchen“, sagte er, nahm eine der vorbereiteten Stäbe aus seiner Tasche und murmelte eine Formel, die Feuer aus der Luft rief.

      Das Licht erhellte eine breite steinerne Rampe, die spiralförmig nach oben führte. Auch an diese Rampe erinnerte sich Tavian. Alles, was für sie in den nächsten Tagen wichtig war, würden sie tief unter der Erde in den Energiekammern finden. Aber auch er war neugierig, wie es in den Räumen oben aussah. Er war mit Cano in einem anderen Turm gewesen, der in der Nähe von Tassos lag – dieser hier war ihm neu.

      Die Räume wirkten, als seien sie erst vor kurzem verlassen worden. Nur dass eine fingerdicke Staubschicht alles überzog. Überall lagen eigenartige Gegenstände herum, die von den Alten zurückgelassen worden waren. Fasziniert berührte Sukie ein silbriges Objekt, das unablässig seine Form veränderte und in ihrer Hand langsam von einer Kugel zu einer Pyramide wurde. „Ich wüsste zu gerne, wie man so was schmiedet …“

      „Wahrscheinlich unter ganz hohem Druck“, meinte Cleon und nahm ihr das Objekt, das sich gerade zu einer Doppelspindel wandelte, aus der Hand. „Ich werde daheim mal damit experimentieren.“ Er steckte das Ding in seine Tasche und ignorierte Sukies verdutzten Blick.

      Tavian dachte gar nicht daran, Cleon zu warnen. Er lächelte nur, als er das reißende Geräusch nachgebender Nähte hörte ? das Objekt war gerade um das Dreifache gewachsen und hatte Cleons Tasche gesprengt. Fluchend machte sich Cleon daran, seine Besitztümer vom Boden aufzusammeln.

      Im nächsten Raum fanden sie Becher und Teller vor – und in der Mitte einen kleinen Brunnen, aus dem Wasser sickerte. Schnell prüfte Tavian nach, ob in den Wandfächern noch immer Nahrung wuchs, so wie früher. Ja, es waren mehr als zehn Pakete da. Er wusste, dass der Schrank sich von selbst wieder auffüllen würde, sobald sie die Vorräte aufgegessen hatten. Cano hatte diesen Fraß gehasst, aber Tavian hatte der Geschmack nie etwas ausgemacht. „Dem Feuergeist sei Dank – sieht aus, als wäre unsere Versorgung gesichert.“

      Mika Indro sah zufrieden aus. „Gut. Sonst hätten wir eine Staffel zur Grenze einrichten müssen.“

      Tavian nickte. Sie hatten mit Absicht weder Verbindungslinien arrangiert noch Helfer mitgenommen. Für das, was sie tun mussten, war es eher schädlich, wenn sich zu viele Menschen im Turm drängten. Besser, sie hatten so wenig Ablenkung wie möglich.

      Mika Indro beschäftigte sich mit einem bauchigen Gefäß, das außen kleine farbige Flächen hatte. Als er die Flächen berührte, ertönte ein leises Zischen. Indro verzog das Gesicht. „Klingenbruch, das stinkt ja bestialisch. Vielleicht war’s mal so eine Art Duftwasser, aber das ist lange her …“

      Lella sagte gar nichts. Sie zockelte nur hinter ihnen her und schaute sich um. Tavian hätte gerne gewusst, was ihr durch den Kopf ging.

      Sie durchsuchten den Turm bis zur Spitze. Oben war eine kleine Luke, durch die man aufs Dach steigen konnte, wenn man schwindelfrei oder sehr verzweifelt war. „Die Aussicht ist bestimmt grandios, aber da rauszuklettern traue ich höchstens jemanden von der Luft-Gilde zu“, seufzte Sukie. „Mag jemand raus? Nein? Na, dann können wir ja den Keller untersuchen …“

      Sie brauchten eine halbe Ewigkeit, um hinabzusteigen zu den Energieräumen. Der Turm war förmlich gespiegelt, er reichte genauso weit in den Boden hinein, wie er aufragte. Dort, weit unter der Erde, standen sie staunend vor den riesigen steinernen Kammern, deren Wände mit alten Schriftzeichen bedeckt waren. Sie waren leer. Bis auf eine kopfgroße hellgelbe Kugel, die auf dem Boden der einen Kammer glühte.

      Beunruhigt blickte sich Tavian um. „Normalerweise ist in der einen Kammer ein riesiger Flammenwirbel – und in der zweiten ein schwarzes Gegenstück dazu. Der erste liefert die pure Energie, der zweite die magische Essenz der Grenze … oder wie auch immer man das nennen soll.“

      „O je. Sieht so aus, als wäre das alles, was übrig ist.“ Mika Indro näherte sich der Kugel vorsichtig, beugte sich zu ihr hinunter und ließ die Hände einen Fingerbreit von der Oberfläche entfernt darüber gleiten. „Eine Glut der fünften Stufe, gespeist aus sich selbst. Um ehrlich zu sein, ich habe keine Ahnung, wie wir daraus wieder diesen roten Wirbel machen sollen, den Ihr beschrieben habt, Tavian. Ganz zu schweigen von dem schwarzen.“

      Da haben wir was gemeinsam, dachte Tavian.

      An diesem Tag taten sie nicht mehr viel. Sie suchten sich ihre Schlafquartiere in den tiefsten Wohnräumen, damit sie es nicht so weit bis zu den Energiekammern hatten. Cleon und Mika Indro brauchten allein zehnmal zehn Atemzüge, bis sie sich auf eine Etage geeinigt hatten, und als sie am nächsten Morgen aufgewacht waren, verbrachten sie noch einmal die dreifache Zeit damit, sich Beleidigungen an den Kopf zu werfen. Nur gut, dass hier genug Platz ist, um sich aus dem Weg zu gehen, dachte Tavian, holte sich ein Nahrungspaket und suchte die verborgene Tür nach draußen.

      Er setzte sich an den Fuß des Turmes, lehnte sich mit dem Rücken gegen die glatte Wand und streckte die Beine aus. Die Sonne schien ihm ins Gesicht und er genoss ihre Wärme, die trockene Wüstenluft und die Stille. Es war gut, einen Moment lang alleine zu sein. Doch dann hörte er Steine kollern – noch jemand kam. Vielleicht Lella, dachte er verdrossen. Um über alte Zeiten zu sprechen.

      Aber es war Sukie. Ihr rotes Haar leuchtete in der Sonne. „Sie streiten immer noch – bin gespannt, wann ihnen die Luft ausgeht“, meinte sie und setzte sich neben ihn. Dann sagte sie nichts mehr, knabberte einfach an ihrem Proviant und blinzelte ins Licht.

      Tavian brauchte eine Weile, bis er sich von seiner Überraschung erholt hatte. Sie aßen schweigend, bis er es schließlich nicht mehr aushielt. „Warum hast du dich gerade hierher gesetzt?“

      „Stört’s dich?“ Sukie nahm einen Schluck aus ihrem Wasserbeutel. „Ich kann auch wieder gehen. Aber ich fand, du bist von denen da die angenehmste Gesellschaft.“

      Tavian musste grinsen. Sie konnte nicht wissen, dass er zur Schwermut neigte und manchmal ausgesprochen schlechte Gesellschaft war. Na ja, sie würden so viel zu tun haben, dass er in nächster Zeit vielleicht nicht dazu kam, an Alix zu denken.

      „Nein“, sagte er. „Nein, es stört mich nicht.“

      Jorak

      Alena und die anderen setzten sich vor die Höhle und hielten Kriegsrat.

      „Was machen wir jetzt mit ihm?“ Alena fühlte sich ratlos. „Eigentlich müssten wir ihn nach Daresh zurückschaffen. Über die Grenze. Aber es wäre natürlich schade, wenn wir jetzt wieder zurückmüssten. Wir sind schon so weit gekommen.“

      „Vielleicht könnten wir ihn zum Turm bringen – das ist näher“, schlug Kilian vor. „Ich weiß nicht, wie viele Leute da sind, aber die haben dort bestimmt bessere Möglichkeiten, Verletzte zu versorgen.“

      „Wenn mein Vater mich hier sieht, ist unsere Reise vorbei.“ Alena verdrehte die Augen.

      „Wieso frrragt ihr Jorak nicht einfach selbst, was er will? Morgen ist er bestimmt wieder ansprechbar, bestimmt“, knurrte Cchraskar; seine pelzigen Ohren zuckten amüsiert.

      Es war erstaunlich, wie viel besser es Jorak am nächsten Tag ging. Er saß gegen den Felsen gelehnt, das verbundene Bein ausgestreckt, und sah vorsichtig und misstrauisch aus.

      Jetzt, im Tageslicht, hatte Alena Gelegenheit, ihn sich gründlich anzusehen. Sie schätzte ihn auf neunzehn oder zwanzig Winter. Auf den ersten Blick konnte man ihn für ein Mitglied der Feuer-Gilde halten. Er hatte dunkelbraune Haare, die schon länger nicht mehr geschnitten worden waren, ein schmales Gesicht und wache, intelligente grünbraune Augen. Seine einfache ungefärbte Tunika wurde von einem schmucklosen Ledergürtel zusammengehalten, an dem sein Iridiumstahl-Dolch befestigt war.

      An der Art, wie Jelica ihn ansah, ihm etwas zu Essen oder eine schmerzstillende Ranke zum Kauen anbot, merkte Alena schnell, dass er ihr gefiel. Auch Kilian hatte keine Scheu vor ihm. „He, Jorak, wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, die Steinzecken auf die Pflanze losgehen zu lassen?“, fragte

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