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befassten sich die beiden weitherum anerkannten Futterbauwissenschafter Friedrich Gottlieb STEBLER und Carl SCHRÖTER, beide ebenfalls in Zürich tätig. Sie definierten 1892 in einem wegweisenden Werk die Wiese als Sammelbegriff über die vielen anderen vorhandenen Bezeichnungen als eine «Pflanzengesellschaft, welche aus… vorwiegend ausdauernden und krautartigen … Landpflanzen inklusive Moose und Flechten sich zusammensetzt und den Boden mit einer mehr oder weniger geschlossenen Narbe überzieht…». Nach dem Kriterium der Nutzung unterteilten sie die Wiesen in die «unberührten Naturwiesen oder Urwiesen», und die bewirtschafteten «Kulturrasen», die sie wiederum differenzierten in Streuewiesen und Futterwiesen, wobei sie unter der letzteren Kategorie gemähte Matten von beweideten Weiden unterschieden. Von späteren Autoren wurde immer wieder auf diese Einteilung Bezug genommen.

      Warum sich unter den zahlreichen Begriffen in den vergangenen 100 Jahren das Wort «Wiese» als Oberbegriff für alle Arten von Wiesland durchgesetzt hat, ist unklar. Sicher ist nur, dass «Wiese» auf Mittelhochdeutsch «wise» beziehungsweise Althochdeutsch «wisa» zurückgeht. Die weitere Herkunft ist unsicher. Nach Etymologie-Duden könnte es entweder mit lat. «viridis» (grün) oder mit engl. «ooze» (Schlamm) beziehungsweise «woosy» (feucht) verwandt sein – und damit auch mit dem deutschen Wort «Wasser» (KAUTER 2002).

      Gut nachvollziehbar ist dagegen die Herkunft des heute ebenfalls gebräuchlichen Begriffs «Matte». Matte hat nichts mit dem Lateinischen «matta» zu tun – auf welches sich der Begriff Matte im Sinne von Teppich usw. bezieht –, sondern geht auf die indogermanische Wurzel «med» zurück, welche auch im lateinischen «metare» (mähen, ernten, abhauen), im englischen Wort «meadow» oder im deutschen «(nieder)metzeln» und «mähen» enthalten ist. Der Begriff reicht also noch zurück in die Zeiten, in welchen Wiesen mangels schneidender, hochqualitativer Langblattsensen noch nicht gemäht, sondern mit Hausensen kleinflächig abgehauen wurden. Auch das Wort «Heu» geht auf «hauen» zurück (vgl. auch Kap. 6.4).

      – Befahrbarkeit und Erosionsschutz: Intensiv genutzte Mähwiesen werden heute miti mmer schlagkräftigeren, grösseren und schwereren Maschinen befahren. Bei einer Neigung des Wieslandes von über 18 Prozent wird die Stabilität des Wasens (Grasnarbe) zu einem ausschlaggebenden Faktor für die Befahrbarkeit und damit für die effiziente und sichere maschinelle Nutzung. Ebenso wichtig ist ein stabiler Wasen für Weiden – vor allem bei nassen oder steilen Verhältnissen. Die Wasenstabilität kommt im Wesentlichen durch die rasenbildenden Grasarten zustande, wobei die stabilisierende Wirkung von Grasart zu Grasart unterschiedlich ist und oft unterschiedliche Ökotypen unterschiedliche Wasenbildungsfähigkeiten aufweisen (z. B. verschiedene Rotschwingel-Typen). Bei einer zu düngerintensiven Nutzung fallen die Rasengräser oft als erste aus, weil ein dichter, hochwüchsiger Pflanzenbestand zu wenig Licht in die unteren Bestandesschichten durchlässt (Kap. 3.3.1). Ausnahmen sind Weiden und Mähweiden mit einer sehr häufigen Nutzung, wodurch der Bestand immer tief bleibt und immer genügend Licht auch in die tieferen Vegetationsschichten einfällt. Wenig intensiv und extensiv genutzte Wiesen weisen meist einen sehr stabilen Wasen auf. Ausnahmen bilden einerseits sehr trockene Standorte, auf denen die Rasengräser keine geschlossene Grasnarbe mehr bilden können, andererseits saure, schattige Standorte, auf denen verschiedene Moosarten die Gräser mehr oder weniger stark verdrängen können.

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      – Resilienz («Stabilität»): Bei Ackerkulturen kann eine Ernte unter extremen Bedingungen ganz oder teilweise ausfallen – auf die Folgekultur hat das kaum Einfluss. Nicht so bei einer Naturwiese: Ein degenerierter Pflanzenbestand – sei es durch Bewirtschaftungsfehler, sei es beispielsweise durch Mäuse- oder Engerlingsschäden oder auch durch eine extreme Trockenheit – kann Jahre brauchen, bis er wieder das alte Niveau von Ertrag und Qualität erreicht. Resilienz, also Robustheit gegenüber Umwelt- und Bewirtschaftungseinflüssen, ist deshalb im Naturfutterbau von grosser Bedeutung.

      – Artenvielfalt / Biodiversität: Obwohl in der heutigen Form menschlichen Ursprungs, beherbergt das Wiesland einen Grossteil der heimischen Biodiversität Mitteleuropas (Kap. 2.4.1). Der Beitrag des Wieslandes zur Erhaltung der Biodiversität ist deshalb eine zentrale Funktion. Sie hat in den letzten Jahrzehnten parallel beziehungsweise komplementär zur extremen Verarmung seiner Biodiversität stark an Bedeutung gewonnen. Dabei zählt weniger die schlichte Zahl an Arten – denn auch eine stark gestörte, übernutzte Wiese kann als Folge eines kurzfristigen Auftretens verschiedener Störungszeiger in beschränktem Masse artenreich sein. Wesentlich sind die Kriterien 1) Anzahl Wiesenarten, 2) Anzahl seltenere oder gefährdete Arten und 3) Vorhandensein spezifischer Ökotypen (Vielfalt auf genetischer Ebene).

      – Ästhetik: Auch dieses Kriterium nahm weitgehend parallel zum Verschwinden der Blumen- und Strukturvielfalt unserer Wiesen und Weiden einen immer höheren Stellenwert ein. Als besonders schön wird Wiesland in der Regel dann empfunden, wenn es blumenreich, farbig und strukturreich, also zum Beispiel mosaikartig genutzt oder mit Strukturelementen wie Rainen, Einzelbäumen oder Hecken durchsetzt ist (SCHÜPBACH et al. 2009). Aber auch die Artenvielfalt wird ästhetisch direkt positiv beurteilt (LINDE-MANN-MATTHIES et al. 2010). Schliesslich ist auch das Nutzungsmosaik des Wieslandes ein landschaftsästhetisch bedeutsamer Faktor. Seit 2014 können in der Schweiz für besonders blumenreiche Wiesen und für die Aufrechterhaltung eines vielfältigen Nutzungsmosaiks neben den Biodiversitätsförderbeiträgen spezifische Landschaftsqualitätsbeiträge ausbezahlt werden (Schweizerischer Bundesrat 2014). Ein Beispiel für die Förderung des Wiesland-Nutzungsmosaikes und weiterer ästhetischer Qualitäten des Wieslandes beinhaltet das Landschaftsqualitätsprojekt im Kanton Appenzell Ausserr hoden (Appenzell a. Rh. 2014). Die futterbauliche Nutzung ist zudem für die Offenhaltung und damit den Charakter vor allem auch der touristisch genutzten Landschaften ausschlaggebend.

      2 Ökologie des Naturwieslandes

      2.1 Wiesen als Abbild von Standort und Bewirtschaftung

      Ökologisch betrachtet sind Naturwiesen und -weiden Lebensgemeinschaften von höheren Pflanzen, Tieren, Pilzen und Mikroorganismen, die weitgehend ohne direktes menschliches Zutun (z. B. Ansaat, Pflanzung) am betreffenden Standort vorkommen und deren Zusammensetzung bei angepasster Nutzung über Jahrzehnte weitgehend stabil ist. Die Koexistenz der Vielzahl an Arten ist ein ökologisches Wesensmerkmal des Wieslandes, gleichzeitig ist sie wesentlich für seine Ertragsfähigkeit verantwortlich (Kap. 2.3.2).

      Neben den Faktoren, welche alle natürlichen Ökosysteme prägen, wie Klima, Boden, Topographie und am Ort vorhandene Organismen, kommt bei den Naturwiesen – im Gegensatz zu den von menschlicher Nutzung unabhängigen Urwiesen (Abb. 3) – die Bewirtschaftung als ein dominanter Faktor dazu, der zudem unzählige Varianten aufweist.

      Einen Überblick über das komplexe Wirkgefüge der Natur- und der Kulturfaktoren mit seinen zahlreichen Einflusskomponenten gibt Abbildung 6. Dabei ist zu bedenken, dass der sichtbare, oberirdische Teil der Wiese nur etwa die Hälfte des Lebensraumes ausmacht. Über viele der Prozesse und Wechselwirkungen, die im Wurzelraum ablaufen, haben wir erst ganz anfängliche Kenntnisse (Kap. 2.6).

      Jede Bewirtschaftungsmassnahme beeinflusst das ganze Gefüge der vielfältigen Wechselwirkungen. Und die Folgen vieler Ereignisse oder Eingriffe manifestieren sich oft erst nach Jahren.

      Der qualitative

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