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lebten alle vier noch, lagen nur ziemlich benommen da.

      „Schnell! Raus!“, brüllte er sie an – und fühlte, wie ein schrecklicher Schmerz ihn durchzuckte.

      Er schrie auf, ließ den Rand der Membran fallen und fuhr herum. Eine der großen Steinzecken kauerte halb über ihm. Sie hatte ihn am Bein erwischt und hielt ihn mit den Zähnen fest.

      Jorak wurde klar, dass er diesmal zu viel gewagt hatte. Jetzt musste er den Preis dafür zahlen.

      ***

      Alena hockte am Eingang der Höhle, den sie verbarrikadiert hatten, und spähte durch das Luftloch nach draußen. Sie wartete auf den Sonnenaufgang und versuchte nachzudenken, während die anderen erschöpft schliefen. Was war eigentlich passiert? Diese Tasche. Sie waren in die Senke gelaufen … dann der Schock, hochgerissen zu werden, ein betäubender Gestank, dann nichts mehr. Als sie aufgewacht war, hatte sie jemand angeschrien. Der Mann mit dem dunklen Umhang. Aber dann war auch er weg gewesen. Mit Mühe und Not hatten sie es geschafft, sich in diese Höhle zu retten.

      Eins ist klar, dachte Alena. Wir sind in die Falle gegangen. Und der Fremde hat uns mal wieder rausgeholt.

      Trotzdem – das ergab alles keinen Sinn. Sie begriff es nicht, wollte es nicht begreifen.

      Alena war froh, als das erste Tageslicht durch das Luftloch schimmerte. Sofort machte sie sich daran, die Felsbrocken abzutragen, die sie vor den Eingang gewälzt hatten. Das Poltern weckte die anderen.

      „Mir tut alles weh“, stöhnte Kilian. „Wir sollten vorsichtiger sein, wenn wir weiterreisen.“

      „Das sagt der Richtige! Wenn ich mich genau erinnere, warst du’s, der voll auf diesen Köder angesprungen ist.“ Jelica gähnte. „Das Ding muss dich gekannt haben, die Schriftrolle war ja wie für dich gemacht. He, Cchraskar, leg dich woanders hin, ich glaube, du hast Flöhe!“

      „Klar, hab ich“, maunzte Cchraskar stolz.

      Kilian setzte sich auf und schaute zu Alena hinüber. „Was hast du vor? Wozu die Eile?“

      „Wir müssen uns draußen umschauen.“ Alena wuchtete einen Brocken beiseite. Jetzt war das Loch groß genug zum Durchklettern. „Ich will wissen, was aus dem Mann im dunklen Umhang geworden ist.“

      Jelica kramte auf der Suche nach etwas Essbaren in ihrem Gepäck herum. „Was schon? Er wird sich irgendwo verschanzt haben, so wie wir. Du wirst sehen, wenn wir uns auf den Weg machen, wird er uns wieder folgen. Warum auch immer.“

      Da war sich Alena nicht so sicher. Die Art, wie der Fremde plötzlich verschwunden war, machte ihr Sorgen. „Ich glaube, er ist verletzt worden. Ich reise erst weiter, wenn ich weiß, ob er in Ordnung ist.“

      Es war unheimlich, wieder dorthin zurückzukehren, wo der Kampf stattgefunden hatte. Beeindruckt hob Kilian die angefressenen Reste der Fallenpflanze hoch und ließ sie ächzend fallen. „Das wiegt einiges! Scheint nur aus Muskeln zu bestehen.“

      „Pass auf, vielleicht lebt das Ding noch“, warnte Jelica und hob ihr Gepäck auf, das wild verstreut in der Gegend herumlag.

      Cchraskar biss versuchsweise in ein schlaffes Stück Pflanze. Nichts zuckte mehr. „Das ist richtig tot und das ist gut so, gut.“

      Alena fand die Stelle, an der sie gestern unter der Kuppel herausgekrochen waren. Und dort entdeckte sie Blutspuren. Ich hatte Recht, er ist verletzt, dachte sie betroffen. Hoffentlich ist er nicht zu schwach gewesen, um sich in Sicherheit zu bringen.

      Als die anderen das Blut sahen, begriffen sie endlich, wie ernst die Sache war. Sie machten sich in grimmigem Schweigen daran, den Spuren zu folgen. Wenn er tot ist, ist das unsere Schuld, dachte Alena mit einem scheußlichen Gefühl in der Magengrube.

      „Vielleicht ist er heute Nacht irgendwo verblutet“, sagte Kilian und sprach damit genau das aus, was Alena ebenfalls befürchtete.

      Jelica verzog das Gesicht. „Ich fürchte eher, die Steinzecken haben nichts von ihm übrig gelassen.“

      Alena schwieg und folgte den Spuren, bis sie zu einer Höhle kamen. Erleichtert sah sie, dass Steine den Eingang verschlossen. Er hatte es also noch geschafft, seinen Unterschlupf zu sichern. Aber was würden sie dort drinnen finden?

      Hastig räumten sie die Felsbrocken beiseite. Die Höhle war nicht tief, nur drei Menschenlängen, und so flach, dass man nicht darin stehen konnte. Im Tageslicht, das durch den Eingang fiel, sah Alena eine dunkle Gestalt, die mit dem Rücken zu ihnen gekrümmt auf dem Boden lag. Sie lag sehr still.

      „Klingenbruch, er ist tot“, sagte Kilian.

      „Ist er nicht“, erwiderte Jelica. „Er ist bewusstlos, das sieht man doch.“

      Alena sagte nichts. Sie schob sich durch den Eingang, kniete sich neben den Fremden und tastete nach seinem Puls. Als sie sein Handgelenk berührte, stöhnte er und bewegte schwach den Kopf. Er lebte! Anscheinend war er nur geschwächt, vielleicht waren die Bisse der Steinzecken giftig.

      Alena atmete tief durch. Sie war froh, dass sie für ihre Meisterprüfung so viel Heilkunde gepaukt hatte. Vorsichtig prüfte sie, wo der Fremde verletzt war. Sah aus, als hätte ihn eins der Biester über dem Knie und dann noch mal weniger tief am linken Oberarm erwischt. An beiden Stellen schnitt sie den blutigen Stoff seiner Tunika weg – he, er trug ja drei Schichten Kleidung übereinander! ? und wusch die Wunden mit Pfeilwurzel-Sud aus, damit sie sich nicht entzündeten. Gut dass er so weggetreten war, sonst hätten sie ihn spätestens jetzt festhalten müssen. Ihr fiel auf, wie dünn er war. Hatte er in den letzten Monaten zu wenig gegessen?

      Jelica hatte inzwischen eine Fackel angezündet und leuchtete ihr. Alena wusste selbst nicht, warum sie vermied, dem Mann ins Gesicht zu blicken. Erst als sie seine Wunden verarztet und den letzten Verband festgesteckt hatte, dachte sie: Gut. Jetzt will ich’s wissen. Langsam schlug sie die Kapuze des Umhangs zurück.

      Sie erkannte ihn sofort. Es war ja noch nicht lange her, dass sie sich kennengelernt hatten. Mit gemischten Gefühlen blickte sie ihn an und auf einen Schlag war alles wieder da, als wäre es gestern gewesen. Alles, was sie letzten Winter in der Stadt der Farben erlebt hatte.

      „Und, kennst du ihn?“, fragte Jelica gespannt.

      „Ja“, sagte Alena kurz. „Er heißt Jorak. Ein Gildenloser aus Ekaterin. Der beste Freund von Kerrik, einem unserer Verbündeten gegen den Heiler vom Berge.“

      „Ja, und weiter?“

      „Nichts weiter“, fauchte Alena, plötzlich wütend. „Ich weiß nicht, was er hier macht. Wahrscheinlich ist er dem Ruf gefolgt und hat mich unterwegs gesehen.“

      Sie merkte, dass Kilian und Jelica sich mit hochgezogenen Augenbrauen anblickten. Jetzt werden sie wissen wollen, warum er dann so entschlossen war, unerkannt zu bleiben, und warum er uns bis über die Grenze hinaus gefolgt ist, dachte Alena. Woher zum Klingenbruch soll ich das wissen? Das sollen sie ihn am besten selbst fragen, wenn er aufwacht! Genau genommen würde mich das auch mal interessieren!

      Alena versuchte den Jorak, den sie im letzten Winter kennen gelernt hatte, mit dem Fremden in Einklang zu bringen, der sie schon zweimal gewitzt und mutig aus äußerst üblen Situationen herausgeholt hatte. Langsam verklang ihr Ärger. Warum konnte sie ihn eigentlich nicht leiden? Er war ziemlich unverschämt gewesen, damals im Schwarzen Bezirk von Ekaterin. Sie konnte sich noch gut darin erinnern, wie er sie ständig angestarrt hatte und wie frech er bei seinem Besuch im Versteck jede ihrer Bemerkungen gekontert hatte. Ja, und? War das so schlimm? Eigentlich waren sie quitt. Sie war auch nicht besonders nett zu ihm gewesen, obwohl er auf ihrer Seite gekämpft hatte und sie es ohne ihn nie geschafft hätten, Keldos Hinweis zu entschüsseln. Dann diese Sache, als sie ihn gefragt hatte, welches Element er beherrschte, und er ohne Warnung ein Blaues Feuer gerufen hatte … vielleicht hatte er es einfach nicht richtig gelernt. Eigentlich durften Gildenlose die Formeln ja nicht benutzen.

      „Gut“, sagte Alena und seufzte. „Am besten wir kundschaften gleich aus, wo wir hier Wasser und etwas zu Essen herkriegen. Ich fürchte, wir werden noch eine Weile

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