ТОП просматриваемых книг сайта:
Die Entleerung des Möglichen. Reinhold Zobel
Читать онлайн.Название Die Entleerung des Möglichen
Год выпуска 0
isbn 9783753181400
Автор произведения Reinhold Zobel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
“Es heißt, es wird bald Ärger geben im Rapzodie.”
“Ich habe, ehm, auch so etwas läuten hören. Was sollen wir also tun?”
“Ich fürchte, wir können nichts tun.”
“Es geht um diesen Rotfuchs, nicht wahr?”
“So ist es.”
“Und Ferenczy möchte Mohun dazu bewegen, mit ihm und seinen Leuten zu verhandeln.”
“Sie sagen es.”
“Vielleicht kommt es ja doch noch zu einer, ehm, Einigung.”
“Glauben Sie wirklich daran?”
“Sollte man nicht wenigstens versuchen, mit Ihnen zu reden?”
“Eine falsche Note, nicht wahr, bedeutet nicht viel. Ein falsches Wort dagegen kann... tödlich sein.”
“Und Sie rechnen damit, dass ein solches fallen wird?”
“Ich denke, es ist bereits geschehen.”
Ja, Oscar wusste von den schwärenden Unwetterwolken. Es war ihm beim Essen zugeflogen (Dinge dieser Art erfuhr man vorzugsweise beim Essen). Ungemütliche Nachrichten in gemütlicher, vertraut trauter Runde. Obwohl, so traut war sie gar nicht gewesen, außer ganz zu Beginn…
“Die stehen da auf der Bühne, als wollten sie gepfählt werden, nicht wahr.”
Die Tanztruppe war neu. Die Mädchen sprühten vor Lebendigkeit und vor Temperament. Sie waren zu sechst und trugen keine Landesfarben. Mohun hatte sie, wie er sich ausdrückte, aus dem Garten Eden abgeholt. Den Eindruck machten sie allerdings nicht. Zwei kamen von der Elfenbeinküste, drei aus dem Senegal und eine aus dem Jemen. Sie würden nicht bleiben. Es war eine Art Gastauftritt anlässlich der Neu-Eröffnung des Lokals, des Gouffre Bleu. Sie sollten einen knappen Monat lang auftreten.
Die hiesige Bühne, wiewohl bereits verbreitert, fasste keine solche Leibesfülle. Die Musiker mussten ja schließlich auch noch irgendwo Platz finden. Frank Mohun hatte andere Pläne mit den Mädchen. Sie gehörten, wie er es sah, auf eine richtige, auf die ganz Große Bühne. Oscar war an diesem Abend arbeitslos. Zwar sollte er künftig hier, statt im Rapzodie spielen, nicht aber zu der aktuellen Musik, die vorzugsweise von Trommeln und anderen Percussion Teilen besorgt wurde. Er war der letzte, der das bedauerte, obwohl er die Tanznummern durchaus genoss.
Das übrige Publikum zeigte sich verzückt, ja, stellenweise geriet es gar in wonnige Ekstase. Oscar war an diesem Abend nicht selbst gekommen. Man hatte ihn gefahren. Mohuns Palastwache hatte das getan. Warum, erfuhr er später. Frank Mohun fürchtete eine unliebsame Unterbrechung der Eröffnungsparty, gar einen Anschlag. Es gab warnende Hinweise aus dem Lager des Rotfuchses. Mohun traf aufwendige Sicherheits-Vorkehrungen. Natürlich sollte von den illustren, teilweise lokal prominenten Partygästen niemand beunruhigt werden. Mohuns Streitkräfte patrouillierten draußen, im Schutzmantel der Dunkelheit.
Das also würde bald Oscars neue Wirkungsstätte sein, ihm erlauben, wieder am Piano seinen Platz einzunehmen. Wenn er gewollt hätte, hätte er sogar eine bessere Wohnung haben können, aber er wollte nicht. Sie hätte sich in unmittelbarer Nachbarschaft von Mohuns Domizil befunden. Soviel Nähe behagte ihm nicht. Ihm war nicht daran gelegen, ständig unter Beobachtung zu stehen. Mohun hingegen war ein Mann, der seine Schäfchen gern in Ruf- und seine Feinde in Sichtweite wusste.
*
Der Mensch blieb stehen, eingeschüchtert und im Ungewissen darüber, was er als nächstes zu gewärtigen habe. Er zog die Schultern nach oben, nicht sehr weit und spähte so stumm wie unsicher in das ihn kühl badende Halbdunkel. Mohuns Leute hatten ihn am Ausgang der Toiletten abgefangen und unbemerkt nach draußen, in den mit Müll und Abfällen dekorierten Hinterhof des Gouffre Bleu verbracht. Sie unternahmen zunächst nichts, was ihren Gefangenen betraf, plauderten vielmehr miteinander, als wäre er gar nicht vorhanden.
Irgendwann und ohne Ankündigung trat dann einer von ihnen auf den ängstlich zurück weichenden Mann zu, ein zweiter folgte. Die beiden schauten ihr Opfer nicht an, das, als wollte es eine Frage stellen, beide Arme in einer unschlüssig halbherzigen Bewegung anwinkelte und dabei den Mund öffnete. Derselbe blieb geöffnet, wandelte sich zu einer gekrümmten Schmerzhupe, als die beiden Bewacher in raschem Wechsel und mit massiver Härte auf den Hilflosen einschlugen. Der Mann, am Kopf und in der Magengegend von Schlagringen getroffen, sackte wimmernd zu Boden, wo eine gezielte Serie von Fußtritten seinen Schädel in eine wild pendelnde Knochenschaukel verwandelte. Er schrie jetzt. Es waren erstickte Schreie. Oscar fühlte eine mit Panik versetzte Kälte in allen Gliedern. Er wollte weglaufen, doch es ging nicht. Er wandte den Blick ab, um nicht noch mehr Rohheit und Leiden mit ansehen zu müssen. Er fühlte sich beobachtet von den zwei Figuren, die sich nicht an der Gewalttat beteiligten. Die nachfolgende Ewigkeit mochte vielleicht fünf Minuten betragen. Danach war Stille. Oscar blickte nach oben. Der Himmel zeigte ein kristallines Nachtblau. Und die Sterne assistierten mit funkelndem Strass.
Als er schließlich einen furchtsamen Blick dorthin wagte, wo dieser Mensch lag, den Mohuns Leute verprügelt hatten, sah er nur einen dunklen, bewegungslosen Klumpen. Vielleicht hatte der Mann das Bewusstsein verloren. Vielleicht stellte er sich tot. Vielleicht war er es.
Oscar schreckte zusammen, als einer aus Mohuns Leibgarde ihn kurz und fordernd an der Halsbeuge fasste. Die Berührung brannte auf seiner Haut wie ein Rheumapflaster. Dabei war sie eher sanft, eine Art Streicheln und auch des anderen Stimmfarbe unterwanderte den rauen Kanon seiner Worte. Sie hatte das Aroma sonnengereifter Oliven, diese Stimme, sowie einen milden Klang. Das war doch schon etwas, fast so etwas wie Freundschaft.
"Wir gehen jetzt. Du hast nichts gesehen. Verstehen wir uns?"
"Was hat der Mann denn nur getan?"
“Der Mann ist ein Verräter.”
Das Prügelopfer namens Cosmin gehörte zu Mohuns innerem Zirkel, zu seinem Hauspersonal, und man hatte ihn, wie Oscar bald erfahren sollte, als Spitzel entlarvt. Er spionierte für den Rotfuchs. Er würde seine Enttarnung wohl kaum überleben. Die Szene hier im Hinterhof war eine Art Vorspiel für den Gang zum Schafott… Bühnenseitig richtete sich das Interesse auf die Eröffnungs-Gala des Gouffre Bleu. Man wollte sie sicher nicht mit übel riechenden Blutlachen trüben.
Das war zwischendurch passiert, im ersten Drittel des Abends. Oscar hatte es noch lebhaft im Sinn. Wie auch etwas weiteres, das diesem Ereignis vorausgegangen und, wenn nicht fatal, dafür aber peinlich unangenehm gewesen war. Nämlich als er hierher chauffiert wurde.
"Was ist?"
"Ich m ü sste mal, ehm, austreten."
"Denkst du, wir halten extra deinetwegen an?"
"Lass nur, Boris. Gerard, stopp doch mal da vorne. Ich muss auch pinkeln!"
Der Fahrer hielt an einem begrünten Karree mit Springbrunnen. Die Türen des Citroën flogen auf. Die Insassen stiegen aus und stellten sich in einer Reihe auf, dann öffneten Mohuns Männer ihre Hosenställe und begannen alle gemeinsam, ihr Wasser abzuschlagen. Oscar tat es ihnen nach. Nicht richtig. Er hörte das rege Plätschern der benachbarten Harnströme. Seine Hand dagegen hielt ein stummes, aktionsloses Glied. Sein Körper verspannte sich. Es war unmöglich. Es ging nicht. Er konnte nicht pinkeln.
Er stand da, ein kleiner, errötender Junge. Er versuchte schließlich, einfach so zu tun als