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Talenten und den hundert Denaren. Ich kenne die Freimüthigkeit unseres Vaters; er wird kein Bedenken tragen, ihn durch dieses Gleichniß zu schrecken und zu sagen: Siehe zu, daß nicht auch du an jenem Tage vernehmest: „Du schalkhafter Knecht, alle Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich batest; so mußtest auch du (sie) deinen Mitknechten erlassen.” 81 Dir nützest du mehr als Jenen durch die Nachlassung der wenigen Sünden, indem du dafür Vergessenheit der größern empfängst. — Hinzufügen wird er zu dem Gesagten auch jenes Gebet, welches ihn die, von denen er in die heiligen Geheimnisse eingeweiht worden, beten und sagen gelehrt: „Vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.” 82 Ferner wird er ihm bemerklich machen, daß das Vergehen nicht der ganzen Stadt zur Last falle, sondern etlichen fremden Menschen und Ausländern, die Nichts mit Überlegung thun, sondern wie ihre Tollheit und Zügellosigkeit sie treibt. Nun wäre es ja nicht recht, um der Rohheit Weniger willen eine so große Stadt zu zertrümmern und an Menschen, die Nichts verbrochen, Strafe zu nehmen. Und ob sie auch alle gefehlt hätten, so haben sie schon hinreichende Strafe gelitten, da sie so viele Tage von Furcht verzehrt werden und jeden Tag zu sterben gewärtig sind und vertrieben und flüchtig ein kläglicheres Leben führen als verurtheilte Verbrecher und ihr Blut in den Händen tragen 83 und auf ihr Leben nicht trauen. Sei zufrieden mit dieser Strafe; gehe nicht weiter im Zorn; mache den Richter droben milde gegen dich durch Menschenfreundlichkeit gegen deine Mitknechte! Bedenke die Größe der Stadt, und daß es sich unter uns jetzt nicht um eine und zwei oder drei und um zehn Seelen handelt, sondern um unermeßlich viele Tausende, um die Hauptstadt des ganzen Erdkreises. 84 Dieß ist die Stadt, in der die Christen zuerst ihren Namen erhielten. Ehre Christum, achte die erste Heroldin dieses Namens, der Allem süß und theuer ist! Sie war die Herberge der Apostel, die Behausung der Gerechten. Auch ist dieß jetzt das erste und einzige Wagniß, das in ihr gegen die Machthaber geschah, und die ganze Vergangenheit gibt dem Charakter der Stadt Zeugniß. Denn wenn sie (die Antiochener) oft hinter einander sich empört hätten, müßte man sie der Bosheit beschuldigen. Da Dieß aber in der ganzen Zeit nur einmal geschehen, so ist wohl klar, daß nicht der Charakter der Stadt des Vergehens Quelle, sondern daß es die frevelhafte That derer ist, die ohne Fug und Recht in sie eingedrungen sind zu ihrem (der Stadt) Verderben.

      2.

      Dieß wird der Priester sagen, und mehr als Dieses, mit noch größerem Freimuth. Dieß wird der Kaiser hören, und da er selbst ein Menschenfreund ist, jener aber voll Treue, so haben wir auf beiden Seiten Gutes zu hoffen. Aber mehr noch als auf des Lehrers Treue und auf die Menschlichkeit des Kaisers laßt uns auf die Barmherzigkeit Gottes vertrauen. Denn während der Kaiser angefleht wird und der Priester ihn anflehet, wird Er in der Mitte stehen und des Königs Herz sänftigen und die Zunge des Priesters erwecken, wird des Letztern Worte fördern und jenem das Verständniß zurichten, daß er das Gesagte mit großer Nachsicht aufnehme und den Bitten Gewährung zuwinke. Denn auch Christo liegt unsere Stadt mehr als alle am Herzen wegen der Vorfahren und eurer eigenen Tugend. Wie nämlich Petrus unter den Aposteln zuerst Christum predigte, so hat unter den Städten, wie ich eben gesagt, diese zuerst sich mit dem Namen der Christen gleichwie mit einem wundervollen Kranze umwunden. Wenn aber da, wo nur zehn Gerechte wären, Gott die Einwohner alle zu retten versprach,85 wie dürfte man da, wo nicht zehn und zwanzig, und nicht bloß doppelt soviel, sondern bei weitem mehrere sind, die Gott mit aller Gewissenhaftigkeit dienen, nicht das Beste erwarten und guten Muthes sein über unser aller gemeinsames Leben? Ich habe Viele sprechen hören: „Der Zorn des Königs ist wie das Brüllen eines Löwen;” 86 und sie sind niedergeschlagen und ängstigen sich. Was sollen wir nun zu Diesen sagen? Daß der, welcher gesagt hat: „Wölfe und Lämmer werden zusammen weiden, und der Pardel wird bei dem Bocke lagern, und der Löwe Stroh fressen wie ein Rind,” 87 auch diesen Löwen zu einem sanften Schafe machen kann. So laßt uns also Ihn anstehen und an Ihn Gesandtschaften richten, und er wird den Zorn des Kaisers sicherlich dämpfen und uns von all dem drückenden Kummer befreien. Dort ist der Vater unser Gesandter, hier wollen wir selber bei dem Könige des Himmels Gesandtschaftsdienste verrichten. Wir wollen Jenen mit unserm Gebet unterstützen. Großes vermag die Gemeinschaft der Kirche, wenn wir mit betrübter Seele, wenn wir mit zerknirschtem Herzen die Gebete hinaufsenden. Wir haben kein Meer zu durchschiffen, keine lange Wanderschaft zu unternehmen: Jeglicher, Mann wie Weib, ob sie in die Kirche gehen, ob sie zu Hause bleiben — laßt uns mit brünstigem Eifer Gott anrufen, und unfehlbar wird er unsere Bitten erhören. Woher wissen wir das? Weil er ernstlich will, daß wir immer zu ihm fliehen und in Allem ihn bitten und Nichts ohne ihn thun oder reden. Wohl werden Menschen, die wir unaufhörlich mit unsern Angelegenheiten belästigen, verdrießlich, wenden sich von uns ab und fassen Widerwillen gegen uns. Aber Gott thut gerade das Gegentheil: nicht wenn wir in unsern Anliegen fleißig zu ihm kommen, sondern wenn wir Dieses nicht thun, dann zürnt er am meisten. Höre nur, was er den Juden vorwirft, wenn er spricht: „Ihr habt einen Rath gemacht, und nicht durch mich; und Bündnisse, und nicht durch meinen Geist.” 88 Denn das ist der Liebenden Art; alle Angelegenheiten der Geliebten, wollen sie, sollen durch ihre Hände gehen und diese ohne sie Nichts thun noch reden. Deßwegen spricht auch Gott nicht hier allein, sondern auch anderwärts denselben Vorwurf aus, wenn er sagt: „Sie waren Könige, und nicht durch mich; waren Fürsten, und haben es mich nicht wissen lassen.” 89 Darum laßt es uns nicht verdrießen, unabläßig zu ihm unsere Zuflucht zu nehmen; und welch ein Unheil auch vorhanden sein mag, unfehlbar wird ihm die geziemende Hebung zu Theil. — Setzt ein Mensch dich in Furcht? Eile zum Herrn droben, und es wird dir nichts Böses geschehen. So wandten die Alten unglückliche Zufälle ab, und nicht bloß Männer, sondern auch Weiber. So gab es einst ein hebräisches Weib; Esther war ihr Name. Diese Esther entriß auf solche Weise das ganze Judenvolk der Vernichtung, der es überliefert werden sollte. Denn als der König der Perser alle Juden von Grund aus zu vertilgen befohlen und Niemand war, der gegen diesen Zorn zu stehen vermochte, zog das Weib ihr glänzenderes Kleid aus und warf sich einen Sack um und streute Asche um sich her und rief den barmherzigen Gott an, sie mit zum Könige zu begleiten, und sprach, als sie zu ihm betete, derartige Worte: „O Herr, mache lieblich meine Worte und gib wohllautende Rede in meinen Mund.” 90 Um Dasselbe flehen auch wir jetzt zu Gott für unsern Lehrer. Denn wenn ein Weib, das für Juden bat, den Zorn des Barbaren besänftigen konnte; wie viel mehr wird unser Lehrer, der für eine so bedeutende Stadt und im Vereine mit einer so großen Gemeinde bittet, den so sanftmüthigen und milden Kaiser zu gewinnen vermögen? Denn wenn er die Macht empfangen hat, die Sünden gegen Gott zu lösen, um so mehr wird er die gegen einen Menschen begangenen hinwegnehmen und auslöschen können. Auch er ist ein Fürst und ein ehrwürdigerer Fürst als Jener; denn die heiligen Gesetze haben durch ihr Gebot das kaiserliche Haupt selbes den Händen desselben unterworfen; und so oft ein Gut von oben zu erlangen steht, pflegt der Herrscher zum Priester, nicht der Priester zum Herrscher seine Zuflucht zu nehmen. Denn jener hat einen Panzer, nämlich den der Gerechtigkeit; hat einen Gürtel, nämlich, den der Wahrheit; und auch seine Füße sind viel ehrwürdiger gekleidet in das Evangelium des Friedens. Auch hat er ein Schwert, nicht von Eisen, sondern das Schwert des Geistes; auch hat er eine Krone auf dem Haupte ruhen. Glänzender ist diese seine Rüstung, ehrwürdiger seine Waffe, stärker seine Zuversicht und größer seine Macht: so daß er theils wegen der Bedeutsamkeit seiner Würde, theils um der eigenen Seelengröße willen, und vor allem Andern wegen der Hoffnung auf Gott mit großer Freimüthigkeit und reichem Verstande zum Kaiser reden wird.

      3.

      Darum laßt uns nicht an unserer Rettung verzagen, sondern bitten, anrufen, flehen, gleich Gesandten werden bei dem Könige droben mit vielen Thränen. Laßt uns auch diese Fasten zum Mitstreiter machen, der uns bei dieser Gesandtschaft fördernd begleite. Wie demnach, wenn der Winter vorüber ist und der Sommer erscheint, der Soldat die Waffen abwischt und das Roß zum Streite rüstet; wie der Landmann die Sichel schärft, der Wandersmann voll Muth seine lange Reise beginnt und der Athlete zu den Kampfspielen sich entblößt und entkleidet: so lasset auch uns, da die Fastenzeit gleich einem geistlichen Sommer erschienen, gleich Kriegern die Waffen abwischen, gleich Ackersleuten die Sichel schärfen, gleich Steuermännern den Wogen der regellosen Begierden das Steuer der Gedanken91 entgegensetzen, gleich Wanderern die Reise zum Himmel antreten und gleich Athleten uns zum Kampfe entkleiden! Denn

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