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einen Patienten mit seiner grundlegenden Gesundheit und Gutheit wieder in Verbindung zu bringen. Potentielle Patienten kommen zu uns, weil sie unzufrieden und vereinsamt sind. Statt ihnen eine Reihe von Techniken zu liefern, mit denen sie ihre Probleme bekämpfen können, ist es wichtiger, ihnen zu zeigen, wie sie erleben können, dass in ihnen eine grundlegende Gesundheit existiert. Man könnte meinen, das wäre etwas viel verlangt, vor allem wenn wir mit jemandem arbeiten, der schon lange Probleme hat. Aber die grundlegende Gesundheit des Geistes ist in Wirklichkeit zum Greifen nah und lässt sich leicht erfahren und stärken.

      Natürlich versteht es sich von selbst, dass der Therapeut zuerst einmal seinen eigenen Geist auf diese Weise erfahren muss. Durch die Meditationspraxis bekommen die Klarheit und Wärme, die er für sich selbst hat, Raum, um sich zu entwickeln, und können sich auf die Außenwelt ausweiten. Folglich liefern seine Meditation und sein Studium die Grundlage dazu, in ein und demselben Bezugsrahmen mit verwirrten Menschen, mit anderen Therapeuten und mit sich selbst zu arbeiten. Selbstverständlich ist das nicht so sehr eine Sache der theoretischen oder begrifflichen Perspektive, sondern davon, wie wir persönlich unser Leben erleben. Wir können unsere Existenz voll und ganz fühlen, so dass wir es zu schätzen wissen, wirklich und wahrhaftig ein menschliches Wesen zu sein. Und das können wir anderen vermitteln, und wir können sie dabei ermutigen.

      Was uns am meisten daran hindert, unseren Patienten auf diese Weise zu helfen, ist wieder die Vorstellung von einem „Fehler“ und die daraus resultierende Fixierung auf die Vergangenheit. Die meisten unserer Patienten werden in irgendeiner Weise die Vergangenheit aufarbeiten wollen. Aber dieser Ansatz kann gefährlich werden, wenn er zu weit geht. Wenn man dieser Spur folgt, muss man auf die eigene Empfängnis zurückblicken, dann auf die Erlebnisse seiner Familie davor, auf die Urgroßeltern und so weiter. Das kann sehr weit zurück führen und sehr kompliziert werden.

      Der buddhistische Standpunkt betont die Unbeständigkeit und Vergänglichkeit der Dinge. Die Vergangenheit ist vorbei, und die Zukunft ist noch nicht geschehen, also arbeiten wir mit dem, was da ist: der momentanen Situation. Das hilft uns außerdem, nicht zu kategorisieren oder zu theoretisieren. Tatsächlich findet die ganze Zeit vor unseren Augen eine frische, lebendige Situation statt. Dieses nicht kategorisierende Vorgehen entsteht, indem man voll und ganz hier ist, statt zu versuchen, ein vergangenes Ereignis aufzuarbeiten. Wir müssen nicht in die Vergangenheit zurückschauen, um zu begreifen, woraus wir oder andere Menschen bestehen. Die Dinge sprechen für sich, hier und jetzt.

      Während meiner Zeit in Oxford und danach war ich beeindruckt von einigen echten Stärken der westlichen Psychologie. Sie ist offen für neue Standpunkte und Entdeckungen. Sie bleibt sich selbst gegenüber kritisch. Und von den intellektuellen Disziplinen des Westens ist sie die mit dem größten Erfahrungsbezug.

      Gleichzeitig aber, vom Standpunkt der psychologischen Tradition des Buddhismus betrachtet, fehlt der westlichen Herangehensweise definitiv etwas. Wie wir in dieser Einführung immer wieder gesagt haben, ist dieses fehlende Element die Anerkenntnis des Primats der unmittelbaren Erfahrung. An diesem Punkt stellt der Buddhismus eine fundamentale Herausforderung für die westliche Therapiepraxis dar und bietet eine Sichtweise und eine Methode, die die westliche Psychologie revolutionieren könnten.

      TEIL I

      Meditation

      1

      Das Pferd zähmen, den Geist reiten

      Von einem nicht egoistischen Standpunkt aus gesehen beruht Lernen darauf, dass man sein Herz öffnet und einen natürlichen Sinn für Disziplin entdeckt. Disziplin heißt in diesem Fall, dass wir uns auf unsere ursprüngliche Makellosigkeit einstimmen. Wir müssen uns nichts aus der Außenwelt entlehnen, wir müssen niemanden nachahmen. Wir sind von Natur aus makellos und intelligent. Vielleicht haben wir schon eine Vorstellung davon oder Erfahrung darin, aber wir müssen uns trotzdem weiter öffnen.

      Wenn wir uns zu öffnen beginnen, ist Lernen nichts Mühevolles mehr. Es ist eher, wie wenn jemand, der Durst hat, kühles Wasser trinkt. Es ist erfrischend und natürlich. Und je mehr wir lernen, desto mehr wissen wir es zu schätzen. Es ist etwas ganz anderes als militärischer Drill oder ein Lernen, das irgendwie auf Kampf beruht.

      Unser Weg ist manchmal steinig und manchmal glatt, aber trotzdem ist das Leben eine ständige Reise. Ob wir schlafen, essen, uns anziehen, lernen, meditieren, die Schulbank drücken … was immer wir auch machen, gilt als unsere Reise, unser Weg. Dieser Weg besteht daraus, dass man sich für die Straße öffnet, sich für die Schritte öffnet, die man als Nächstes unternimmt. Die Energie, die uns erlaubt, solch eine Reise zu machen, ist auch als Disziplin bekannt. Es ist die Disziplin, sich ohne Ego zu erziehen, und sie nennt sich auch „den Geist schulen“.

      Es heißt, sich selbst zu erziehen sei wie das Zähmen eines Wildpferdes, eines Pferdes, das noch nie von jemandem berührt wurde. Zuerst versucht man, ihm einen Sattel aufzulegen. Das Pferd schlägt aus, beißt, macht Bocksprünge; man versucht es immer und immer wieder. Schließlich gelingt es. Und dann schafft man es, das Halfter über den Kopf und das Gebiss ins Maul zu bekommen. Vielleicht kriegt man das Pferd nur schwer dazu, das Maul zu öffnen, aber schließlich ist das Gebiss drin.

      Das ist ein großer Erfolg. Man fühlt sich gut; man hat das Gefühl, etwas erreicht zu haben. Trotzdem, man muss das Pferd erst noch reiten. Und das ist ein weiterer Prozess, ein weiterer Kampf. Es ist gut möglich, dass das Pferd einen abwirft. Wenn man es schafft, die Zügel festzuhalten, kann man das Pferd vielleicht beherrschen, aber es ist immer noch eine unsichere Sache. Vielleicht bekommt man vierzig Prozent unter Kontrolle. Der Rest bleibt ein Risiko.

      Unser Geist ist wie ein wildes Pferd. Er enthält Erinnerungen an die Vergangenheit, Träume von der Zukunft und die Launen des Moments. Diese Situation stellt sich als problematisch heraus, und deshalb praktizieren wir etwas, was Meditation heißt.

      Das Wort Meditation hat, je nach kultureller Tradition, verschiedene Bedeutungen. Laut dem Oxford English Dictionary bedeutet Meditation, dass man über etwas meditiert.8 Zum Beispiel meditiert man, wenn man verliebt ist, über den Liebespartner. Der oder die Geliebte ist so schön, kennt außerordentliche Liebeskünste – bewegt sich so schön, küsst so schön und riecht womöglich phantastisch! Über diese Art von Gefühlen zu meditieren bedeutet einfach, dass man in etwas eintaucht, sich mit etwas beschäftigt.

      Prinzipiell betrachtet, spielt ein „Meditieren über etwas“ bei der buddhistischen Meditation keine Rolle. Man mobilisiert einfach eine gewisse Geistesgegenwart und nimmt eine tadellose Haltung ein. Man hält Kopf und Schultern hoch und sitzt im Schneidersitz. Dann stellt man einen ganz simplen Bezug zu der grundlegenden Gegebenheit von Körper, Rede und Geist her und fokussiert sein Bewusstsein auf etwas, meistens auf den Atem. Man atmet ein und aus, und man erlebt dieses Atmen einfach und ganz natürlich. Der Atem wird weder als heilig noch als böse angesehen, er ist einfach Atem.

      Diese Art der Meditation wird shamatha genannt, wörtlich übersetzt: „friedliches Verweilen“. Friede ist dabei kein euphorischer oder ekstatischer Zustand, sondern einfach eine grundlegende und erdverbundene Situation, die entsteht, wenn wir Hektik und Tohuwabohu ausschließen. Wir versuchen nicht, irgendein Ziel oder irgendeinen speziellen Seinszustand zu erreichen, weder im religiösen noch im weltlichen Sinne.

      Wenn wir auf diese Weise praktizieren, so entdecken wir, dass Gedanken, die unsere Neurose aufrechterhalten, schmelzen oder verdunsten. Normalerweise schenken wir unseren Gedanken keine Beachtung. Wir kultivieren sie unbewusst, indem wir das machen, was immer sie uns befehlen. Aber wenn wir uns still hinsetzen und sie anschauen, ohne Urteil und ohne Ziel – sie einfach anschauen –, dann lösen sie sich von allein auf.

      In der Shamatha-Meditation verlängert sich unsere Aufmerksamkeitsspanne

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