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zu erkennen, wie dieser Stil im Umgang mit anderen funktioniert. Auf der Basis der Selbsterkenntnis entsteht das interpersonelle Wissen sogar ganz natürlich. Man entdeckt, dass jemand sich geistig entwickelt hat. Dann kann man erleben, wie die beiden Bewusstseine miteinander interagieren. Das führt zu der Entdeckung, dass es einen „Geist außen“ und einen „Geist innen“ gar nicht gibt. „Geist“ ist also eigentlich die Begegnung zweier Bewusstseine, und das ist in gewissem Sinne ein und derselbe Geist.

      Je mehr man deshalb über seinen eigenen Geist lernt, desto mehr lernt man über den Geist anderer Menschen. Man entwickelt Wertschätzung für andere Welten, die Lebenssituation von anderen. Man lernt, seinen Horizont zu erweitern über den Tellerrand der eigenen unmittelbaren Situation hinaus, spontan, und damit erweitert sich das eigene Bewusstsein enorm.

      Und das schlägt sich in Ihrer Arbeit mit anderen nieder. Es lässt Sie geschickter handeln und gibt Ihnen auch mehr Wärme und Mitgefühl, so dass Sie entgegenkommender sind im Umgang mit anderen.

      Ausgangspunkt Gesundheit

      Buddhistische Psychologie beruht auf der Idee, dass menschliche Wesen grundlegend gut sind. Ihre ursprünglichen Qualitäten sind positive: Offenheit, Intelligenz und Wärme. Diese Auffassung findet natürlich ihren philosophischen und psychologischen Niederschlag in Begriffen wie „Bodhichitta“ („erwachter Geist“) und „Tathagatagarbha“ („Geburtsort der Erleuchteten“). Aber diese Idee ist letztendlich in der Erfahrung verankert – der Erfahrung, dass man selbst und auch die anderen gut und wertvoll sind. Diese Auffassung ist absolut grundlegend und liefert die eigentliche Inspiration für die Praxis und die Psychologie des Buddhismus.

      Da ich einer Tradition entstamme, die das Gute im Menschen betont, war ich ziemlich erschüttert, als ich im Westen dem Glauben an die Erbsünde begegnete. Als ich die Universität in Oxford besuchte, studierte ich mit Interesse philosophische und religiöse Traditionen des Westens und stellte fest, dass die Vorstellung von der Erbsünde ziemlich weit verbreitet war. Eines meiner ersten Erlebnisse in England war ein Seminar mit Erzbischof Anthony Blum. Thema des Seminars war der Begriff Gnade, und wir sprachen auch über die Erbsünde. Die buddhistische Tradition hält solch eine Vorstellung für völlig unnötig, und ich gab dieser Auffassung Ausdruck. Ich war ziemlich überrascht, wie wütend die westlichen Teilnehmer daraufhin wurden. Sogar die Orthodoxen, die die Erbsünde vielleicht nicht so betonen wie die westlichen Traditionen, hielten an ihr als einem Grundstein ihrer Theologie fest.

      Bezogen auf unsere jetzige Diskussion heißt das, dass die Vorstellung von der Erbsünde anscheinend nicht nur religiöse Ideen des Westens durchdringt; es scheint, dass sie eigentlich das gesamte westliche Denken durchzieht, vor allem das psychologische Denken. Ob Patienten, Theoretiker oder Therapeuten, irgendwie lässt allen der Gedanke keine Ruhe, dass irgendwo am Anfang ein Fehler passiert ist, der später Leiden verursacht – eine Art Strafe für diesen Fehler. Man entdeckt, dass ein Gefühl des Schuldig- oder Verletztseins ziemlich weit verbreitet ist. Ob diese Menschen tatsächlich an die Erbsünde – oder überhaupt an Gott – glauben oder nicht, sie haben irgendwie das Gefühl, dass sie in der Vergangenheit etwas falsch gemacht haben und jetzt dafür bestraft werden.

      Es hat den Anschein, dass dieses Gefühl einer grundlegenden Schuld von Generation zu Generation weitergegeben worden ist und viele Aspekte des Lebens im Westen durchdringt. Zum Beispiel denken Lehrer oft, dass ein Kind nicht richtig lernt und sich als Folge davon nicht richtig entwickelt, wenn es sich nicht schuldig fühlt. Deshalb haben viele Lehrer das Gefühl, sie müssten das Kind antreiben, und Schuldgefühle scheinen dabei eine Hauptrolle zu spielen. Das passiert sogar schon, wenn es ums Lesen und Schreiben geht. Der Lehrer sucht nach Fehlern: „Schau, du hast einen Fehler gemacht. Das musst du verbessern!“ Vom Standpunkt des Kindes aus hat Lernen dann damit zu tun, keine Fehler zu machen, zu beweisen, dass man eigentlich nicht schlecht ist. Ganz anders ist es, wenn man positiv auf das Kind zugeht: „Schau, wie viel du schon dazugelernt hast, und dadurch kommen wir noch weiter.“ In diesem Fall wird das Lernen zum Ausdruck von Gesundheit und angeborener Intelligenz.

      Das Problem mit der Vorstellung von einer Erbsünde oder einem Grundfehler liegt darin, dass sie im Endeffekt die Menschen blockiert. Natürlich ist es irgendwann notwendig, die eigenen Unzulänglichkeiten zu erkennen. Aber wenn man damit zu weit geht, tötet man jede Inspiration ab und verliert womöglich jede Perspektive. So betrachtet, hilft sie also überhaupt nicht weiter, und eigentlich ist sie überflüssig. Wie gesagt haben wir im Buddhismus keine vergleichbare Vorstellung von Sünde und Schuld. Natürlich existiert der Gedanke, dass man Fehler vermeiden sollte. Aber es gibt nichts, was mit der bedrückenden Schwere und Unausweichlichkeit der Erbsünde vergleichbar wäre.

      Nach buddhistischer Auffassung existieren Probleme, aber sie sind zeitweiliger und oberflächlicher Schmutz, der das grundlegend Gute („Tathagatagarbha“) in einem überdeckt. Dies ist ein optimistischer und positiver Standpunkt. Trotzdem sollten wir auch hier wieder betonen, dass das keine rein abstrakte Idee ist. Sie wurzelt in der Erfahrung der Meditation und dem Wohlbefinden, das durch sie gefördert wird. Es gibt zeitweilige neurotische Verhaltensmuster, die sich auf der Grundlage früherer Erfahrung entwickeln, aber man kann sie durchschauen. Genau damit befasst sich das Abhidharma: wie eins auf das andere folgt, wie willkürliches Handeln entsteht und sich fortsetzt, wie der Schneeball zur Lawine wird. Und – und das ist am wichtigsten – das Abhidharma befasst sich damit, wie durch regelmäßige Meditation dieser Prozess unterbrochen werden kann.

      Die Haltung, die aus der buddhistischen Sichtweise und Praxis resultiert, ist ganz anders als diese „Fehlerfixierung“. Man erlebt seinen Geist in der Tat als ursprüng makellos, das heißt, gesund und positiv, und „Probleme“ als zeitweilige und oberflächliche Verunreinigungen. Solch ein Standpunkt bedeutet nicht, dass man Probleme „loswird“, sondern eher, dass man sie anders sieht. Probleme werden vor dem viel größeren Hintergrund der Gesundheit betrachtet: Man beginnt, das Festhalten an den eigenen Neurosen aufzugeben und die Identifikation mit und die Obsession von ihnen hinter sich zu lassen. Das Augenmerk liegt nicht mehr auf den Problemen an sich, sondern vielmehr, weil man die Natur des Geistes selbst erkennt, auf der Grundlage des Erlebens. Wenn Probleme so angegangen werden, ist die Panik nicht so groß, und alles scheint irgendwie lösbar. Wenn Probleme auftauchen, werden sie nicht mehr als pure Bedrohung angesehen, sondern werden zu Lernsituationen, zu Möglichkeiten, mehr über sich selbst herauszufinden und die eigene Reise fortzusetzen.

      Durch die Praxis, die durch das Studium bekräftigt wird, wird die elementare Gesundheit im eigenen Geist und im Geist der anderen wieder und wieder erlebt. Man sieht, dass die eigenen Probleme doch nicht so tief verwurzelt sind. Man sieht, dass man tatsächlich Fortschritte macht. Man erlebt sich als jemand, der achtsamer und bewusster wird, zunehmend ein Gefühl größerer Gesundheit und Klarheit entwickelt, und das macht enorm Mut.

      Letztendlich entsteht diese Orientierung am Positiven und Gesunden aus dem Erleben von Egolosigkeit, wobei westliche Psychologen mit diesem Begriff anfangs ein bisschen Schwierigkeiten hatten. Egolosigkeit heißt nicht, wie manche denken, dass in einer Art Nihilismus „nichts existiert“. Egolosigkeit bedeutet vielmehr, dass man seine Verhaltensmuster aufgeben kann und dass man, wenn man aufgibt, wirklich und wahrhaftig aufgibt. Man zimmert oder baut sich nicht sofort wieder einen neuen Panzer zusammen. Wenn man losgelassen hat, fängt man das Ganze nicht einfach wieder von vorn an. Egolosigkeit heißt, dass man sich traut, gar nichts neu aufzubauen, und dass man das seelische Wohlbefinden und die Frische erlebt, die mit diesem Nichts-mehr-Aufbauen einhergehen. Was Egolosigkeit wirklich heißt, lässt sich in vollem Ausmaß nur durch die Praxis der Meditation erfahren.

      Das Erlebnis der Egolosigkeit macht Mut zu wirklicher und echter Sympathie für andere. Ist Ego vorhanden, gibt es keine echte Sympathie, denn das würde bedeuten, dass man seine Sympathie mit irgendwelchen Abwehrmechanismen absichert. Wenn zum Beispiel das eigene Ego auf dem Spiel steht, wird man in der Arbeit mit anderen wahrscheinlich alles durch die Brille des eigenen Standpunkts sehen. Das Ego stört bei der direkten Kommunikation, und die ist für den therapeutischen Prozess natürlich zentral. Auf der anderen Seite macht es Egolosigkeit möglich, dass die ganze Arbeit mit anderen aufrichtig, großmütig und ungezwungen vor sich gehen kann. Deshalb heißt es in der buddhistischen Tradition, dass man ohne Egolosigkeit unmöglich echtes Mitgefühl entwickeln kann.

      Die

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