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      Vor dem Eingang des Palastes sprang sie vom Pferd, stürmte die Treppe hinauf und traf im langen Gang auf Guy, der sie überrascht anblickte. „Was treibt Euch in dieser stürmischen Regennacht in den Palast?“

      „Gut, dass ich Euch treffe, Guy. Ich muss augenblicklich zu seiner königlichen Hoheit, dem Statthalter von Dalgena. Wisst Ihr, wo er sich aufhält?“

      „Ich glaube schon. Und ich nehme an, es ist dringend und Ihr habt es sehr eilig, aber keine … Einladung?“

      „Ihr sagt es.“

      „Dann begleite ich Euch wohl besser.“ Zielstrebig schritt Guy die Gänge entlang, durch einige menschenleere Räume. Mara war froh, dass er nicht allzu schnell lief, denn sie war immer noch ziemlich außer Atem. Schließlich gelangten sie zu einer Tür, an der Gardisten Wache standen, keine einfachen Soldaten, wie an den vorherigen Türen. Offensichtlich näherten sie sich den Räumen, in denen sich der König aufhielt.

      Im angrenzenden Raum standen mehrere wichtig aussehende Männer herum, die sich angeregt unterhielten. Sie schauten jedoch auf, als Guy und sie näher kamen.

      „Da wären wir: der Vorraum zum Arbeitszimmer seiner Majestät, wo sich seine Königliche Hoheit, soviel ich weiß, zurzeit tatsächlich aufhält“, erklärte Guy. „Jetzt müsst Ihr nur noch Turam dazu bringen, dass er Euch zu ihm vorlässt. Der Mann mit der Schärpe.“

      Mara verbeugte sich nach Art des Tempels vor dem kleinen, spitzbauchigen Mann. „Turam, ich muss umgehend mit seiner Königlichen Hoheit, dem Statthalter von Dalgena sprechen. Es ist sehr dringend.“

      „Ach, tatsächlich?“ fragte Turam mit hochgezogenen Augenbrauen und musterte Mara herablassend.

      „Ja, und jede Sekunde zählt! Wenn Ihr mich also bitte melden würdet. Das ist doch Eure Aufgabe, oder nicht?“

      „Es ist vor allem meine Aufgabe, seine Majestät vor lästigem Gesindel zu schützen. Gardist, schafft mir dies Mädchen aus den Augen, bevor …“

      „Bevor Ihr noch einen größeren Fehler begeht, Turam? Dieses Mädchen ist Mara I’Gènaija, und ich vermute, selbst Ihr kennt die Befehle des Hauptmanns.“

      Turam rang sichtlich um seine Fassung, gab sich aber nicht so leicht geschlagen. „Das ist ein Scherz, nicht wahr? Ein Scherz von ganz übler Sorte! Ich werde das melden und …“

      „Nein, ich scherze nie, wenn ich Dienst habe. Und jetzt lasst uns durch.“ Guy berührte Maras Ellenbogen und führte sie durch die Tür, welche die Gardisten bereitwillig öffneten.

      Turam hielt sie nicht zurück.

      Der Raum, ein Arbeitszimmer mit großem Schreibtisch und mehreren Sesseln davor, vielleicht für Besucher, war leer.

      Mara seufzte. „Und jetzt?“

      „Keine Sorge, sie sind im Nebenzimmer, sonst hätte sich Turam nicht so aufgespielt.“

      „Aha. Ich habe nicht gewusst … Jedenfalls möchte ich Euch danken, Guy.“

      „Nichts zu danken, es war mir ein überaus großes Vergnügen.“ Er lächelte ihr kameradschaftlich zu, klopfte an die Tür des nächsten Zimmers und öffnete sie für Mara.

      Sie trat ein und verbeugte sich einmal mehr, diesmal jedoch vor dem König, der bei ihrem Eintreten aufgestanden war und ihr verblüfft entgegen blickte, und in gebührender Form auch vor Leif.

      „Mara, was … bei allen Göttern, Ihr seid ja nass bis auf die Haut, was ist denn passiert?“

      „Nichts weiter, bloß … Majestät, es tut mir leid, wenn ich hier so plötzlich und unaufgefordert hereinplatze, es ist nur … Leif, Ondra möchte, dass Ihr bei ihr seid, ich meine, jetzt sofort, und Ihr solltet Euch beeilen.“ Die Worte sprudelten geradezu aus ihr hervor.

      Konsterniert schaute Leif sie an, schüttelte verwirrt den Kopf. „Wie bitte?“

      „Ondra möchte, dass Ihr bei der Geburt dabei seid, darum solltet Ihr Euch auch beeilen, es dauert nämlich nicht mehr allzu lange. Nehmt mein Pferd, es steht vor der Tür, natürlich der Tür zum Palast, es wird Euch sehr schnell hinbringen. Ihr könnt es dann …“ Mara lächelte ihn zuversichtlich an, offenbar hatte er nicht viel von dem, was sie gesagt hatte, verstanden. „Geht einfach, Eure Frau braucht Euch jetzt.“

      „Oh Himmel, Mara, warum sagt Ihr das nicht gleich? Vor der Tür?“

      „Ja, fallt nicht darüber.“

      Mit einem Lächeln blickte sie ihm nach, wie er überstürzt zur Tür rannte, noch einmal umkehrte, um seine Jacke zu holen und ihr hastig einen Kuss auf die Wange zu drücken. Dann verließ er endgültig das Zimmer.

      Sie kicherte, als sie sich dem König zuwandte. „Er kann hoffentlich ohne Sattel reiten?“

      „Ich nehme an, dass er das kann. Außerdem würde es mich sehr wundern, wenn Euer Pferd ihn herunterfallen ließe, unbjita ’leki. Es regnet also?“

      „Äh … ja, Majestät.“ Verlegen blickte sie zu Boden, auf ihre nackten, nicht besonders sauberen Füße, und war sich mit einem Mal ihres vollkommen unpassenden Aufzuges bewusst.

      „Wollt Ihr Euch nicht setzen, Mara? Guy, holt uns doch bitte heißen Tee und seht zu, ob Ihr nicht irgendwo eine Decke auftreibt.“

      „Sofort, Majestät.“ Guy verschwand.

      Mara setzte sich zögernd auf die Kante eines Sessels vorm Kamin und sah den König unsicher an.

      Er musterte sie durchdringend und ziemlich unverhohlen. Bei jedem anderen als dem König hätte sie sogar gesagt unverschämt.

      Er zog sich einen Sessel heran und ließ sich gleichfalls nieder. „Und was fange ich jetzt mit Euch an?“

      „Majestät?“

      „Nun, Ihr habt mich soeben meines Gesprächspartners beraubt“, gab der König zu bedenken.

      Mara war sich nicht sicher, wie er diese Bemerkung meinte, und wartete schweigend ab.

      „Und so nass, wie Ihr seid, kann ich Euch wohl kaum zum Tempel zurückschicken, das wäre unverantwortlich. Ihr müsst also wohl oder übel die Nacht im Palast verbringen.“

      Sie nickte. „Wie Ihr wünscht, Majestät.“

      „Habt Ihr schon zu Abend gegessen?“, wollte der König wissen.

      „Nein, dazu war keine Zeit.“

      „Würdet Ihr mir dann die Freude machen, mit mir zu speisen? Auf Leifs Gesellschaft muss ich heute ja wohl verzichten, und ob und wann mein zweiter Sohn zum Essen erscheint, wissen wahrscheinlich nicht einmal die Götter.“

      „Sehr gern, Majestät“, stimmte sie eilig zu.

      „Schön. Und übrigens: Es geht ihr doch gut?“

      „Ondra? Vorhin ging es ihr noch recht gut. Ich glaube nicht, dass Ihr Euch Sorgen machen müsst, Majestät.“

      „Das freut mich zu hören, zumal Ihr das sagt.“ Der König strich sich sinnend über den Bart, blickte sie freundlich an.

      Guy kam zurück, sah fragend zum König, der auf Mara deutete, und gab ihr eine Decke. „Ich hoffe, die genügt fürs erste? Ach ja, ich habe Euch auch noch ein Tuch mitgebracht, damit Ihr Euch die Haare trocknen könnt.“

      „Sehr aufmerksam von Euch, Guy, danke. Ihr habt nicht zufällig einen Kamm?“

      Schuldbewusst schüttelte er den Kopf. „Nein, tut mir Leid, daran habe ich nicht gedacht.“

      „Macht nichts, es wird auch so gehen.“

      „Ganz sicher sogar. Nur meine bescheidene Meinung.“

      Mara lächelte verschmitzt und verlegen zugleich zu ihm hoch. Guy grinste, beinahe verschwörerisch, zurück.

      „Der Tee wird sofort gebracht,

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