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Die Furt von Windermere Grove. Gerda M. Neumann
Читать онлайн.Название Die Furt von Windermere Grove
Год выпуска 0
isbn 9783746709154
Автор произведения Gerda M. Neumann
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Ihnen gefällt Ihr alter Familiensitz, scheint mir?«
»Ja, er gefällt mir; auch die Landschaft von Norfolk ist für südafrikanische Augen weit und leicht besiedelt genug. Ich habe mich dort sehr wohl gefühlt – dieses angenehme Gefühl hat sich in der Erinnerung wahrscheinlich noch gesteigert«, schob er mit einem vorüberhuschenden Lächeln hinterher.
Olivia warf einen flüchtigen Blick über die kahlen, grauen Wände um sich. »Versuchen wir, hier herauszukommen! Das Ehepaar Hewitt lernten Sie am zweiten Abend kennen. Erzählen Sie mir von diesem Abend.«
»Es handelte sich um eine altmodische Einladung, wie ich sie aus englischen Büchern kannte. Überhaupt läuft das tägliche Leben meines Onkels so ab wie in den Romanen des neunzehnten Jahrhunderts, jedenfalls, wenn er auf Windermere ist. Außer dem Arztehepaar war noch der Pfarrer mit seiner Frau eingeladen. Es war ein netter Abend, an dem vor allem über Südafrika geredet wurde. Am folgenden Samstag gab mein Onkel eine große Einladung, bei der Mr und Mrs Hewitt sowie das Pfarrerehepaar wieder dabei waren, dazu zwei Farmer aus der Gegend, der eine oder andere juristische Kollege mit seiner Frau und einige junge Frauen und Männer in meinem Alter. Ich erinnere mich, dass ich mich länger mit Mr Hewitt unterhielt, aber über nichts Berichtenswertes.« Er sah Olivia bedauernd an. »Es wird nicht interessanter. In der folgenden Woche unterhielt ich mich mit Mrs Hewitt über deren Gartenpforte hinweg, sie war wirklich sehr nett, gerade sechzig Jahre alt geworden und von einer herzlichen und offenen Art, dass man sich in ihrer Nähe gut aufgehoben fühlte. Am Freitag, dem 16. Juli, machten mein Onkel und ich einen Gegenbesuch im Arzthaus, außer uns war noch eine Mrs Upton aus dem Dorf eingeladen. Ich glaube, sie ist – sie war mit Mrs Hewitt eng befreundet. Auch das war ein netter Abend, über den es weiter nichts zu berichten gibt. Ich wüsste jedenfalls nicht, was.« Pierre Hobart fuhr sich durch die Haare.
»Was können Sie zu dem Arzt sagen?«
»Zu Mr Hewitt? Er ist sicher einige Jahre älter als seine Frau und wirkt physisch etwas erschöpft. Er kommt mir außerordentlich gebildet und sehr aufgeschlossen vor. Etwas hat mich anfangs irritiert. Er kann bei Tisch oder beim Tee einen einzelnen Gast unverwandt und unverstellt studieren, sie verstehen, was ich meine? Er schaut einen einfach an. Wenn man schließlich den Mut aufbringt, ihn ebenfalls fest anzusehen, antwortet er mit einem Bündel Lachfalten um jedes Auge und die Situation ist wieder entspannt.«
»Redselig ist er demnach nicht sonderlich?«
»Nein, ganz bestimmt nicht! Ich schätze, er ist ein Mensch für kleine Gesprächsrunden. Er hört sehr genau zu und antwortet sehr präzise. Das schnelle Hin und Her, das leicht bei großen Einladungen entsteht und auch recht nett sein kann, ist kaum seine Sache.«
»Dann lebt noch der Pfarrer in der unmittelbaren Nachbarschaft, nicht wahr?«
Mr Hobart wirkte zunehmend ratlos. »Er ist vierzig, seine Frau zwei Jahre jünger, sie haben drei Kinder, fünf Katzen und einen alten Hund. Das Kochen besorgt die Tante des Pfarrers, die ebenfalls im Haus wohnt, ein alter Knecht von der benachbarten Farm genießt eine Art Familienanschluss und kümmert sich um den ziemlich großen Garten; der Gemüsegarten erinnerte mich immer an Bilderbücher aus Kindertagen – wenn Sie noch lange so weiterfragen, werde ich verrückt!«
»Das sehe ich. Aber warum?«
»Weil alles so idyllisch wirkt, dass der Tod von Mrs Hewitt nur ein böser Spaß sein kann! Wer sollte so etwas tun? Dazu so brutal? Und wer kann im Ernst ein Interesse daran haben, diesen Frieden zu zerstören?«
»Vielleicht wollte er ihn gar nicht zerstören? Windermere Grove scheint eine Dorfgemeinschaft zu sein, die gut funktioniert. So etwas gibt es auch heute noch. Ich erinnere mich an kleine Gebirgsdörfer in den Salzburger Bergen, in denen die Bewohner zusammenstehen wie ein großer Familienclan. Abgesehen davon hat jeder soviel zu tun, dass er seinen Nachbarn schon deshalb in Frieden leben lässt. Das läuft prima.« Olivia sah zu Laureen hinüber. »Sie erkennen die Menschen in Mr Hobarts Beschreibungen wieder?«
»Ja, so ist es. Und die zahlreichen anderen, die ich im Verhör kennenlernte, bauen dieses Bild einfach weiter.«
»Wenn man davon absieht, dass in diesem Tatbestand keine einfache Antwort für unser Problem aufzudecken ist, kann man sich letztlich doch nur freuen.«
»…oder wahnsinnig werden. Alle sind eigentlich furchtbar nett. Es ist eine Freude. Und ich bin so nett wie sie alle und versuche, einer Leiche zu helfen. Und durch all die Nettigkeit sitze ich nun im Knast und finde keinen Ausweg, weil die Nettigkeit all der netten Leute Ringelreihen um mich tanzt wie die Kinder unter dem Holunderbusch und die aneinander gefassten Hände all der netten Leute mich zum Gefangenen machen.« Pierre Hobart hatte sich mit seinem Stuhl so weit vom Tisch weggeschoben, dass er seine Arme durchdrücken konnte, die Hände umklammerten die Tischkante und die Fläche um die Knöchel war weiß.
Olivia sah ihn betroffen an. »Mr Hobart«, begann sie ernst und vorsichtig, »es tut mir leid, dass ich mir nicht klar gemacht habe, was es für Sie bedeutet, das alles wieder von vorn zu durchdenken.«
»Sie standen da wie ein Mensch, der lauter neue Fragen stellen wird und ich spürte auf einmal wieder Hoffnung.«
»Neue Fragen können nur aus schon gestellten herauswachsen, verstehen Sie das?«
»Ja, ja, ich verstehe das.« Endlich sah er wieder auf und blieb rätselnd an Olivias Gesicht hängen. Nach einer schweigenden Minute fuhr er sich mit der linken Hand über die Augen, zog mit der rechten den Stuhl zurück an den Tisch und war bereit für die nächste Frage.
»Was haben Sie mit Ihren Tagen in Norfolk angefangen?«
Die Verzweiflung kehrte umgehend in sein Gesicht zurück: »Nichts, was Ihnen weiterhelfen würde. Wirklich nichts!«
»War Ihr Onkel die ganze Zeit in Windermere Grove?«
»Beinahe, er hat einen Sozius und konnte sich für die Dauer meines Besuches freimachen. Das hat mich ehrlich überrascht. In der zweiten Woche waren wir in Windermere Market, dort hat er seine Kanzlei. Er zeigte mir alles und stellte mich seinen Angestellten vor. Ich habe mir anschließend zwei Stunden das winzige Städtchen angesehen, während er die dringendsten Sachen erledigte. Er lud mich als Abschluss zu einem wunderbaren Essen in das große Gasthaus am Marktplatz ein. Das Gasthaus ist sehr alt und sehr behaglich – wenn schon, dann sollte man mich dort gefangen setzen«, versuchte er an die hoffnungsfrohere Stimmung von vor einer halben Stunde anzuschließen.
»Wie heißt dieses Gasthaus?«
»The Old Brewery House.«
»Anwalt Hobart ist dort gut bekannt?«
»Ja, alle vom Besitzer bis zum Laufburschen in diesem Hotel haben großen Respekt vor ihm. Er isst dort mit Geschäftsfreunden, einmal zu Weihnachten mit den Angestellten, und wenn es abends mal gar zu spät wird, übernachtet er auch dort. Ich kann mir nicht denken, dass das oft passiert, denn es sind nur sechs Meilen nach Windermere Grove, aber manchmal eben doch.«
»Was haben Sie weiter von Norfolk gesehen?«
Pierre Hobart sah zu Laureen hinüber und seufzte, aber seine Verzweiflung wirkte schon ein ganz klein wenig theatralisch: »Wir sind die verschieden aussehenden Küsten abgewandert, den Geröllstrand in der Nähe von Blakeney Point, es war ein wunderbar friedlicher Tag in zartblauer Weite, in der man die Möwen und das Knirschen der Schritte auf den kleinen runden Steinen hörte, kaum ein Mensch war unterwegs; und die Steilküste bei Hunstanton mit den roten und weißen Gesteinsschichten. Es war Ebbe und wir gingen weit hinaus, diesmal gluckste das Wasser gelegentlich unter den Sohlen und das Kleintierleben in den Wasserlachen und im Schlick hatte für mich an jenem Tag etwas rätselhaft Beglückendes.« Er sah in Olivias aufmerksames Gesicht und schien ein wenig von seiner Hoffnung darin wiederzufinden. »Wir besichtigten einige uralte Schlösser und mehrere große Parks, ich weiß kaum noch, wie sie heißen… Wir