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wurde hellhörig. »Kamen viele vorbei?«

      »Einige. Aber in letzter Zeit ist es echt selten geworden. Seit einem halben Jahr haben wir keine Überlebenden mehr gefunden«, seufzte die junge Frau schwer.

      »Wieso untersucht ihr das Blut? Man sagte uns, dass alle Menschen infiziert sind«, wunderte sich Rupert.

      »Das stimmt so nicht«, widersprach Susann. »Wir hatten auch schon zwei gefunden, die keinen Virus in sich hatten.«

      Klaas wandte sich an Mac und Alice und übersetzte für die beiden, während Rupert regelrecht die Spucke wegblieb.

      »Aber wie-«, stammelte der Halbgott in Weiß und griff sich ungläubig an die Stirn.

      »Wo sind die Überlebenden hin, nachdem sie hier ankamen?«, drängte Ivy. Sie hoffte auf Informationen über die Evakuierungszentren.

      »Die sind weitergezogen. Alle. Wir konnten ihnen nicht die Sicherheit bieten, die sie wünschten«, erklärte sie betrübt und zeigte auf die zweite Etage.

      Susann stieg die Treppen voran nach oben und betrat die zweite Ebene, die sich in keiner Weise von der ersten unterschied. Selbst der Linoleumboden hatte die gleiche Farbe.

      »Hier und in der dritten Etage befinden sich Doppelschlafzimmer und zwei Bäder. Ihr könnt euch ein Zimmer aussuchen. Die ersten beiden sind Marvin und mein Zimmer. Seid sparsam mit dem Wasser.«

      »Ich dachte, ihr seid nur zu zweit?«, stutzte Elmar und lief in den Flur hinein.

      »Ja, sind wir auch. Aber anfangs waren wir mehr und gemeinsam richteten wir die Zimmer ein. Aber … nach und nach wurden es weniger. Sie verließen das Institut und kamen nicht mehr zurück«, sagte Susann seufzend und strich durch ihre lange Mähne. »Im vierten Stock befinden sich die Konferenzräume und im fünften Lagerräumen der Personalabteilung sowie die Büros … aber die nutzen wir kaum.«

      Zögernd stand die Gruppe zusammen und haderte damit, sich einen Schlafplatz zu suchen.

      »Richtet euch ein. Ich werde Marvin Bescheid sagen, dass ihr da seid.« Susann war in Begriff nach unten zu gehen, drehte sich jedoch noch einmal zu den Überlebenden um. »Wenn er zu uns kommt, erschreckt nicht. Seine Aufmachung sieht etwas … ungewöhnlich aus.«

      Fragend blickten sie sich einander an. Doch das Bedürfnis nach Ruhe und Wärme war in dem Moment dringlicher. Sie schauten sich in den spärlich eingerichteten Zimmern um.

      Ivy nahm den Raum gegenüber dem Badezimmer in Beschlag. Sie legte ihren Rucksack auf das Feldbett und nahm auf der quietschenden Matratze einen Augenblick Platz. Ein kleiner Kleiderschrank, ein Schreibtisch und ein weiteres Bett. Mehr gab es nicht. Die bodentiefen Fenster waren mit einem Außengitter gesichert. Ivy sah vom Bett aus auf das Institutsgelände. Die Sonne schien in das Zimmer und ließ die Staubpartikel tanzen.

      Seufzend stand sie auf, kippte das Fenster und roch die kalte Novemberluft, die eine Mischung aus Herbstlaub und Nässe mit sich trug.

      Ich bin gespannt, was uns erwartet. Was ist mit diesem Marvin? Hatte er etwa einen Unfall und ist vollkommen entstellt? Was wird passieren, wenn einer von uns den Virus gar nicht in sich trägt? Muss er dann hierbleiben?, fragte sie sich selbst und lehnte mit dem Kopf an der Scheibe.

      Reiß dich zusammen! Diese ganzen Fragen bekommen ihre Antworten zur rechten Zeit. Sei froh, dass du in einem warmen Zimmer sitzt und dir da draußen nicht den Arsch abfrierst, fauchte sie ihre innere Stimme an.

      Grübelnd drehte sich Ivy zu Ruben um, der sie schwanzwedelnd ansah. Sie schmunzelte. »Jetzt hast du auch ein eigenes Bett, mein Freund.« Sie klopfte auf die Decke des anderen Feldbettes und der Hund sprang freudig darauf. Nachdem er sich ein paar Mal hin und her gedreht hatte, ließ er sich mit einem schweren Seufzer nieder und leckte sich erwartungsfroh die Lefzen.

      Plötzlich klopfte es an der Tür und Elmar schaute hinein.

      »Wollen wir nach unten gehen?«

      Ivy nickte und folgte dem Hünen mit Ruben an der Seite.

      *

      Gespannt wartete die Gruppe an der kleinen Tafel, die sie mit Susann aus den Tischen zusammengestellt hatten. Alle waren nervös und sahen abwechselnd zu Susann, die eine Kanne Kaffee kochte. Mit Tassen, Zucker und Trockenmilch bewaffnet, kam sie zum Tisch und verteilte es an alle.

      »Ihr seid ja sehr gut ausgestattet«, sagte Alice auf Englisch und Susann nickte ihr dankend zu.

      »Diese Einrichtung ist auf solche Situationen vorbereitet«, antwortete die junge Frau ebenso auf Englisch, sehr zur Freude von Mac und Alice. »Wir sind vollkommen unabhängig von Strom- und Wasserwerken. Die Wasseraufbereitungsanlage erfüllt ihren Zweck. Die Oberfläche des Cubes ist mit transparenten Photovoltaikzellen ausgestattet, sodass wir immer genug Strom zur Verfügung haben. Ebenso die Glasfront des Treppenaufgangs und des Zwischengangs. Es ist wahrlich vom Vorteil nicht auf fossile Brennstoffe angewiesen zu sein.« Susann blickte in große fragende Gesichter, schenkte sich Kaffee ein und setzte sich zu ihnen. »Ich kann mir vorstellen, dass das sehr viel für euch ist. Und dass ihr einen verdammt langen Weg hattet. Marvin und ich heißen euch herzlich willkommen.«

      Plötzlich klingelte das Telefon an der Wand. Die junge Frau stand auf, nahm den Hörer ab und brummelte etwas hinein. Dann legte sie auf und drehte sich zur Gruppe um. »Ich hole Marvin. Das dauert ungefähr zehn bis fünfzehn Minuten.«

      Ivy stand auf und lugte in die Schränke, als Susann im Gang verschwunden war. Neben allerlei unterschiedlichen Konserven, Trockennahrungsmitteln und Geschirr, fand sie eingewecktes Obst und Gemüse. Kopfschüttelnd schloss sie die Schranktüren.

      »Was haltet ihr von dem Laden?«, fragte sie und lehnte locker am Tresen, während ihre Hände ihre Kaffeetasse umschlangen.

      »Ich will ehrlich sein. Für Alice und mich ist das hier der Himmel auf Erden. Wirklich. Wir könnten all unsere Erkenntnisse mit ihnen teilen. Vielleicht könnten wir sie auch voranbringen in ihrer Arbeit«, erwiderte der Arzt und tätschelte liebevoll die Hand der Pharmazeutin.

      »Vielleicht sollten wir ein paar Tage hierbleiben und erst einmal in aller Ruhe ein Auto suchen und die Lage im Allgemeinen checken«, schlug Mac vor und ließ sich auf dem Stuhl nach hinten fallen.

      Elmar und Klaas nickten dem Amerikaner zustimmend zu.

      »Wir können uns nicht blind in etwas rein stürzen, von dem wir keine Ahnung haben. Ein Anhaltspunkt ist dein Zuhause. Dort fangen wir an. Alles andere muss jedoch geplant werden, Ivy. Wir dürfen uns keine Fehler erlauben«, mahnte Elmar mit hochgezogenen Augenbrauen.

      Grübelnd hielt Ivy inne und nickte zustimmend.

      Plötzlich ging die Tür auf und Susann kam herein. Allein.

      »Marvin hat mich gebeten, einige Dinge vorher mit euch zu besprechen beziehungsweise euch darüber zu informieren. Das ist wichtig für euch«, sprach sie in fließendem Englisch, um es für Mac und Alice verständlich zu machen.

      Sie setzte sich an den Tisch, hielt einen Moment inne, um sich die richtigen Worte zurechtzulegen, und seufzte schwer. »Marvin wird gleich mit einer Vollschutzmaske gekleidet hier eintreten. Haltet Abstand.«

      »Ist er ansteckend, oder was?«, witzelte Elmar und Susann nickte. Sein Grinsen verschwand auf der Stelle.

      »Der Virus benutzt bestimmte Menschen als eine Art Wirt, um sich weiter ausbreiten zu können. Marvin ist einer von ihnen und überträgt den Virus über die Atemluft und Schweiß. Solange wir noch keine Blutergebnisse von euch haben, haltet ihr besser Abstand.«

      »Ich bezweifle, dass jemand von uns immun ist«, meinte Klaas überzeugt. »Wir hatten deren Blut an unseren Händen, im Gesicht. Überall!«

      »Wir nahmen in den ersten zwei Jahren ungefähr knapp eintausendneunhundert Blutproben, von denen zwei keinen Virus beinhalteten«, erzählte Susann mit ernstem Blick.

      »Wie kann das sein?«, raunte Ivy grübelnd.

      »Wir gehen davon aus,

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