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von den lokal vorhandenen Arten und vom Lokalklima in hohem Masse. Aus dieser Vielzahl von einwirkenden Faktoren ergibt sich eine – überschaubare – Anzahl verschiedener Wiesentypen mit unzähligen Mischformen. Resultate oder Erfahrungen, die an einem Ort gewonnen worden sind, lassen sich deshalb nur beschränkt auf andere Standorte oder anders genutzte Pflanzenbestände übertragen. Auch dies macht den Naturfutterbau für Forschung und Praxis anspruchsvoll. Empfehlungen und richtiges Handeln sind oft nur auf der Basis langjähriger Erfahrungen oder ausgedehnter Versuche unter verschiedenen Bedingungen möglich.

      Die Futterbauforschung in der Schweiz hat sich mit diesen Besonderheiten intensiver und ganzheitlicher als in vielen anderen Ländern auseinandergesetzt (Exkurs 1). Vor allem unter dem Einfluss angelsächsischer Forschung wurde in vielen Ländern der Naturfutterbau grundsätzlich in Frage gestellt bezeihungsweise nur noch unter dem Aspekt des Kunstfutterbaus weiter vertieft. Kunstfutterbau ist quasi die ackerbauliche Form des Futterbaus und erfordert einen viel höheren Grad an Interventionen und stofflichen Inputs. Beim Kunstfutterbau wird die bestehende Vegetation eliminiert, um Reinsaaten oder Wenig-Arten-Gemische mit Zuchtsorten zu etablieren. Diese sollen für ein oder wenige Jahre einen möglichst hohen Ertrag bringen, um dann wieder einer Neuansaat Platz zu machen.

      In der Schweiz, aber auch in Österreich und in den höher gelegenen Regionen im übrigen Mitteleuropa, ist der Naturfutterbau aus topographischen und klimatischen Gründen bis heute die vorherrschende Futterbaumethode geblieben. Sein Ziel ist eine nachhaltige, produktive Nutzung des bestehenden, natürlichen Pflanzenbestandes.

      In der Schweiz haben praxisorientierte Forscher wie Walter Dietl von der Forschungsanstalt Zürich-Reckenholz dem Futterbau bis weit über die Landesgrenze hinaus wichtige Impulse verliehen. Sie haben eine differenzierte, an der landwirtschaftlichen Praxis orientierte Methodik geschaffen, mit welcher Naturwiesen typisiert und futterbaulich hinsichtlich Ertrag, Ertragsfähigkeit und Nutzungsweise beurteilt und gegebenfalls verbessert werden können. Dieser Ansatz wurde in unzähligen Forschungsprojekten, vor allem aber in praxisorientierten Kartierungen, in Alpplanungen, bei Landumlegungen oder bei Betriebsberatungen angewandt und weiterentwickelt. In Deutschland und Österreich waren und sind insbesondere die Forschungsanstalten Aulendorf und Gumpenstein führend und haben mit vielen zukunftsweisenden Versuchen zum Verständnis des Produktionssystems Naturwiesland beigetragen.

      Allerdings hat sich in der Wissenschaft das Interesse am Naturfutterbau in den letzten zwei Jahrzehnten in der Schweiz und in den umliegenden Ländern verschoben in Richtung einer vermehrt auf Einzelarten und damit auf Methoden des Kunstfutterbaus fokussierten Forschung und Praxis. Auch in der Beratung stehen heute «ackerbauliche» Methoden zur Steuerung der Bestandesentwicklung im Vordergrund. Statt mittels Nutzungs- und Pflegemassnahmen auf der Basis der vorhandenen Arten den Bestand in die gewünschte Richtung zu lenken, werden Bewirtschaftungsfehler immer häufiger mit Übersaaten von Handelssaatgut, mithilfe von Wiesenumbruch und Neuansaaten, durch Herbizide zur Bekämpfung unerwünschter Arten oder zur Erneuerung des ganzen Bestandes zu korrigieren versucht. Diese Entwicklung bedeutet für die Landwirte oft höhere Kosten, weil sie damit das Potenzial der – kostenlosen – Ökosystem-Dienstleistungen der Naturwiesen übergehen und durch mehr oder weniger teure technische Eingriffe ersetzen.

      Ausserdem bringt dieser Wandel auch weitreichende ökologische Nachteile mit sich. So ist meist ein erhöhter Ressourcenverbrauch die Folge (Pflugeinsatz, Saatgutkosten, Pestizideinsatz usw.). Vor allem aber wird die vorhandene genetische Vielfalt auf Artenwie auf Ökotypenniveau durch die Neu- und Übersaaten zurückgedrängt. Naturwiesen, in welchen standörtlich über Jahrzehnte oder Jahrhunderte angepasste Ökotypen wichtiger Futterpflanzen nicht durch Einsaaten mit Zuchtsorten «eingekreuzt» worden sind, werden immer seltener. Die vielfältige Genetik der Futterpflanzen mit den spezifischen Eigenschaften der Ökotypen wie Trockenheitsresistenz oder Anpassung an Höhenlagen geht damit zunehmend verloren. Die entsprechende Genetik steht dann auch der Züchtung nicht mehr als Ausgangsmaterial zur Verfügung (Exkurs 1). Aus diesem Grunde wurden vom Bundesamt für Landwirtschaft in den letzten Jahren im Rahmen des Nationalen Aktionsprogramms Pflanzengenetische Ressourcen (NAP-PGREL) Projekte lanciert zur gezielten Erhaltung von Naturwiesen, die solche «ursprünglichen» Ökotypen noch aufweisen (WEYERMANN 2007; BOSSHARD et al. 2009).

      Angesichts der zentralen Bedeutung für die mitteleuropäische Landwirtschaft und im Besonderen für die Schweiz muss in Zukunft dem Naturfutterbau als eigenem Produktionszweig in Forschung, Ausbildung und Beratung wieder mehr Beachtung geschenkt werden. Dazu soll das vorliegende Buch einen Beitrag leisten.

      Naturfutterbau: Hindernis für die Industrialisierung der Landwirtschaft

      Welchem Druck der Naturfutterbau im Zuge der Industrialisierung der Landwirtschaft vor allem im angelsächsisch geprägten Ausland ausgesetzt war, und welchen verhältnismässig moderaten Weg die Schweiz bisher eingeschlagen hat, zeigt folgendes Zitat eindrücklich. Es stammt aus der Rede des emeritierten, langjährigen Futterbauprofessors der ETH Zürich, Joseph Nösberger, welche er 2009 zum 75-jährigen Jubiläum der schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für den Futterbau AGFF hielt.

      «In Europa begann Ende der fünfziger, anfangs der sechziger Jahre ein sehr starker Trend zur Maximierung der Erträge der Naturwiesen und Kunstwiesen. Jede technische Möglichkeit sollte hierfür ausgenützt werden. Der Handel bot neue Herbizide an, die es ermöglichten die Kräuter und Leguminosen in den Naturwiesen zurückzudrängen oder lieber noch zu eliminieren. Gleichzeitig stieg das Angebot an billigen Stickstoffdüngern. Damit waren zwei wichtige Voraussetzungen für eine kurzfristige Maximierung der Erträge gegeben.

      Das Motto lautete: «Make of the grass a crop». Ich erinnere mich noch gut an eine Exkursion während einer Europäischen Futterbautagung in Chur. William Davies, der damalige Direktor eines englischen Forschungsinstitutes für Futterbau beurteilte die relativ artenreichen Wiesen als völlig verunkrautet und empfahl den Einsatz von Herbiziden und hohen Stickstoffgaben. Viele Forschungs- und Beratungsinstitutionen in Europa für Futterbau liessen sich von diesem technokratischen, kurzfristig ausgerichteten Zeitgeist anstecken. Der damalige Präsident der AGFF, Prof. Rudolf Koblet, hatte grösste Bedenken gegenüber diesem Ansatz. Er sagte damals, die Empfehlungen von Davies seien für unser Gebiet nicht vertretbar, wir kennen die Bedeutung der meisten Kräuter in den Naturwiesen nur ungenügend, sie sind eine Komponente der standortsangepassten Pflanzengemeinschaften und schliesslich haben auch sie ein Existenzrecht. – Eine mutige und klare Analyse, die sich nicht dem Zeitgeist anpasste.

      Koblet und die AGFF haben ein grosses Verdienst daran, dass bei uns die Naturwiesen nicht entkrautet wurden. Koblet muss es mit Genugtuung erfreut haben, dass ein gutes Jahrzehnt später eine Gruppe aus einem Züchtungsinstitut in Wales in den Naturwiesen des Zürcher Oberlandes und der Leventina Ökotypen von Gräsern für ihr Zuchtprogramm sammelten. Mit der angestrebten Maximierung der Erträge hat man die Naturwiesen … geopfert.»

      1.2 Wiesen, Weiden, Wiesland und Co: Zur Klärung wichtiger Begriffe

      1.2.1 Nutzungstypen: Matten, Mähweiden, Weiden

      Die Nutzung von Wiesland erfolgt durch Mahd oder Beweidung – oder beides abwechslungsweise. Die daraus resultierenden drei Grundkategorien des Wieslandes sind die Mähwiesen (auch Matten genannt), die Weiden (auch Dauerweiden genannt) und die Mähweiden, bei denen abwechslungsweise gemäht und beweidet wird. Daneben existieren verschiedene weitere Begriffe mit synonymer Bedeutung (Abb. 2). Verwirrlich kann sich dabei auswirken, dass Mähwiesen häufig auch kurzerhand als Wiesen bezeichnet werden – so spricht man oft von «Wiesen und Weiden». Als Überbegriff eignet sich «Wiese» deshalb eigentlich nicht. Heute werden stattdessen als Sammelbegriffe für die «ausdauernden Pflanzengemeinschaften, die vorwiegend aus Gräsern und anderen krautigen Arten zusammengesetzt sind» (DIETL und LEHMANN 2004) – also alle Wiesen, Weiden und Mähweiden zusammen – die Begriffe «Grünland», «Grasland» und «Wiesland» synonym verwendet. Weder Grünland noch Grasland sind allerdings

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