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hatte einer der Probanden den HI-Virus, der andere Hepatitis C. Somit nicht brauchbar für die Forschung«, fügte Susann hinzu.

      Klaas grübelte vor sich her. »Wenn sie immun waren und gebissen werden, erwachen sie trotzdem nach dem Tod wieder zum Leben? So, wie die anderen auch?«

      »Selbst ein Biss kann sie nicht infizieren, da das körpereigene Immunsystem gegen den Grundstamm ankämpft. Er kennt den Virus bereits«, erwidert Susann.

      Plötzlich stutzte Mac und erhob seine Pranke. »Wie kam es überhaupt zur Seuche? Zu dieser Apokalypse?«

      Susann sah nervös zur Tür und umklammerte ihre Tasse. »Das sollte euch vielleicht Marvin erklären.«

      »Und wo ist er?«, hakte Mac ungeduldig nach.

      »Er wird bald bei uns sein«, erwiderte die junge Frau.

      Just in diesem Augenblick ging langsam die Tür auf und die Gruppe sah erwartungsvoll zum Türblatt. Ruben erhob sich wachsam und war in Angriffsstellung. Ivy musste den Hund am Halsband packen und ihn zurückhalten.

      Eine aufgedunsene Gestalt trat in langem Kittel, Handschuhen und Vollschutzmaske vor die fremde Gruppe. Die kleinen Augen hinter der Maske, von den anderen kaum sichtbar, musterten die Fremden.

      Susann kam ihm entgegen, holte einen Stuhl und die Gestalt setzte sich ächzend nieder.

      Rupert musterte ihn ebenso und war skeptisch.

      »Marvin, das sind Rupert, Alice, Mac, Ivy, Elmar und Klaas. Das ist Dr. Marvin Stephan.«

      Zögernd erhoben sie die Hand zum Gruß und verspürten den inneren Drang Reiß aus zu nehmen. Ein Fluchtgedanke.

      »Es ist uns eine Freude, sie kennenzulernen, Dr. Stephan«, rief Rupert ihm zu.

      Doch Marvin wiegelte mit der Hand ab. »Niemand braucht mich zu Siezen. Ich bin Marvin.«

      Totenstille machte sich im Raum breit und sie spürten seine beobachtenden Blicke. »Ihr kommt also aus den Staaten, ja? Soll ich englisch reden für die beiden? Sieht es da genauso aus wie hier?«

      Stumm nickten sie ihm zu. Seine Aufmachung schüchterte sie zusehends ein. »Susann sagte, ihr seid mit einem Flugzeug heute Morgen gelandet. Ich habe die Rauchwolken auch gesehen, aber ich hätte nie gedacht, dass es Überlebende sind, die dafür verantwortlich sind.«

      »Es waren Leute von der Air Force, die uns hierherflogen. Leider haben sie die Landung nicht überlebt«, erwiderte Ivy bedauernd.

      Sie hörten seinen schweren Atem unter der Maske, welches sie an ›Darth Vader‹ erinnerte.

      Marvin sah zu Alice und Rupert. »Wie weit seid ihr mit eurer Forschung gekommen? Irgendwelche interessanten Erkenntnisse gewonnen?«

      »Ähm ... Ich bin so verblüfft einen Wissenschaftler zu sehen, dass ... Ich müsste nachschauen«, stammelte Alice aufgebracht vor sich hin.

      Der Virologe stand auf, ging um den Tresen herum und setzte sich auf einen Barhocker. Wieder hielt er inne und sah jeden einzeln an. »Ihr wollt sicherlich wissen, wie es zu all dem kam, oder?«

      »Naja«, zweifelte Klaas. »Irgendwo interessiert es mich schon. Schließlich möchte ich die Ursache wissen, warum mit großer Wahrscheinlichkeit meine Freunde und Familie tot sind.«

      Beruhigend tätschelte Elmar seine Hand. Er spürte, dass sein Mann in leichte Rage verfallen war.

      Argwöhnisch blickte Marvin zu Susann und dann wieder zu den Überlebenden. »Warum seid ihr wieder hergekommen? Ihr hattet doch sicherlich ein schönes Zuhause oder so in der Art? Nicht?«

      »Weil ich meine Kinder suche«, antwortete Ivy.

      Erstaunt zog er die Augenbrauen hoch und wirkte belustigend auf sie. »Und du denkst wirklich, dass sie noch am Leben sind?«

      Susann warf ihrem Forschungspartner einen mahnenden Blick zu und schüttelte den Kopf.

      »Ich weiß, dass sie noch am Leben sind« behauptete Ivy standfest und hörte ein abwertendes Kichern unter der Maske.

      Susann kam kopfschüttelnd auf ihn zu, füllte ein Glas mit Wasser und stellte es vor ihn hin. »Sie haben es verdient, die Wahrheit zu erfahren«, sagte sie leise.

      Bedrückt hielt Marvin für einen Moment inne und sah sie müde an. Behutsam legte sie ihre Hand auf dessen bedeckten Oberarm und strich mit der anderen über seinen speckigen Rücken.

      »Okay … Dann solltest du noch mal Kaffee kochen. Das wird eine laaaange Geschichte werden …«

      ***

      Kapitel 5

      RÜCKBLICK

      Berlin

      15. Juli 2012, 6:45 Uhr

      41 Tage bis zum internationalen Flugverbot

      Die Strahlen der aufgehenden Sonne pressten sich an den Rändern der Jalousie vorbei. Müde starrte Marvin an die mit Stuck verzierte Zimmerdecke. Sein Wecker klingelte seit einer halben Stunde. Ich hätte nicht so lange ›Silk Road‹ spielen dürfen, dachte er. Er schwang seinen schwabbeligen Körper in eine aufrechte Position und blieb gähnend auf der Bettkante sitzen.

      Sein Blick wanderte zu einem Zeitungsartikel, den er vor vier Wochen aus der ›Berliner Morgenpost‹ ausgeschnitten hatte. Aber es war nicht der Text, der für ihn bedeutsam war. Es war das Bild, welches groß darüber platziert war.

      Er nahm es in seine wulstigen Hände, betrachtete es verträumt und seufzte.

      Susann Schmitz verstärkt das Team des Instituts für Seuchenkontrolle und Forschung in Berlin, stand unter dem Bild. Seine neue Laborassistentin hatte ihm wahrlich den Kopf verdreht. Sie war jung, arbeitete eine Zeitlang in der Forschungsabteilung für ›Ärzte ohne Grenzen‹ und wechselte durch die guten Beziehungen ihrer Eltern ins Institut.

      Er schmunzelte. Der Gedanke an sie, ließ seine mürrische Laune verblassen.

      Marvin erhob sich, kratzte sich ungeniert an seinem Hintern und watschelte laut vor sich her gähnend in das kleine Badezimmer, dessen Fenster angekippt war.

      Sein zerknautschtes Gesicht erinnerte ihn an Clint Eastwood. Doch der Körper passte nicht dazu. Von drahtig war er kilometerweit entfernt, denn Fastfood formte diesen Astralkörper. Nichts anderes. Er zog die Plauze ein, hielt kurz die Luft an und ließ diese flatternd zwischen seinen Lippen entweichen.

      Der Aschenbecher neben dem Zahnputzbecher quillte langsam aber sicher über. Eine Zigarette würde noch reinpassen. Er zündete sich eine an und schmierte sich das Rasiergel auf die Wangen, über die Oberlippe und auf die Glatze, während er sie rauchte.

      Seit Susann bei ihm arbeitete, achtete er ein wenig mehr auf sein Äußeres. Tief in seinem Inneren wollte er einen guten Eindruck hinterlassen. Die kurzen Haare an seinen Wangen und dem Schädel sahen nach drei Tagen wahrlich unästhetisch aus. Das musste sich ändern. Lediglich seinen langen Kinnbart, den er geflochten und mit einer großen Perle schmückte, blieb.

      Seit vier Jahren sprießten kaum Haare auf seinem Kopf. Dafür umso mehr an Stellen, wo man die Dinger definitiv nicht benötigte. Aber wie sollte er sich allein den Rücken rasieren?

      Nachdem er die Zigarette aufgeraucht, sich Gesicht und Glatze rasiert hatte, sprang er in die kleine Duschkabine und schrubbte sich den restlichen Schaum ab.

      In kurzen Sachen gekleidet, schlürfte er in den Wohnschlafraum. Sein Bett wurde durch ein zimmerhohes weißes ›Kalax‹ - Regal getrennt, welches mit Büchern und Akten zugestellt war. Aber es erfüllte seinen Zweck. Die kleine Dreimanncouch mit dem aus Obstkisten zusammengeschraubten Tischlein lud nicht zum Verweilen ein. Der Stoff des Sofas war abgewetzt. Er hätte es genauso gut vom Sperrmüll holen können. Seine Kommandozentrale stand neben der Balkontür.

      Ein Tresen trennte die Küche vom Wohnschlafbereich. Erwartungsfroh lugte er in das Gefrierfach und holte den letzten

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