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andere Wurstzipfelchen für sie abfallen würde.

      »Es war so schön gestern«, sagte Anna träumerisch. »Es ist nicht nur Sebastian, weißt du? Auch mit seiner Familie zusammen zu sein, ist unkompliziert. Es sind so warmherzige Menschen.«

      Elli nickte verständnisvoll. Sie wusste, wovon ihre Freundin sprach, ihr erging es mit den Seefelds ähnlich. »Ja, ich habe auch schon bemerkt, dass nicht nur der Arzt sehr beliebt ist, sondern die anderen Familienmitglieder auch.« Sie legte eine kleine Pause ein und zwinkerte Anna verschmitzt zu. »Obwohl der gute Doktor Sebastian Seefeld offensichtlich von vielen Damen des Ortes angehimmelt wird.«

      »Wen wundert's?«, antwortete Anna mit einem leichten Seufzer, und dann zog ein zärtliches Lächeln über ihr hübsches Gesicht. »Aber es war trotzdem romantisch mit Sebastian, auch wenn wir kein Paar sind. Wir haben am Seeufer getanzt.«

      »Und mindestens ein halbes Dutzend weiblicher Augenpaare hat dich von hinten erdolcht!«, grinste Elli. »Schade, dass ich das nicht miterlebt habe.«

      »Du warst ja mit Henning zu einem Spaziergang um den See aufgebrochen und offensichtlich sehr beschäftigt«, antwortete Anna anzüglich.

      Elli errötete leicht. »Wir haben geknutscht wie verknallte Teenager.«

      »Oh!« Ihre Freundin machte große Augen. »Und habt ihr …?«

      »Nein, haben wir nicht!«, stellte Elli klar. »Henning kann nicht einfach hier auftauchen, nett sein und glauben, alles wird wie früher. Ich habe unsere Ehe sehr ernst genommen und geglaubt, das gilt auch für ihn. Nachdem es mit der anderen Frau nicht geklappt hat, kann er nicht einfach dort weitermachen, wo er vor Jahren aufgehört hat.«

      »Hm. Ich denke, du magst ihn?«

      »Ja, ich mag ihn, aber nicht als seine Frau. Jedenfalls – noch nicht.«

      »Was sagt das Sprichwort? Alte Liebe rostet nicht?«

      Elli zuckte mit den Achseln. »Das wird sich zeigen. Auf jeden Fall liegt dieses Mal die Entscheidung bei mir!« Die junge Frau klang zufrieden und selbstbewusst.

      »Das ist gut!« Anna beugte sich vor und gab ihrer Freundin einen Kuss auf die Wange. »Einmal im Regen stehengelassen zu werden, das reicht.« Auch die junge Hebamme kannte aus eigener Erfahrung den Schmerz, verraten und betrogen worden zu sein.

      Mitten in das Gespräch hinein klingelte das Telefon, Sebastian Seefeld war am Apparat. Schlagartig wurde Anna sehr ernst. »Natürlich komme ich mit! Gib mir fünf Minuten, dann bin ich unten vor der Haustür.« Sie sprang aus dem Bett und begann in Windeseile, sich frischzumachen und anzuziehen.

      »Entschuldige, ich muss ganz schnell los. Eine junge Mutter, die frisch entbunden hat, ist sehr krank geworden. Eine erkältete Tante hat sie mit ihrem Infekt angesteckt, und der jungen Frau scheint es ziemlich schlecht zu gehen, Sebastian ist auf dem Weg zu ihr.«

      »Alles klar, ich kümmere mich hier ums Aufräumen. Alles Gute für eure Patientin!«

      »Danke und Servus!« Anna schnappte sich den Rucksack mit ihrer Ausrüstung und lief nach unten, wo Sebastian bereits im Wagen auf sie wartete. Er hatte eine Sondererlaubnis und durfte im Notfall auch durch die autofreie Zone Bergmoosbachs fahren.

      »Herr Zirbel hat angerufen; seine Frau hat starken Husten und hohes Fieber«, informierte der Arzt seine Kollegin während des Fahrens.

      »Das heißt, du wirst wahrscheinlich Antibiotika geben müssen, und das hat Auswirkungen auf das Stillen. Mann, ich möchte dieser verantwortungslosen Tante, die die Erkrankung brühwarm übertragen hat, mal ein paar harte Worte sagen!«, knurrte Anna.

      »Geht mir ebenso!«, antwortete Sebastian ernst.

      Bei Familie Zirbel stellte sich zum Glück heraus, dass der Arzt rechtzeitig gerufen worden war. Es bestanden gute Aussichten, die Lungenentzündung in den Griff zu bekommen, ohne dass die junge Mutter ins Krankenhaus musste. Aber Husten, Fieber und Schüttelfrost quälten sie und mehr noch, dass sie Schwierigkeiten beim Stillen hatte. Sie hatte nicht viel Milch, und ihr kleiner Vitus gedieh nicht so, wie er eigentlich sollte, das sahen sowohl die Hebamme als auch der Arzt.

      »Was bin ich nur für eine Mutter!«, schluchzte die Kranke verzweifelt auf. »Erst schaffe ich es nicht, mein Baby auf dem natürlichen Weg zur Welt zu bringen, und jetzt kann ich es noch nicht einmal richtig stillen.«

      Anna setzte sich zu der jungen Frau aufs Bett und wischte ihr liebevoll die Tränen ab. »Barbara, bitte schau mich an! Dass du einen Kaiserschnitt brauchtest, hat rein gar nichts damit zu tun, dass du etwas nicht geschafft hast! Ein Baby zur Welt zu bringen, ist doch kein Wettkampf, bei dem man gewinnen oder versagen kann. Du bist eine ganz wundervolle Mutter, und dein Vitus ist ein vollkommenes Baby.

      Aber jetzt seid ihr beide krank geworden, weil jemand rücksichtslos eine Erkältung hier eingeschleppt hat. Ihr beide braucht Hilfe, und wir werden zusammen überlegen, was jetzt das Beste für euch ist.«

      Sebastian Seefeld zog sich einen Stuhl ans Bett heran und erklärte freundlich, welche Behandlung jetzt notwendig war. Auch über das Stillen oder Babynahrung aus der Flasche sprachen er und die Hebamme ausführlich mit der verzweifelten Mutter. Als sie später vom Hof fuhren, zweifelte Barbara nicht mehr an sich als Mutter und hatte sich mit dem Vorschlag, auf Flaschennahrung umzustellen, ausgesöhnt. Ihr Mann stand ihr rührend zur Seite, nicht nur in der Krankenpflege, sondern auch bei der Versorgung des Säuglings. Mit etwas schlechtem Gewissen gestand er ein, dass er die Ernährung über das Fläschchen gar nicht so schlimm fand, denn jetzt konnte auch er seinem Baby die lebensnotwendige Nahrung geben.

      Im Auto unterhielten sich der Landarzt und die Hebamme lange über die Einstellung zum Stillen, die sich im Laufe der Jahre sehr geändert hatte. »Ich finde es immer wieder schön zu erleben, wie du mit den Müttern umgehst, Anna. Dein Einfühlungsvermögen ist großartig.«

      »Nun, wenn ich das nicht hätte, wäre ich falsch in meinem Beruf«, antwortete sie.

      »Schon, aber du bist besonders, Anna.« Der Landdoktor wandte den Kopf für einen kurzen Seitenblick und lächelte.

      »Du auch, Sebastian.«

      Er räusperte sich verlegen, um diesem zarten Augenblick nicht zu großen Raum zu geben, und wechselte das Thema. »Wir sehen uns dann morgen zum nächsten Hausbesuch bei Familie Zirbel und anschließend bei unserer Schafkopfrunde?«

      »Wenn kein Baby dazwischen kommt, gern!«

      »Ich freue mich auf dich, Anna.« Sie schauten sich an und lächelten in wortlosem Verständnis.

      *

      »Wie schön, dass heut endlich Donnerstag ist, ich konnte es kaum noch abwarten!«, sagte Elvira Draxler zu Elli. Die zweite Vorsitzende des Landfrauenvereins hatte ein Bilderbuch für den Geburtstag ihrer Enkelin gekauft und hoffte, von der Buchhändlerin noch ein paar Neuigkeiten über den Krimiautor zu erfahren. »Meinen Sie, dass er Autogrammkarten hat, die er live unterschreibt? So wie der Florian König?«

      »Das weiß ich leider nicht«, antwortete Elli überrascht. Darüber hatte sie sich noch nie Gedanken gemacht. »Aber er wird seine Bücher signieren, das kann ich mit Sicherheit sagen.«

      »Sehr schön! Dann bringe ich alle mit, die ich von ihm habe«, antwortete Elvira zufrieden.

      Elli stellte sich den Andrang vor und verkniff sich eine Antwort. Armer Tilsner, dachte sie nur, aber wahrscheinlich bist du das gewöhnt!

      »Elli, Schatz, bereit für den großen Abend?« Henning trat dicht an den Tresen und griff spielerisch nach ihrer Hand. »Wollen wir noch schnell eine Kleinigkeit essen, ehe wir hinüber zum Gemeindehaus gehen?«

      Elisabeth entzog ihm ihre Hand. »Danke, aber dafür habe ich keine Zeit. Gleich kommt Til Tilsner, wir besprechen noch ein paar Kleinigkeiten und gehen dann gemeinsam hinüber.«

      »Wir gehen nicht zusammen?« Henning klang eindeutig enttäuscht – und ein wenig gekränkt.

      Elisabeth warf einen Blick auf die Uhr und griff gleichzeitig

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