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seiner Arbeit mit Psychologen im Bereich der psychiatrischen Vorsorge brachte er dieses Material ein. Für ihn waren die fünf Buddha-Familien einer der Lehrinhalte aus der tantrisch-buddhistischen Tradition, mit dem die westliche Kultur und Denkweise sofort etwas anfangen konnte. Bis heute ist dies der Bereich, wo seine Leistungen am deutlichsten bahnbrechend sind.

      Psychologie

      Teil drei des Buches schließlich, „Psychologie“, präsentiert Schriften zur Umsetzung buddhistischer Psychologie und Meditation innerhalb der westlichen Psychologie, Psychotherapie und generell bei der Arbeit mit anderen im Rahmen einer heilenden Beziehung. Ein kurzer Abriss von Chögyam Trungpas Beschäftigung mit westlicher Psychologie soll hier als Grundlage dienen, um seine Thesen zu diesem Thema würdigen zu können.

      Nach seinem ersten Kontakt mit westlichen Ansichten über den Buddhismus, denen er in den sechziger Jahren in Indien und England begegnete, war Trungpa Rinpoche klar, dass im Westen eine gewisse Verwirrung herrschte, weil der Buddhismus für eine Religion gehalten und buddhistische Meditation irrigerweise oft als eine Form der Anbetung oder als ein Mittel, einen veränderten oder höheren Bewusstseinszustand zu erreichen, betrachtet wurde. Viele der Menschen, denen er im Westen als erste begegnete, verstanden Meditation nicht als Methode, die Natur des eigenen Geistes zu untersuchen.

      Von allen Schulen des buddhistischen Denkens war der tibetische Buddhismus, wegen der Komplexität seiner Rituale und Symbolik und wegen seiner Darstellungen tantrischer „Gottheiten“ wahrscheinlich die am meisten missverstandene. Vielen Beobachtern im Westen schien der tibetische Buddhismus ein System der Anbetung oder der Vereinigung mit den Göttern zu sein, ein Versuch, in den Besitz göttlicher oder gar schwarzmagischer Kräfte zu gelangen.4 Ohne ein Verständnis der im tibetischen Buddhismus verwendeten Symbolik war es schwer zu begreifen, dass die abgebildeten Gottheiten eigentlich Darstellungen der vielen Facetten des menschlichen Geistes und seiner Myriaden von Gedanken und Gefühlen waren.

      Als er Anfang der Sechziger in den Westen kam, um in Oxford zu studieren, erkannte Chögyam Trungpa bald, dass in der Sprache der Psychologie die buddhistischen Lehren besser zu vermitteln sein würden, als das in der Sprache westlicher Religion bisher gelungen war. Sehr früh wählte er den westlichen Fachausdruck „Ego“ als Bezeichnung für die Erfahrung quälender Selbstbezogenheit5 und prägte den Ausdruck „Egolosigkeit“ als Bezeichnung für die in der Meditation gewonnene Einsicht in die nichtige oder illusorische Qualität des Selbst und seiner Gewohnheitsmuster. Dies dürfte wahrscheinlich als sein wichtigster Beitrag zum Verständnis des Buddhismus im Westen gelten. Sogar das Oxford English Dictionary führte in seiner zweiten Auflage unter dem Stichwort „Ego“ Trungpas Gebrauch des Wortes „Egolosigkeit“ auf.6 Er benutzte auch das Wort „Neurose“, aber nicht in erster Linie als Diagnose für eine Geisteskrankheit. Neurotischer Geist war vielmehr die Verzerrung, die aus der allgemeinmenschlichen Erfahrung entsteht, aus Gewohnheit am Glauben an ein feststehendes und separates Selbst festzuhalten. Ab den siebziger Jahren wählte er Ausdrücke und Formulierungen wie „Angst“, „Depression“, „Schuldgefühle“, „neurotische Denkmuster“ oder „unbewusste Tendenzen“ und beschrieb damit verwirrte und schmerzvolle Erfahrungen, die uns allen vertraut sind und durch die Praxis der Meditation angegangen werden können. Dieses psychologische Vokabular im Zusammenhang mit buddhistischer Praxis zu gebrauchen kommt uns heute völlig normal vor, war aber in den Siebzigern eine Pioniertat.

      In England machte Chögyam Trungpa in den sechziger Jahren die Bekanntschaft des englischen Psychoanalytikers R. D. Laing, der ihn in einige der radikaleren Ansätze westlicher Psychologie einführte. In Amerika sprachen er und der Zen-Meister Shunryu Suzuki Roshi zu Anfang der Siebziger oft über den Aufbau einer therapeutischen Wohngemeinschaft für die Arbeit mit geistig verwirrten Menschen. Leider starb Suzuki Roshi Ende 1971 an Krebs. Chögyam Trungpa arbeitete jedoch weiter an diesen Plänen, und 1972 gründeten er und eine Gruppe seiner Schüler, die seine Ausführungen zum Thema Psychologie wie auch die Arbeit einiger westlicher Psychologen studiert hatten, im Norden des US-Staates New York eine therapeutische Gemeinschaft, um dort Klienten mit schweren psychischen Problemen zu behandeln. Chögyam Trungpa hatte eine auf konkreten Erfahrungen basierende Methode namens „Maitri Space Awareness“ entwickelt, bei der eine Reihe speziell entworfener Räume und Körperhaltungen zum Einsatz kam, die die Neurose schärfer akzentuierten, so dass sie klar erkannt und direkt bearbeitet werden konnte. Er entwickelte „Maitri Space Awareness“ gemäß seinem psychologischen Verständnis der fünf Buddha-Familien, die in Teil zwei beschrieben werden. Seine frühen Gedanken zum Thema „Space Awareness“ werden in Teil drei dieses Buches vorgestellt, im Kapitel „‚Maitri Space Awareness‘ in einer buddhistisch-therapeutischen Gruppe“.

      Als sich herausstellte, dass sie für die Behandlung schwerer geistiger Krankheit unzureichend ausgebildet waren, begannen die Schüler, die das „Maitri“-Team bildeten, sich mit Hilfe der von Chögyam Trungpa entwickelten Techniken weiterzubilden und ihre eigene Psychologie zu studieren. Diese kombinierte Form der Arbeit mit „Maitri Space Awareness“ hat sich bis heute fortgesetzt.

      1974 gründete Chögyam Trungpa das „Naropa-Institut“ (mittlerweile „Naropa-Universität“) in Boulder, Colorado. Von Beginn an umfasste diese vom Buddhismus inspirierte weiterführende Bildungseinrichtung das Studium kontemplativer Psychologie. Viele von Chögyam Trungpas Ansichten und Einsichten psychologischer Art wurden in das Programm integriert. Noch heute ist „Maitri Space Awareness“ ein Teil der Naropa-Ausbildung in kontemplativer Psychologie.

      Trungpa Rinpoche arbeitete eng mit den Dozenten und Studenten von Naropa zusammen, und eine Reihe der Artikel über Psychologie, die im vorliegenden Band enthalten sind, beruht auf seinen Diskussionen mit Studenten und Dozenten dieses Fachbereichs. (Heute bieten die verschiedenen Naropa-Fachbereiche mehrere verschiedene Psychologie-Studiengänge an. Ursprünglich gab es aber nur einen Fachbereich.) Angelockt von Chögyam Trungpas Reputation strömten in den siebziger und achtziger Jahren Scharen von Therapeuten und Psychologen nach Naropa, um zu studieren und zu unterrichten. Viele blieben dort und halfen beim Aufbau von Naropas Psychologie-Studiengang. Es wäre nicht übertrieben zu sagen, dass Hunderte, wenn nicht Tausende von klinischen Psychologen, Psychotherapeuten oder Psychiatern durch ihre Verbindung zu Naropa von Chögyam Trungpas Einsichten über Psychotherapie und die Natur des Geistes beeinflusst worden sind.

      Chögyam Trungpa pflegte eine enge Beziehung zu Dr. Edward Podvoll, dem Direktor des Naropa-Fachbereichs Psychologie von 1977 bis 1990. Ed arbeitete mit Chögyam Trungpa an der Herausgabe einiger Artikel, die hier in diesem Buch enthalten sind. Eine wichtige Sache, die sich aus Naropa und der fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Dr. Podvoll, seinen Studenten und Chögyam Trungpa ergab, war der Aufbau der „Windhorse Community Services“ zur intensiven Arbeit mit psychisch schwer gestörten Menschen. Ein Windhorse-Team richtet eine Therapie-Wohnung für den Klienten ein und lebt mit ihm oder ihr während der Behandlung zusammen. In dieser Situation wendet das Team viele der Prinzipien buddhistischer Psychologie an, die Chögyam Trungpa formulieren half. Windhorse begann in den Achtzigern in Boulder, Colorado, mit einer oder zwei solcher Therapie-Wohnungen. In der Region um Boulder gibt es mittlerweile vierzig Therapie-Wohngemeinschaften, außerdem weitere in Northampton, Massachusetts, sowie in Wien und Zürich. In Nordamerika und Europa gibt es auch einige Studiengruppen zum Windhorse-Modell.

      Chögyam Trungpa hatte auch viel Kontakt zu Vertretern und Anhängern der transpersonalen Psychologie in Nordkalifornien. Eines der Kapitel dieses Buches, „Ursprüngliche Gesundheit: Ein Gespräch mit Angehörigen verschiedener Heilberufe“, wurde zuerst im Journal of Transpersonal Psychology veröffentlicht. Schon 1971 gab Chögyam Trungpa bei der nationalen Konferenz der „Association for Humanistic Psychology“ in Washington eine Präsentation zum Thema Meditationspraxis. Dieser Vortrag wurde ebenfalls für die Veröffentlichung im Journal of Transpersonal Psychology vorbereitet, wo er 1973 erschien. Im vorliegenden Band erscheint er in Teil eins unter dem Titel „Wie man Meditation angeht: Ein Vortrag für Psychologen“.

      Der dritte Teil dieses Buches, „Psychologie“, enthält eine Reihe von Vorträgen über die Anwendung von Meditation bei einer Therapie und in der westlichen Psychologie generell, die Chögyam Trungpa vor Psychologen, Psychologiestudenten und seinen eigenen Buddhismus-Studenten hielt. Viele davon erschienen

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