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er auch als grundlegend Gutes, als Gesundheit oder Wachheit bezeichnet. Sich selbst und anderen zu helfen, auf diesen Boden der Klarheit und Gesundheit zurückzukommen, das ist der Weg und das Ziel der buddhistischen Psychologie, wie sie im hier vorliegenden Band präsentiert wird. Wie der Autor im Kapitel „Eine gesunde Umgebung schaffen“ formuliert:

      „Man sollte danach Ausschau halten, wo die Gesundheit des Patienten herkommt. … Jemand ist vielleicht paranoid und bedrohlich, aber wo kommt diese Genauigkeit her? Er oder sie ist vielleicht extrem neurotisch und destruktiv, aber wo ist der grundlegende Kristallisationspunkt dieser Energie? Wenn man die Menschen von diesem Standpunkt aus betrachtet, vom Standpunkt des grundlegend Guten, dann kann man anderen definitiv in irgendeiner Weise helfen“ (Seite 195/196).

      Chögyam Trungpa widmete sein ganzes Leben der Arbeit mit anderen, um ihnen zu helfen. Die Tradition des buddhistischen Mahayana, die Grundlage seiner Ausbildung, spricht von der Verantwortung, die letztendlich jeder von uns übernehmen muss, alle fühlenden Wesen zu befreien – wobei man bei sich selbst anfängt, um für andere von Nutzen zu sein. Das ist Arbeit für andere in großem Stil!

      Trungpa Rinpoche arbeitete tagaus, tagein mit anderen Menschen. Zehntausende führte er in die Praxis der Sitzmeditation ein und hielt Tausende von Einzel- und Gruppengesprächen ab. Die Leute suchten bei ihm Rat wegen ihrer Meditationspraxis, aber auch zu ihrer Lebensführung: wen sie heiraten, welchen Job sie annehmen, ob sie ein Geschäft gründen oder wieder die Schulbank drücken sollten. Rinpoche war bei ihnen, wenn sie starben, wenn sie Kinder zur Welt brachten, wenn sie meditierten, wenn sie heirateten und wenn sie krank waren. Die Leute kamen zu ihm, wenn sie deprimiert waren, wenn ihre Ehe zerbrach, wenn sie an Selbstmord dachten – in so ziemlich jeder Situation und jedem Gemütszustand. Wenn man auch nicht sagen würde, dass ein buddhistischer Lehrer dasselbe ist wie ein Psychologe, so erwartet man doch – vor allem in der westlichen Welt – von einem buddhistischen Lehrer, dass er sich mit vielen der Probleme befasst, mit denen es klinische Psychologen zu tun haben. Über diese Ähnlichkeit der beiden Tätigkeiten sagte Chögyam Trungpa: „Sie sollten das, was Sie tun, nicht als gewöhnliche medizinische Arbeit betrachten. Als Psychotherapeuten sollten Sie Ihren Patienten mehr Aufmerksamkeit widmen und an ihrem Leben Anteil nehmen. Diese Art der Freundschaft ist eine langfristige Verpflichtung. Sie ist fast wie die Lehrer-Schüler-Beziehung auf dem buddhistischen Weg. Sie sollten stolz darauf sein“ (Seite 187).

      Für Chögyam Trungpa ging es in der Spiritualität, in der Psychotherapie und im Leben überhaupt darum, so vollständig wie möglich Mensch zu werden, statt sich in etwas ganz anderes verwandeln zu wollen. Er schrieb, dass der „Geist nicht verändert oder ausgewechselt werden kann, nur ein Stück weit geklärt. Man muss zurückkommen auf das, was man ist, statt sich zu etwas anderem bekehren zu wollen“ (Seite 225). Es ist diese Weisheit – die Weisheit, wer wir sind –, die er leidenschaftlich vertrat und die hier als Grundlage für die Arbeit mit uns selbst und anderen präsentiert wird.

      Meditation, Geist und Psychologie

      Dieses Buch zerfällt grob in drei Teile: Meditation, Geist und Psychologie. (Ich sage „grob“, weil Chögyam Trungpa oft über die Natur des Geistes spricht, wenn er die Meditation behandelt, und in vielen seiner Beiträge über Geist und Psychologie bezieht er sich wiederum auf die Meditation.) Das Buch beginnt mit dem Prolog „Die Begegnung von buddhistischer und westlicher Psychologie“, in dem die grundlegende Logik dargestellt wird, die das gesamte Material dieses Buches verbindet. Trungpa Rinpoche definiert hier ursprüngliche Gesundheit und erläutert, warum Meditation und die Untersuchung des eigenen Geistes als Grundlage für das Verständnis von anderen und die Arbeit mit ihnen wichtig ist. Teil eins, „Meditation“, stellt dann sowohl die Technik der Meditation vor als auch, was sie für das Verständnis der Natur des Geistes und für die Anwendung der gewonnenen Einsichten in unseren Beziehungen zu anderen bedeutet. Teil zwei, „Geist“, präsentiert Material zur Entwicklung des Ego aus buddhistischer Perspektive und behandelt Aspekte menschlicher Intelligenz, Wahrnehmung und Kognition. In diesem Abschnitt behandelt der Autor auch die Energie von Emotionen und die komplexen Gemütszustände, die wir kreieren. Teil drei, „Psychologie“, beleuchtet speziell die Arbeit mit anderen in einem therapeutischen Rahmen. Der kontemplative Ansatz, den Trungpa Rinpoche empfiehlt, beruht auf der Praxis der Meditation und den Einsichten, die aus dieser Praxis erwachsen. Wie der Autor sagt:

      „Wenn Psychologen aus dem Westen den Buddhismus zu studieren beginnen, taucht fast immer eine wichtige Frage auf: Muss man Buddhist werden, um etwas über den Buddhismus zu lernen? Die Antwort ist natürlich nein, aber es muss zurückgefragt werden: Was wollen wir denn lernen? Das Wichtigste, was der Buddhismus einem Psychologen aus dem Westen zu sagen hat, ist, wie man sich direkter auf das eigene Erleben einlässt, seine Frische, seine Fülle, seine Unmittelbarkeit. Dazu braucht man kein Buddhist zu werden, aber man muss Meditation praktizieren. … Eine ordentliche Portion Meditation ist für die Arbeit mit uns selbst und anderen wirklich notwendig“ (Seite 35/36).

      Meditation

      Wer bin ich? Was bin ich? Warum bin ich? Seit vielen tausenden von Jahren stellt sich der Mensch diese Fragen. Im Lauf der Zeit hat unsere Spezies viele Antworten formuliert, aber auch individuell ringt jeder Mensch mit diesen Problemen. Vorformulierte Antworten befriedigen uns irgendwie nicht, so entscheidend sind diese Fragen für das menschliche Dilemma. In der buddhistischen Tradition ermöglicht uns die Praxis der Meditation, diese Fragen auf eine direkte, empirische Weise zu untersuchen, statt uns irgendwelche Dogmen anzubieten.

      Meditation ist eine uralte Methode, und doch ist sie für die Arbeit mit unserer gegenwärtigen Situation erstaunlich gut geeignet und anwendbar. Sie steht im Einklang mit vielen Entdeckungen, die westliche Psychologen im Lauf der letzten hundert Jahre gemacht haben. Buddhistische Meditation ermutigt uns, mit dem Erleben unseres eigenen Geistes anzufangen und diese durch Meditation gewonnene Erfahrung für eine Untersuchung dessen zu benutzen, was wir sind oder zu sein scheinen. Die buddhistischen Lehren empfehlen uns, unsere gewohnheitsmäßigen Denkmuster und die Art, wie sie unser Erleben bestimmen, genauer zu prüfen. So durch die Praxis der Meditation zu erforschen, wer wir sind, kann uns helfen, überflüssiges mentales Gepäck loszuwerden und unser Leben auf eine echte Weise zu leben. Das heißt nicht, dass wir zwangsläufig von all unseren Problemen befreit werden, aber durch den Blick darauf, wie unbehaglich wir uns oft fühlen, wie wir oft leiden, wie wir oft unzufrieden und ängstlich sind, beginnen wir gleichzeitig zu begreifen, wie wir diese Misslichkeiten überwinden oder auflösen können.

      Selbst innerhalb der buddhistischen Tradition gibt es viele Spielarten der Meditation. Es gibt bedeutende Unterschiede in den Techniken und wie sie angewandt werden, und das hat Einfluss darauf, wie man die Meditation erlebt und welche Schlussfolgerungen man vielleicht hinsichtlich der Natur des Geistes und der Wirklichkeit zieht. Man könnte sagen, dass diese Unterschiede vergleichbar sind mit dem Blick durch verschiedene Objektive. Wir können etwas mit dem bloßen Auge betrachten, wir können Linsen benutzen, die Kurz- oder Weitsichtigkeit korrigieren, wir können durch ein Mikroskop schauen, wir können ein Fernrohr nehmen und das All betrachten. Jedes Mal bietet sich uns ein anderer Anblick. Manche dieser Perspektiven bestätigen die alltägliche Auffassung von der Realität, manche zeigen uns einen Aspekt der Welt, der völlig anders ist als das, was wir vielleicht erwartet haben. Galileo Galilei wurde als Ketzer verteufelt, weil er beschrieb, was er sah, als er sein Fernrohr in den Himmel richtete. Die Meditation kann uns eine Perspektive bieten, die womöglich genauso revolutionär ist.

      Jegliches Werkzeug, auch die Meditation, kann natürlich aber auch dazu benutzt werden, lediglich das zu bestätigen, was wir bereits glauben, wobei wir alles ignorieren, was mit unseren Ansichten über die Wirklichkeit nicht übereinstimmt. Oder aber wir können es dazu benutzen, mit einer offenen Einstellung das Terrain zu erkunden, was uns zu neuen Erkenntnissen führt. Chögyam Trungpas Ansatz war der des Forschers. Die Technik, die er lehrte, ermuntert uns, unsere Überzeugungen erst einmal auf Eis zu legen, ohne allzu viele vorgefasste Meinungen vorzugehen und ohne allzu viele Schlussfolgerungen weiterzumachen. Sei einfach. Sitz einfach. Warte mal ab. Das ist sein Rezept.

      Gleichzeitig aber, als einer, der

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