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der Natur, machen auf das Wissen aufmerksam, das Pflanzen übertragen, und rücken die ethischen Fragen ins Bewusstsein, die mit ihnen verknüpft sind. Ein Literaturunterricht, der an kultureller Nachhaltigkeit orientiert ist, kann, so argumentiere ich, diesen Anregungen, Verknüpfungen und Problemen gezielt nachgehen und Schülerinnen und Schüler dadurch anregen, Pflanzen in ihren materiellen und semiotischen Zusammenhängen mit den übrigen, menschlichen und nichtmenschlichen, Wesen der Natur wahrzunehmen. Zugleich kann er Strategien bereitstellen, um komplexe literarische Texte zu erfassen und unter einer aktuell relevanten Perspektive neu zu lesen. Grundlagen dafür sind die Begriffe und Methoden der kulturwissenschaftlichen Pflanzenforschung (Plant Studies) und der themenorientierten Literaturdidaktik.

      Dieser Beitrag stellt drei literarische Entwürfe von Pflanzen aus dem langen 19. Jahrhundert vor, die sich für die Lektüre mit Schülerinnen und Schülern eignen, und befragt sie aus der Perspektive der aktuellen kulturwissenschaftlichen Pflanzenforschung auf ihr Potenzial für eine Didaktik kultureller Nachhaltigkeit hin: Ludwig Tiecks Erzählung Die Elfen, die 1811 für den Phantasus entstand; Sibylle von Olfers’ Bilderbuch Etwas von den Wurzelkindern (1906); Annette von Droste-Hülshoffs Gedicht Der Knabe im Moor (1841/42). Aus der Vielzahl möglicher Aspekte, unter denen die Pflanzen in der deutschsprachigen Literatur im Kontext einer Literaturdidaktik der Pflanzen gewinnbringend zu betrachten wären, greife ich dabei die der anthropomorphen Darstellung von Pflanzen heraus. Anthropomorphe Pflanzendarstellungen können im Sinne des neueren Ecocriticism ‚gegen den Strich‘ als dem Anthropozentrismus entgegenwirkende Textverfahren gelesen werden (z.B. Iovino & Opperman 2012, 82; Moore 2008, 11). Solche Lesarten lenken die Aufmerksamkeit auf Ähnlichkeiten zwischen Pflanzen und Menschen, auf agentielle Potenziale von Pflanzen, ihren zentralen Stellenwert im Ökosystem als Lebensgrundlage der Tiere und Menschen sowie ihre ästhetischen Besonderheiten.

      2. Plant Studies

      3. Ludwig Tieck: Die Elfen (1811)

      Ludwig Tiecks Märchen Die Elfen (1811) eignet sich als Lektüre für die Sekundarstufe und kann als paradigmatischer Text für die Erkundung der Verwobenheit von Pflanzen und Menschen in der Romantik gelten. Es ist die Geschichte des Mädchens Marie, das mit seinen Eltern in einer besonders grünen, fruchtbaren Gegend lebt. Die Idylle wird in den Augen von Maries Eltern und deren Nachbarn durch einen dunklen Tannengrund gestört, der im Gegensatz zu den Obstbäumen, Feldern und grünen Wiesen der übrigen Gegend das menschliche Verlangen nach Nahrung und Schönheit nicht zu stillen vermag. Eines Tages entdeckt Marie, dass sich in diesem Tannengrund der wunderbare Garten der Elfen verbirgt, in dem zugleich Tulpen, Rosen und Lilien blühen und Kirschen, Aprikosen und Erdbeeren reif sind. Marie freundet sich mit dem Elfenmädchen Zerina an, das ihr die innersten Zusammenhänge der Natur offenbart: Die Elfen verwalten die vier Elemente und teilen die Ressourcen der Natur zu, sie sind für das Gedeihen der Pflanzen und die Fruchtbarkeit der Erde verantwortlich. Als Marie zu ihren Eltern zurückkehrt, sind sieben Jahre vergangen. Marie heiratet den Nachbarssohn Andres und bekommt eine Tochter, die sie Elfriede nennt; eines Tages beobachtet sie Elfriede beim Spiel mit ihrer ehemaligen Elfenfreundin Zerina. Als Maries Mann jedoch einmal wieder über den Tannengrund und seine Bewohnerinnen schimpft, zeigt Marie ihm Zerina und verstößt damit gegen das Gebot, niemandem von den Elfen zu erzählen. Die Elfen verlassen das Land und die Gegend verödet; Marie und ihre Tochter sterben.

      Urte Stobbe bemerkt, dass Die Elfen „zur kritischen Reflexion des Mensch-Natur-Verhältnisses an[regen]“, weil sie „ein ‚anderes‘ Wissen über die Zusammenhänge in der Natur transportieren.“ (Stobbe 2017, 153 u. 161). Tatsächlich erzählt das Märchen eine Geschichte über kulturelle Nachhaltigkeit (und die Folgen, die nicht nachhaltiges Handeln haben kann). Pflanzen haben in dieser Erzählung eine Sonderrolle inne. Sie agieren in vielfacher Hinsicht als Verbindungsstifter zwischen der Menschen- und der Elfenwelt (vgl. Kramer 2021b). Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass die Pflanzen zentrale Elemente in der Liebesbeziehung zwischen den Menschen- und Elfenmädchen sind, und zwar nicht nur als Metaphern und Symbole, sondern als aktiv Beteiligte.

      Fasse dich fest mit mir, sagte [Zerina], und Marie schlang die Arme um den zarten Leib. Da fühlte sie sich empor gehoben, denn die Bäume erwuchsen unter ihnen mit der größten Schnelligkeit; die hohen Pinien bewegten sich und die beiden Kinder hielten sich hin und wider schwebend in den roten Abendwolken umarmt und küßten sich […]. (Tieck 1984b, 311)

      Maries und Zerinas Liebe findet ihren Ausdruck und auch eine Form von Erfüllung (die Umarmungen und Küsse) in der gemeinsamen Himmelfahrt auf den magischen Pinien.

      Tieck inszeniert die Elfen in diesem Märchen als Personifikationen der vier Elemente und ihrer Produkte, insbesondere der Pflanzen. Die Liebe Maries und Elfriedes zu ihrer Elfenfreundin Zerina lässt sich als Entwurf einer von Liebe geprägten, libidinösen Beziehung zu einer im Gegenzug freundlichen, nährenden und lebenserhaltenden Natur lesen. Sie zeugt von Tiecks intensiver Auseinandersetzung mit den Schriften Jacob Böhmes (vgl. Goetze 2011; Lüer 1997). Tiecks Elfen verweisen auch auf die Pflanzendarstellungen seines Bewunderers Philipp Otto Runge, die ebenfalls von Jacob Böhme inspiriert sind (vgl. Dönike 2011). Runges Illustrationen von Tiecks Sammlung Minnelieder aus dem Schwäbischen Zeitalter zeigen einander umarmende und küssende Kinder auf Blüten, deren Größenverhältnis die herkömmliche hierarchische Beziehung zwischen Menschen und Pflanzen infrage stellt: Die menschlichen Figuren sind auf Blumengröße geschrumpft (Abb. 1).

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