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doch, Herzchen, ich danke dir.“ Hauptmann Sandar trat ein, stutzte kurz, vermutlich, weil er das Durcheinander, die Unordnung in dem geräumigen, ein wenig düsteren Zimmer bemerkte. „Ich wollte mich nur erkundigen, ob … Oder störe ich?“

      „Nein, nein, bestimmt nicht“, sie lachte gezwungen, presste die Hand vor den Mund und sah sich um. Nahm einige Kleidungsstücke auf und trug sie rasch ins Nebenzimmer, wo sie sie aufs Bett warf. Sie rümpfte die Nase – ihr ungemachtes Bett erschien ihr schlampig, ehe sie zu Sandar zurückkehrte. „Ich habe nur … wollte ein paar Sachen aussortieren.“

      „Verstehe. Ich darf doch?“ Er deutete auf den Sessel, dann setzte er sich, ohne ihre Erlaubnis, ein Nicken abzuwarten. „Ist was kaputt gegangen?“

      Überrascht schüttelte Lucinda den Kopf, lachte dann erneut auf. „Oh, du meinst … Nein, das war nur … Krimskrams. Nicht so wichtig.“ Zwei der drei Figürchen, die sie auf dem Kaminsims aufgestellt hatte, eigentlich hatten sie ihr nie gefallen, sie fand sie albern, ja kindisch, doch jetzt waren sie zerbrochen und … Sie wollte deswegen nicht weinen, wandte sich ab.

      „Diese dicken Spielleute, Musikanten?“

      Sie nickte stumm, erstaunt, dass er sich erinnerte. Im nächsten Moment spürte sie seinen festen Griff um ihr Handgelenk. Er zog sie näher zu sich, zum Sessel. „Das tut mir Leid, Herzchen.“

      Sandar zog sie einfach auf seinen Schoß und nahm sie in den Arm, beruhigend fest, sicher, doch dabei strahlte er einen allzu markanten männlichen Geruch aus. „Hast du dich sehr erschrocken?“

      „Ich war ja gar nicht …“ Nicht hier, nicht allein, doch sie hatte vor Angst geschrien, als der Boden unter ihr ruckte, bebte. Die Wände hatten geächzt, das Geschirr im großen Schrank geklirrt, gescheppert, bevor alles … Und sie hatte nur schrill schreien und kreischen können, panisch, unfähig, sich zu rühren. Weinte auch jetzt, aber nur ein bisschen. Es war ja vorbei und Sandar hielt sie, beschützte sie. Sie wusste, dass das Bedrohliche nur noch eine Erinnerung war, dass keine Gefahr mehr bestand; presste die Lippen zusammen, drückte den Kopf an seine Schulter. Wünschte sich … „Du hattest bis jetzt Dienst?“

      „Jup“, er zuckte die Achseln, küsste sie hastig. Auf die Wange, nicht auf den Mund, was sie fast bedauerte, gern hätte sie … „Aufräumarbeiten, es gab wohl ein paar Verletzte. Nichts Schwerwiegendes.“

      „Das ist gut, nicht wahr?“

      Er musterte sie, und Lucinda behagte sein Gesichtsausdruck nicht, bevor er sie küsste, dieses Mal auf den Mund. Ihr behagte auch nicht, wie er sie küsste, grob und fordernd, oder wie er sie an sich drückte, doch was konnte sie schon tun? Was wollte sie tun? Bald würde sie den Mann heiraten. Also ließ sie sich von ihm küssen, noch einige Male, ließ auch zu, wie er sie betatschte, am Ausschnitt ihres Kleides herumfummelte. Als er jedoch die Hand unter ihren Rock schob, sprang sie auf. „Nicht, bitte!“

      „Nicht? Ich dachte, es würde dir…“

      „Ich bin doch sehr…“ Warum sagte sie nicht, wie es war? Dass ihr seine Zärtlichkeiten nicht gefielen, sondern sie erschreckten, abstießen. Er, seine Größe, seine Stärke, seine Überlegenheit. „Ich habe noch zu tun, entschuldige, ich muss einige Dinge erledigen.“

      Sandar fragte nicht weiter nach, sondern verabschiedete sich, sehr höflich, und ging.

      (Ende 84. Tag)

      Kapitel 7 – Sturm

      Die Hohe Frau hatte Mara wegen der zerstörten Tür heftige Vorwürfe gemacht, obwohl ihre Vorhaltungen Mara aufgesetzt erschienen, nicht wirklich ernst gemeint. Über die Vorfälle im eigentlichen Tempel hatte die Hohepriesterin kaum ein Wort verloren, sich nur kurz nach ihrem Befinden erkundigt, allerdings Réa und Sina, wie sie hörte, eingehend befragt.

      Nun, Mara konnte Lorana beruhigen: es ging ihr, abgesehen von leichten Kopfschmerzen und einem rauen Hals, ausgezeichnet. Sie bekam in der Nacht nicht einmal Alpträume und schlief tief und fest. Die Alpträume hatten wohl andere.

      Zudem hatte Lorana dafür gesorgt, dass die Geschichte bekannt wurde. Natürlich hatte sie keine Ansprache gehalten, trotzdem wusste schon bald jede im Tempelbezirk Bescheid. Und was der ganze Tempelbezirk wusste, wusste nach kurzer Zeit die gesamte Stadt.

      Das Verhalten der Frauen im Tempel allerdings, ihr Verhalten Mara gegenüber hatte sich nach den Ereignissen im Gewölbe verändert. Keine gewaltige Veränderung, aber doch eine spürbare: Die Frauen, ob Priesterin oder Tempelwächterin, begegneten ihr nicht mehr so unbefangen, waren im Umgang mit ihr respektvoller. Vielleicht aber auch bloß vorsichtiger.

      Gegen Ende der abendlichen Unterrichtsstunde im Schwertkampf – bei den Tempelwächterinnen, Malin hatte Mara endlich die Teilnahme erlaubt – stürzte plötzlich Milla mit hochrotem Kopf und nach Atem ringend in den Übungsraum. „Mara, du sollst sofort in die Häuser kom…“

      „Ich hoffe doch, Mädchen, du hast einen triftigen Grund dafür, den Unterricht auf derart rüde Weise zu stören“, unterbrach Malin Milla mit eisiger Stimme. „Hat dir Sina denn gar nichts beigebracht?“

      „Entschuldigt, Malin, ich … Aber ... die Dame Ondra ist da, sie liegt in den Wehen ... und sie will unbedingt mit Mara reden, jetzt sofort. Es ist wirklich dringend.“

      „Das ist wohl ein triftiger Grund“, befand Malin. „Du kannst gehen, Mara.“

      „Danke.“ Mara verbeugte sich vor ihrer verdutzten Partnerin, drückte dieser ihr Schwert in die Hände und rannte los.

      Milla hatte Mühe, ihr zu folgen. „Warte doch, Mara, ich kann nicht so schnell!“

      „Sagtest du nicht, es sei dringend, und jetzt soll ich warten?“

      „Ja! Aber du weißt doch gar nicht, in welchem Zimmer sich Ondra befindet. Und außerdem, so dringend, dass du wie von Teufeln verfolgt rennen musst, ist es auch nicht. Hier entlang.“

      „Aber du hast gesagt …“

      „Ich habe nur Ondras Worte wiederholt. Nadka sagt, es kann noch eine ganze Weile dauern.“

      „Trotzdem. Sind wir bald da?“

      Milla seufzte theatralisch und verdrehte die Augen. Dann klopfte sie an eine der nächsten Türen und trat ein. Mara folgte ihr ungeduldig.

      Ondra ging, gestützt von Nadka, im Zimmer auf und ab. Sie war nassgeschwitzt und etwas blass, wirkte ansonsten aber recht munter. „Da bist du ja, Mara, das ging schnell. Lasst uns bitte einen Moment allein.“

      „Selbstverständlich, königliche Hoheit, wie Ihr wünscht. Komm mit, Milla.“ Nadka schloss die Tür hinter sich und Milla.

      Ondra legte den Arm um Maras Schultern und nahm ihre Wanderung wieder auf. „Sicher wunderst du dich, warum ich dich rufen ließ.“

      „Ein bisschen. Geht es dir nicht gut?“

      „Doch, doch, es ist auszuhalten. Mara, würdest du mir einen Gefallen tun?“

      „Ja.“

      „Einfach ja?“ Ondra lachte, klang ein wenig atemlos. „Könntest du Leif herholen, Mara, jetzt gleich? Weißt du, sie halten hier im Tempel nicht besonders viel davon, Männer bei einer Geburt dabei zu haben, und … Natürlich könnte ich nach ihm schicken lassen, aber ich möchte, dass er noch vor seinem Sohn hier ist, verstehst du?“

      „Er ist im Palast?“ versicherte sich Mara.

      „Ja.“

      „Gut, ich beeile mich. Er wird rechtzeitig hier sein.“

      „Manchmal bist du wirklich ein Schatz, Mara.“ Ondra drückte sie kurz an sich, dann rief sie Nadka wieder herein, die bestimmt jedes Wort mitbekommen hatte, sich aber nichts anmerken ließ.

      Mara rannte quer über den Tempelvorplatz zum Pferdestall. Sie machte sich nicht

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