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sollte die letzten Bakterien und Viren vernichten, die auf ihn klebten. Das ultraviolette Licht, das die ganze Zeit auf ihn herab schien, machte ihn jedes Mal wahnsinnig.

      Nachdem er sich abgetrocknet hatte, schmiss er das Handtuch ebenso in einen speziellen Wäscheschacht und zog seine normale Kleidung wieder an. Als Letztes loggte er sich aus dem Labor aus und ging in sein Büro, welches er sich mit einem Kollegen teilte. Dieser schrieb gerade einen Bericht und schob seine langen Haare hinter das abstehende Ohr.

      »Wir haben einen Alarm bekommen, dass der Dekontaminationsknopf betätigt wurde«, eröffnete er Yves und sah ihn fragend an.

      Yves nickte seufzend. »Mir ist eine Probe umgefallen. Ich habe alles nach Vorschrift dekontaminiert«, versicherte er. »Im violetten Schacht steht die Box für Marvin. Könntest du sie nachher noch zum Tresorkühlraum bringen?«

      »Mein Freund, du solltest deinen Arzt aufsuchen. Wenn die Krämpfe der MS schlimmer werden, solltest du nicht mehr im Labor arbeiten«, warnte ihn Jacques eindringlich.

      Yves nickte ihm zu und zog seine Jacke an.

      »Wo willst du hin?«

      »Ich mache Feierabend. Wir haben heute ein Date, Géraldine und ich«, zwinkerte er.

      »Alter Haudegen«, lachte Jacques. »Ich schreibe meinen Bericht fertig und stelle die Box dann weg.«

      Dankend nickte Yves ihm zu und verließ das Büro.

      Während er sich ins Auto setzte, bahnte sich der Virus seinen Weg zu seinen Schleimhäuten. Wie ein Bohrer drängelte er sich bis zu seinem Rückenmark hindurch und heftete sich daran. Langsam kroch es an ihn empor, bis es sein Hirn erreichte. Es verkapselte sich an seiner Großhirnrinde, ruhte, als würde es auf ein Zeichen warten und begann ein feines Netzwerk zu spinnen.

      ***

      Kapitel 9

      Lyon, Frankreich

      Unterkunft

      21.Juli 2012, 21:15 Uhr

      38 Tage bis zum internationalen Flugverbot

      Erschöpft fiel Marvin auf sein Bett im Hotel und blieb für einen Moment regungslos liegen. Sein Körper schmerzte, seine Augen brannten. Jegliche Bewegung strengte ihn ungemein an. Dennoch raffte er sich auf und schleppte sich zur Dusche. Der Wasserstrahl des Duschkopfes prasselte auf seine Glatze. Er schloss die Augen und genoss das warme Wasser.

      Mit dem Handtuch um der Hüfte stapfte er zur Minibar und lugte hinein. Neben Coca-Cola, Wasser und Sprite fand er ein paar kleine Flaschen Bier. ›Kronenbourg 1664‹ war nicht sein Geschmack. Es war ihm zu herb. Trotzdem gönnte er sich nach dieser Fahrt zwei der Biere, ohne dabei auf die Prozente zu sehen.

      Eisgekühlt floss es seine trockene Kehle hinunter und verteilte sich in seinem Magen. Er stieß einen tiefen Rülpser heraus und begann zu lachen. Er nahm sein Smartphone und schrieb Susann eine Nachricht.

      ›Nach einer anstrengenden Fahrt und einer ausgiebigen heißen Dusche gönne ich mir mein Feierabendbier aus der Minibar, welches mich knapp zehn Euro kosten wird.‹ Er drückte auf Senden und legte das Handy auf den Nachtschrank.

      Er sah in das Heft des Zimmerservice und bestellte über die App eine Pizza und einen Hamburger.

      Jetzt musst du dir noch Sachen anziehen, wenn du das Essen entgegennehmen willst, sagte seine innere Stimme.

      Während er auf das Fernseherbild wartete, streifte er sich sein T-Shirt und seine Boxershorts über. Gelangweilt und hungrig zappte er durch das Programm und fand ›Lethal Weapon Teil 1‹.

      »Na, das hört sich ja lächerlich an«, beschwerte er sich, als er der französischen Synchronisation lauschte. Er entschied sich, den Ton auszustellen. So kannte er den Film in- und auswendig.

      Plötzlich piepte sein Handy. Aufgeregt griff er danach und las die Nachricht.

      ›Freut mich, dass du angekommen bist. Kann mir vorstellen, dass du k.o. bist‹, schrieb Susann und Marvin lächelte.

      Er überlegte einen Moment, was er antworten könnte. ›Ich warte auf mein Essen und gucke Fernsehen. Aber ohne Ton‹, schrieb er.

      ›Bist du gut durchgekommen? Warum schaust du ohne Ton?‹, fragte Susann und sendete ein nachdenklich schauendes Smiley hinterher.

      ›Ja, ich bin gut durchgekommen. Aber ich verstehe rein gar nichts von dem, was die da erzählen, deshalb ohne Ton. Macht aber nichts, Lethal Weapon kann ich auswendig.‹

      ›Okay, dann ruhʼ dich aus. Wünsche dir eine gute Nacht‹, schrieb sie zurück.

      Innerlich war er ein wenig enttäuscht. Hatte er doch gehofft, dass sie etwas ausführlicher schreiben würde. Er trank sein Bier und aus heiterem Himmel klopfte es an der Tür. »Wird ja Zeit.« Er nahm dankend den Behälter entgegen und roch den Geruch von Pizza und Burger.

      »Wow! Das sieht ja wahnsinnig lecker aus!«, staunte er und begann zu essen. Nebenbei gönnte er sich das Bier und überlegte, was er Susann schreiben könnte.

      ›Wir könnten ja noch ein wenig schreiben, wenn du Lust und Zeit hast. Ich bin etwas überdreht von der Fahrt‹, schlug er ihr vor und wartete gespannt auf eine Antwort.

      ›Über was denn?‹

      ›Wie läuft es im Labor?‹, fragte er nach kurzem Überlegen und ärgerte sich gleichzeitig über diese plumpe Frage.

      ›Die Notizen sind fast fertig. Nächste Woche können sie zur Korrektur. Aber es fehlen die Arbeiten von Ilyas und Anne.‹

      ›Schön zu hören … Mir fehlt etwas Gesellschaft.‹ Er las sich erneut die gesendete Nachricht durch und bereute sogleich den Text, den er abgeschickt hatte.

      ›Du solltest etwas schlafen. Du bist übermüdet‹, schrieb Susann nach einer längeren Pause.

      Vollkommen überfressen setzte er sich auf das Bett und zupfte das dritte Bier aus dem Kühlschrank heraus. Die salzige Pizza trieb in ihm ein erhebliches Durstgefühl hervor und er zischte es bis zu einem Viertel leer. Der Rülpser hätte genauso gut das Horn Gondors in ›Der Herr der Ringe‹ synchronisieren können. Es rumpelte plötzlich in seinen Magen herum. Er schnellte zur Toilette. Die Töne, die aus seinem Allerwertesten herauskamen, wurden von der Kloschüssel verstärkt und versetzten sie regelrecht in Schwingungen.

      Ich will nicht wissen, was die Nachbarn denken, dachte er, während er unter krampfartigen Bauchschmerzen litt und alles aus sich herauspresste, was in ihm war. Er prustete und versuchte die Schmerzen weg zu atmen. Eine Technik, die Schwangeren gezeigt wurde, die unter den Wehen litten. Für ihn hatte sich diese Technik bewährt.

      Innehaltend stützte er seinen verschwitzten Kopf in seinen Händen und die Schmerzen ließen langsam nach.

      Vollkommen erschöpft spülte er das Übel herunter, stand auf und wusch sich die Hände. Er sah wahrlich fertig aus, als er sich im Spiegel betrachtete und wusch sein verschwitztes Gesicht. Langsam drehte es in seinem Kopf und er schlurfte zurück zum Bett.

      ›Es ist nur schön, jemanden zum Reden zu haben. Wie vor ein paar Tagen, als wir auf deinem Balkon saßen. Es wäre schöner, wenn du hier wärst‹, schrieb er ihr und schickte die Nachricht los, ohne sie erneut gelesen zu haben.

      Schnaufend schloss er die Augen und dachte an früher. Damals, mit fünfundzwanzig, als die Haare immer weniger wurden und er einem faulen Dauerstudenten glich. Nur die Haare im Gesicht hörten nicht auf zu wachsen. Der Kinnbart wurde penibel gepflegt und gestutzt. Mit der schwarzen Perle im geflochtenen Bart wollte er sich von den anderen abheben. Muskulös war er nie, weder Arme, noch Beine. Sein Bauch war durch Fastfood und Bier geformt. Und sein Sexualleben beschränkte sich auf Safer Sex mit One-Night-Stands. Es drehte in seinem Schädel. Grummelig trank er den letzten Schluck aus, drehte die Flasche um und las auf dem Etikett die 5,5% Alkohol.

      »Was

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