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am Verschluss der Ledermanschetten um ihre Handgelenke. Die Haut darunter juckte, sie brauchte dringend ein Bad, und außerdem hatte sie eiskalte Füße.

      Schließlich räusperte sich der König und schaute Mara eindringlich an. „Meine Frau sagte, auch Ihr wäret der Überzeugung, es gäbe Krieg in Mandura.“

      „Ja, das bin ich, Majestät.“

      „Allein wegen eines Traumes?“

      „Nicht nur“, entgegnete Mara. „Die Hohe Frau hat Euch also davon berichtet?“

      „Das hat sie, mir und Reik. Und sie betonte, es wäre bis auf den letzten Satz exakt das gleiche gewesen, was ihr mein Sohn erzählt hättet.“

      Mit einem Mal war Mara kalt, ihr Kopf schmerzte und ein Zittern überkam ihren gesamten Körper wie im Fieber. Sie senkte den Blick auf ihre Hände, sprach leise und ihre Stimme klang rau. „Ja … so drückte sie sich auch mir gegenüber aus. Oder vielmehr sagte sie, eine andere Person hätte ihr den Traum erzählt. Sie … sie deutete an … Sie hat mir nicht geglaubt!“

      „Vielleicht war sie nur überrascht, Mara“, versuchte der König sie zu beschwichtigen. „Schließlich wäre das nur zu verständlich.“

      Zweifelnd schaute Mara den König an. Sie konnte sich schwer vorstellen, dass Lorana damals so überrascht gewesen war. „Hat sie … hat sie anschließend auch mit Leif geredet?“

      „Nein, warum sollte sie?“, verneinte der König irritiert. „Soviel ich weiß, ist sie gleich in den Tempel zurückgekehrt.“

      „Aber … Sie muss es ihm doch gesagt haben! Er ist ihr Sohn, und sie kann nicht … Wenn sie mir schon nicht glaubt, er muss es wissen! Schließlich ist er verantwortlich für die Stadt!“

      „Was muss mein Bruder wissen, Gènaija? Was hätte sie ihm sagen sollen?“ Reiks Stimme klang sehr ruhig, sehr beherrscht.

      Mara hingegen starrte ihn verzweifelt an, krallte die Hände ineinander. „Dalgena … Dalgena wird … Reik, du musst es ihm sagen! Du musst es ihm unbedingt sagen, er muss es wissen! Ich … Es wird nichts ändern, aber er muss zumindest vorbereitet sein! Er soll in den Bergen Vorräte anlegen, er muss in die Berge gehen …“

      Taumelnd stand sie auf und ging zum Kamin, wo es wenigstens warm war, legte die Unterarme auf den Kaminsims und starrte voller Verzweiflung in die lodernden Flammen. „Dalgena wird brennen … Dalgena ist die erste Stadt, die im Krieg zerstört wird. Ich weiß es. Ich habe es ihr gesagt, Réa und Bro waren dabei, sie … sie kann es doch nicht einfach vergessen haben!“

      „Mara, Lorana hat mir gesagt, Ihr hättet keine Namen genannt, Ihr hättet nichts weiter gesagt“, bemerkte der König.

      „Aber ich habe … Oh nein!“ Mara verstand. Sie hatte Lorana Namen genannt, den Namen der ersten Stadt, Dalgena. Und den Namen des Königs. Nur über die Konsequenzen hatte sie kein einziges Mal nachgedacht. Erst wenn ein König starb, konnte ein anderer König werden. Sie hatte Lorana offenbart, dass der alte König, Reiks Vater, in diesem Krieg umkommen und Reik König werden würde. Sie hatte den Tod des Königs prophezeit!

      Die Hohepriesterin hatte sie hereingelegt, Mara hätte es ihr nicht sagen dürfen, niemals! Ein solches Wissen! Sie hatte einen Fehler gemacht, mochten die Ursachen für diesen Fehler auch noch so nachvollziehbar sein, es war ein unverzeihlicher Fehler! Stöhnend biss sie sich in den Handballen, wie hatte sie nur so dumm sein können?

      Hände legten sich auf ihre Schultern und Reik drehte Mara zu sich herum, sah ihr ernst in die Augen. „Du hast Lorana gesagt, dass Dalgena als erste Stadt im Krieg zerstört wird?“

      „Ja“, bestätigte sie leise.

      „Und du bist dir sicher?“

      „Ja.“ Sie war sich sicher.

      „Hast du ihr noch mehr gesagt?“, fragte Reik ruhig.

      Mara nickte. „Aber es war falsch, ich hätte es nicht tun dürfen. Ich habe ihr seinen Namen genannt.“

      Niedergeschlagen wandte sie sich von ihm ab, starrte erneut ins Feuer.

      „Wessen Namen, Gènaija?“

      Sehr lange schwieg Mara. Warum sollte sie ihm antworten? Sie würde den Namen weder ihm noch seinem Vater sagen, sie hätte ihn überhaupt niemandem sagen dürfen. „Den Namen des Königs.“

      Reiks Hände griffen fester zu. Er stand dicht hinter ihr, sie spürte die Wärme seines Körpers.

      „Sagt mir den Namen, Mara.“ Die Worte des Königs klangen fordernd, wie ein Befehl. Mara schüttelte müde den Kopf, hielt sich am Kaminsims fest und schloss die Augen. „Nein.“

      „Mara, Ihr werdet mir den Namen jetzt sagen!“ Die donnernde Stimme des Königs ließ die Gläser auf dem Tisch klirren, war laut und drohend, sehr nah. Wahrscheinlich war auch er aufgestanden. Reik ließ sie los. Schritte erklangen, Mara wurde herumgerissen und der König packte sie an den Oberarmen, hielt sie sehr fest. „Seht mich an!“

      Mara hob den Kopf, blickte ihm kalt in die Augen und schob herausfordernd das Kinn vor. Es war eine ganz klare und einfache Erkenntnis, die sie fast lachen ließ: er konnte sie nicht zwingen zu antworten, konnte ihr keinen solchen Befehl erteilen. Der König von Mandura hatte ebenso wenig Macht über sie wie die Hohepriesterin der Tempel von Samala Elis, es war … irgendwie war es lächerlich.

      „Ihr werdet mir antworten! Ihr werdet mir …“

      Mit weicher, leiser Stimme unterbrach sie ihn. „Nein.“

      Verblüfft starrte der König sie an. Einen Moment sah er aus, als wolle er sie gereizt schütteln. „Aber Ihr habt den Namen Lorana genannt, sie kennt ihn!“

      „Und Ihr wisst, dass ich der Hohen Frau den Namen genannt habe. Würdet Ihr mich bitte loslassen, Majestät?“

      Der König ließ seine Hände sinken.

      Kraftlos ließ sich Mara in einen Sessel sacken, stützte die Ellenbogen auf die Knie und verbarg den Kopf in den Händen. Vielleicht hatte Lorana ja später noch mit Leif geredet, vielleicht hatte die Hohepriesterin ihr doch geglaubt, hatte ihn wenigstens gewarnt. Aber wenn nicht?

      „Du wirst es ihm doch sagen, nicht wahr?“, fragte sie Reik leise.

      „Natürlich, Gènaija. Sobald er morgen wieder im Palast ist, werde ich mit ihm reden, und wenn er mir nicht glaubt, dann hole ich dich. Dir wird er ganz sicher glauben.“

      Es war so ein unpassender Zeitpunkt, gerade noch war Leif so aufgeregt, so voll froher Erwartungen gewesen, und jetzt eine solche Nachricht! Es war mehr als rücksichtslos, es war grausam, es war … Mara fing erschüttert an zu weinen, schluchzte hemmungslos, und es war ihr vollkommen egal, was der König denken mochte! Oder Reik. Die beiden hatten sich in ihrer Anwesenheit gestritten wie zwei … und das war grob unhöflich. Sie hatte jedes Recht, in Tränen auszubrechen. Warum sollte sie sich beherrschen, wenn sie es nicht taten, sie war schließlich nur ein siebzehnjähriges Mädchen!

      In all dem Elend erfüllte Mara plötzlich eine große, unbeschreibliche Freude. Ein Gefühl überwältigenden Glückes durchflutete sie wie eine riesige, alles mit sich reißende Woge. Erstaunt hob sie den Kopf, lächelte unter Tränen; die Kerzen schienen heller zu brennen, strahlender, die Flammen des Feuers höher zu lodern, sogar der stürmische Wind riss übermütiger an den Fensterläden.

      „Mara?“ fragte der König verwundert. „Was ist mit Euch, was habt Ihr denn?“

      „Ich … Majestät, ich weiß nicht, ob das hier üblich ist, aber …“

      Der König sah sie fast schon besorgt an. „Ja?“

      „Majestät, ich möchte Euch zur Geburt Eures Enkels beglückwünschen.“

      Fassungslosigkeit machte sich auf seinem Gesicht breit, dann ein befreites Lächeln. „Was? Jetzt? Ist das wahr?“

      Mara

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