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heischend zu Mara.

      Mara nickte und grinste Réa an. „Und die dann farbig, zum Beispiel in einem sehr dunklen Blau?“

      „Ausgezeichnet, ein ganz vortrefflicher Vorschlag!“, ereiferte sich Frau Airon. „Schön, dann wäre das schon mal geklärt. Was ist mit Euch, meine Liebe? Wie soll Euer Kleid aussehen?“

      „Ich möchte auf jeden Fall Ärmel, und zwar lange“, erklärte Mara rasch.

      „Ärmel?“, wiederholte die Frau konsterniert. „An einem Festkleid für die Mittsommernacht?“

      „Ja“, bestätigte Mara knapp. „Ein vornehmes Gewand für eine Magierin sollte enge, lange Ärmel haben, bis über die Handgelenke.“

      Frau Airon und ihre Tochter warfen sich skeptische Blicke zu. Schließlich nickten beide entschlossen. „Spitze. Entweder Spitze oder ein hauchdünnes, durchsichtiges Gewebe. Anders geht es nicht.“

      „Aber da sieht man doch alles …“, wollte Mara einwenden.

      „Nicht, wenn Ihr ein ebenso dünnes Unterkleid tragt. Noch weitere Wünsche?“, fragte Frau Airon.

      „Keine Rüschen“, fiel Mara ein.

      „Nein, natürlich nicht, auf gar keinen Fall. Nichts … Überflüssiges, das würde nur ablenken. Der Stoff muss für sich sprechen, muss den Schnitt und Eure Figur betonen“, erklärte die Schneiderin. „Bleibt die Frage nach der Farbe. Weiß würde passen.“

      „Nein“, lehnte Mara entschieden ab.

      „Dann vielleicht sehr helles Blau oder Grün?“

      „Nein“, Réa schüttelte den Kopf. „Besser etwas Dunkles. Wie wäre es mit Schwarz?“

      „Unmöglich“, wehrte die Schneiderin ab. „Sehr dunkles Blau zusammen mit goldfarbenen Stickereien – das ginge vielleicht.“

      Wieder schüttelte Réa energisch den Kopf. „Das andere Kleid ist bereits blau, das wäre zu ähnlich. Wieso nicht Rot?“

      Unglücklich blickte Mara sie an. „Ist das nicht viel zu auffällig?“

      „Du fällst sowieso auf, ganz gleich, welche Farbe dein Kleid hat. Man muss nur darauf achten, dass der Ton sich nicht mit deiner Haarfarbe beißt“, gab die junge Priesterin zu bedenken.

      Frau Airon wiegte bedächtig den Kopf. „Ja, ich glaube, wir haben genau das richtige. Ich müsste noch Eure Maße nehmen und dann kommen wir in fünf … in sechs Tagen wieder, zur Anprobe. In Ordnung?“ Sie sah Réa an.

      „Ja, das ist früh genug.“

      Réa saß Mara gegenüber an dem kleinen Tisch in ihrem Schlafzimmer und blickte wie abwesend aus dem Fenster.

      „Bist du mir etwa böse?“, fragte Mara.

      „Weil du mich in der Robe einer Priesterin auf das Fest im Palast schicken willst, an dem einzigen Tag im Jahr, an dem ich tatsächlich einmal etwas anderes tragen könnte?“ Réas Lachen klang gequält. „Nein, ich bin dir nicht böse, ich hätte ja widersprechen können. Und du hast Recht: das wäre nicht ich.“

      „Ich finde dich sehr schön in Weiß.“

      Réa lächelte überrascht. „Danke. Ich hätte nicht Rot vorschlagen sollen, du siehst hinreißend aus in Dunkelblau. Die Gardeuniformen sind auch dunkelblau und …“

      „Weiß ich doch“, meinte Mara nur.

      „Ja, dieser Jula, mit dem du dich immer triffst, ist ja Soldat in der Garde“, bemerkte Réa. „Er scheint nett zu sein, ich habe ihn ein paar Mal oben im Palast getroffen, außerdem hat Reik ihn mal erwähnt.“

      Mara nickte zustimmend.

      „Ich habe dich heute Morgen gar nicht beim Frühstück gesehen, wo warst du?“, wollte Réa wissen.

      „Ich habe noch geschlafen und später bei Bes in der Küche gegessen“, berichtete sie. „Danach war ich lange mit Nadka im Kräutergarten, sie weiß unendlich viel über giftige Pflanzen, was ich natürlich alles aufgeschrieben habe. Beruhigt?“

      „Sicher, Mara, ich wollte dich doch nicht … Nur hatte Milla nach dir gefragt, sie schien besorgt und meinte, du wärst nicht auf deinem Zimmer gewesen, als sie dich zum Frühstück abholen wollte.“

      Wieder nickte Mara. „War ich auch nicht, ich war bei Sina.“

      „Oh … verstehe.“

      „Ach ja?“ erwiderte Mara verschwörerisch und lächelte breit.

      Réa wurde rot und wusste vor Verlegenheit kaum, wohin sie sehen sollte. Schließlich stand sie abrupt auf und verschwand im Nebenzimmer, um gleich darauf mit einigen Schlüsseln zurück zu kommen, die sie vor Mara auf den Tisch legt. „Für dich. Lorana sagte, du wüsstest, wozu.“

      Mara nickte zögernd, nachdenklich.

      „Sie meinte auch, du solltest nicht allein gehen.“

      „Würdest du mitkommen?“, fragte Mara an Réa gewandt und stand auf. Dabei klang ihre Stimme kühl und ungerührt und verriet nichts von der Erregung, die Mara verspürte.

      Ebenso ernst und ungerührt antwortete ihr Réa. „Natürlich, gern.“

      Mara ahnte, dass auch die junge Priesterin angespannt war – und sich freute.

      Réa ging voran. Natürlich wusste sie, wozu die Schlüssel dienten. „Wir werden Fackeln brauchen, es ist ziemlich … finster dort. Ich bin gleich wieder da.“

      Mara setzte sich auf die Stufen, die zum hinteren Tempeleingang hinaufführten, und wartete. Sie verdrängte all die Fragen und Gedanken, die auf sie einströmten, gönnte der ebenerdigen Tür direkt vor ihr noch keinen Blick und bemühte sich, ruhiger zu werden, sich zu konzentrieren.

      Es überraschte Mara nicht, dass Réa in Begleitung von Sina zurückkam – beide trugen brennende Fackeln. Sie sprang auf, erfüllt von Ungeduld und Anspannung.

      Aufmerksam betrachtete sie die imposante, mächtige Tür, die zu den Gewölben führte, sah auf die Schlüssel in ihrer Hand und wählte den passenden aus. Das Schloss wurde offenbar häufig benutzt, der Schlüssel ließ sich mühelos drehen. Die hohen, schweren Türflügel schwangen mit erstaunlicher Leichtigkeit auf, als Mara sie anstieß.

      Den Schlüsselbund in der Rocktasche verstauend trat sie über die Schwelle, Réa und Sina folgten ihr mit den Fackeln.

      Sie fanden alles so vor, wie Mara es vermutet hatte, all das, was sie im Archiv vermisst hatte: die Geschichte des Tempels, die Sammlung der Tempelgesetze, die Familiengeschichten der manduranischen Herrscher, Ahnentafeln der wichtigsten und mächtigsten Familien von Mandura, Aufzeichnungen über die Ereignisse während der Regierungszeit der einzelnen Könige, alte Legenden und Prophezeiungen, auch solche, den König vom Blut der alten Könige betreffend.

      All das befand sich in einem Raum tief unter dem Tempel, den zu erreichen sie nur der langen, steilen Treppe auf der linken Seite des Eingangs zum Gewölbe folgen musste.

      Sie warf Réa einen misstrauischen Blick zu. „Das lag nicht schon immer hier unten, stimmt's?“

      „Nein, natürlich nicht, die feuchte Luft hätte das Papier zerstört. Und wer will schon jedes Mal diese gruselige, glitschige Treppe hinabsteigen, nur um etwas in den Tempelgesetzen nachzuschlagen?“

      „Warum sind die Papiere dann hier?“, wollte Mara wissen.

      „Lorana hat sie herschaffen lassen“, erklärte Réa.

      „Aber warum?“

      „Weil man nicht jedem dahergelaufenen, frechen Mädchen, das behauptet, eine Zauberin zu sein, den Schlüssel zur gesamten manduranischen Geschichte aushändigt. Ihre Worte.“

      Einen Moment war Mara sprachlos, wollte empört auffahren, musste dann aber doch lachen. „Ah,

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