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zur Tür, kehrte nochmals zum Schreibtisch zurück, um die Zigarette im Aschenbecher auszudämpfen, und verließ daraufhin endgültig das Büro. Im Flur war es stockdunkel. Durch die offenen Bürotüren fiel stellenweise nur ein schwacher Schimmer herein.

       Das nächste Mal, wenn ich ein Gebäude betrete, muss ich unbedingt eine Taschenlampe mitnehmen, sonst breche ich mir noch alle Knochen.

      Im fensterlosen Treppenabgang waren die Lichtverhältnisse noch schlechter. Er tastete sich vorsichtig eine Stufe nach der anderen hinunter ins Erdgeschoss. Draußen tobte das Gewitter, doch es verlor langsam an Intensität. Selbst im Inneren des Gebäudes konnte Robert hören, wie sich das Grollen von Minute zu Minute weiter entfernte.

      Als er das Eingangstor erreicht hatte, war der Regen bereits zu einem Nieseln abgeklungen. Robert inhalierte die gereinigte Luft. Er fand, dass sie nach einem Gewitter immer besonders gut roch. Auf dem Weg zum Wagen musste er einigen größeren Pfützen ausweichen, denn das Wasser stand an manchen Stellen knöcheltief.

       Hätte nie gedacht, dass sich in der kurzen Zeit so viel Wasser ansammeln kann. Ich muss wohl den größten Teil der Show verschlafen haben.

      In einer der Wasserlacken entdeckte Robert einen treibenden Sektkorken, der ihn an das Boot in seinem Traum erinnerte.

      Sonderbar, dass ich ausgerechnet von Großvater geträumt habe. … Du musst den Kristall zurückbringen, erinnerte er sich an dessen letzte Worte.

      Robert stieg in den Wagen, startete den Motor und fuhr vom Parkplatz. Das Wasser spritzte fächerartig in alle Richtungen. Er nahm den Fuß vom Gaspedal und reduzierte die Geschwindigkeit, denn er wollte verhindern, dass er ins Schleudern geriet. Unbewusst konzentrierte er sich nun wieder etwas mehr auf die Umgebung. Er hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, zufällig den Weg anderer Individuen zu kreuzen. Robert dachte, dass die Chancen, auf andere Menschen zu stoßen, steigen würden, je mehr er sich dem Zentrum näherte. Immerhin zog es auch ihn in die Mitte der Stadt. Welche Gründe jemand anders auch immer dafür haben könnte.

      Sein Plan bestand darin ein Geschäft aufzusuchen, das Leuchtpistolen führte, eine solche zu entwenden und damit vom Stephansplatz aus Leuchtkugeln abzufeuern. Sollten sich andere Menschen in der Stadt aufhalten, wäre es unwahrscheinlich, dass sie sein Zeichen nicht bemerkten. Immerhin war es totenstill in der Stadt, seit der Regen wieder aufgehört hatte. Er dachte dabei an ein Waffengeschäft am Graben, das nur einen Steinwurf vom Stephansdom entfernt lag.

      Schließlich erreichte er den Stephansplatz, in dessen Mitte der Dom, Wahrzeichen der Stadt - und nun Hüter einer verlassenen Stadt - emporragte. Robert brachte den Wagen zum Stehen und ließ den Blick über den leeren Platz schweifen, der nun größer wirkte als sonst. Keine Pferdekutschen und auch keine Touristen, die an normalen Sommertagen die Altstadt bevölkerten oder in einen der Fiaker stiegen, um eine romantische Fahrt vorbei an den Sehenswürdigkeiten zu unternehmen, befanden sich dort. Sogar der Pferdemist war von dem Gewitter weggeschwemmt worden.

      Er setzte sein Gefährt wieder in Bewegung und rollte an der Kathedrale vorbei, bog rechts in den Graben und hielt vor dem Waffengeschäft an. Er überlegte, ob er das Auto in der Seitengasse parken sollte, kam aber zu dem Schluss, dass es ziemlich egal war, ob er den Fluchtwagen hier stehen ließ oder versteckte. Immerhin lag der Sinn dieser Aktion darin, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Von der Auslage ging ein seltsamer Glanz aus und Robert wurde bei dem Anblick der Scheiben flau im Magen. Dieses Gefühl rührte wahrscheinlich daher, dass er im Begriff war, seinen allerersten Einbruch zu begehen.

       Würde gern wissen, ob sich jeder Einbrecher so miserabel fühlt, bevor er ein Verbrechen begeht.

      Er ging zum Heck des Wagens und hob den Kofferraumdeckel an. Im Inneren befand sich neben den üblichen Utensilien wie Pannendreieck, Verbandskasten, Abschleppseil, Schneebesen und Eiskratzer auch ein Werkzeugkasten. Robert klappte ihn auf und entnahm diesem ein Stemmeisen und einen zwei Pfund schweren Hammer. Ein Überbleibsel einer Wohnungsrenovierung, bei der er mitgeholfen hatte. Er steuerte auf die Geschäftstüre zu und nahm sie genauer unter die Lupe. Sie erschien ihm nicht besonders widerstandsfähig.

       Eigentlich unverantwortlich bei einem Waffengeschäft eine derartig lächerliche Tür zu installieren.

      Er setzte den Meisel beim Schloss an und holte mit dem Hammer zum Erstschlag aus. Die Alarmanlage!

      Die Idee einer solchen Einbruchsicherung, die jeden Augenblick loslegen würde, manifestierte sich in seinem Hinterkopf. Er hörte im Geiste eine ohrenbetäubende Sirene heulen, während von allen Seiten Leute angelaufen kamen, um nachzuschauen, wer die Dreistigkeit besaß, am helllichten Tag in ein Waffengeschäft einzubrechen. Dann fiel ihm der Stromausfall wieder ein und die Tatsache, dass er höchstwahrscheinlich allein war, und wischte den Gedanken einer funktionstüchtigen Alarmanlage beiseite. ... Andererseits ... Ich will ja, dass mich jemand hört!

      Er holte aus und schlug zu. Etwas zu zaghaft und ohne zerstörende Wirkung. Der zweite Schlag fiel stärker aus und ließ die Tür erzittern. Das Schloss zeigte sich unbeeindruckt von diesem höchst unprofessionellen Erstschlag. Robert schlug wieder und wieder zu, jedoch ohne befriedigendes Resultat.

       Das gibt es doch nicht. Ich habe diese Tür eindeutig unterschätzt!

      Er ließ vom Schloss und Türrahmen ab, wo er lediglich einige Schrammen hinterlassen hatte, und widmete seine Aufmerksamkeit der Scheibe. Er versuchte es vorerst ohne Stemmeisen und schlug zu, so fest er konnte. Er presste die Augenlider zusammen, weil er erwartet hatte, dass die Scheibe bersten würde, doch das Geräusch von zersplitterndem Glas blieb aus. Er hatte lediglich eine Delle in die Scheibe geschlagen, von der aus klitzekleine Risse zum Rand hin verliefen.

       Spezialglas! Noch ein paar solcher Überraschungen und ich laufe Amok!

      Die Scheibe, die in der Eingangstüre eingelassen war, war nicht besonders groß. Sie verlief vom Knie bis knapp über Kopfhöhe und war etwa einen halben Meter breit. Robert bearbeitete mit Stemmeisen und Hammer den Rand der Scheibe und schlug sie Zentimeter für Zentimeter aus dem Rahmen. Es wirkte beinahe so, als wollte er eine Konservendose öffnen. Als er damit fertig war, stieß er sie ins Ladeninnere, wo sie polternd auf dem Holzboden landete. Er schlüpfte durch das Loch ins Geschäft und stieg über die Reste hinweg.

      Auf der rechten Seite befand sich ein langer Ladentisch, der teilweise verglast war, wodurch der Blick auf die darunterliegenden Objekte frei war. Einen der ausgestellten Artikel identifizierte Robert eindeutig als Leuchtpistole. Er zerschlug die Deckplatte mit seinem Hammer. Dieses Mal handelte es sich dabei um kein Spezialglas, und die Splitter flogen klirrend in alle Richtungen. Robert griff vorsichtig nach der Pistole und blies den Glasstaub davon ab. Er ging um die Verkaufstheke herum und öffnete eine Schublade nach der anderen, auf der Suche nach der passenden Munition. Einige waren versperrt, doch er hielt sich nicht länger damit auf. Schließlich fand er, wonach er gesucht hatte. Er räumte alle Schachteln heraus und stapelte sie auf der Theke. Die Leuchtpistole steckte er in seine Hosentasche. Dann schnappte er so viele Verpackungen, wie er tragen konnte, brachte sie zu seinem Auto, warf sie auf den Beifahrersitz und kehrte ins Geschäft zurück, um die restliche Munition zu holen. Dann klemmte er sich hinter das Steuer und startete den Motor. Er fuhr bis vor das Haupttor des Stephansdomes, wählte eine Schachtel mit roten Leuchtpatronen und stieg aus. Ein Blick nach oben stimmte ihn wieder versöhnlich, denn der Himmel erstrahlte im herrlichsten Blauton, als ob nichts gewesen wäre.

      Er lud die Pistole, zielte Richtung Himmel und drückte ab. Der Knall selbst war gar nicht so laut, wie er erwartet hatte, doch dessen Schall, der von den Häusern zurückgeworfen wurde, hallte umso unangenehmer über den leeren Platz. Robert verfolgte mit seinen Augen die Flugbahn der Leuchtkugel. Zuerst stieg sie steil in die Luft, bis zu den Dachkanten, dann wurde der rote Feuerball, kaum war er dem Windschatten der Häuser entkommen, von einer Bö erfasst und horizontal davon getrieben.

       Verdammter Wind! Ich veranstalte hier keine Party zu meinem Privatvergnügen!

      Er lud die Leuchtpistole nach und drückte ein zweites Mal ab. Gleiches Resultat. Er sah der Feuerkugel

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