Скачать книгу

ihren ehemaligen Ehemann mit im Spiel waren. Er kannte die junge Frau zu wenig, um das sagen zu können.

      »Und du? Gibt es in deiner Vergangenheit auch eine besondere Frau?«, wagte Elli sich vor.

      Til schüttelte den Kopf. »Nein. Ich hatte zwar auch einige schöne Beziehungen, aber sie haben nicht länger als ein paar Monate gehalten. Irgendwie scheine ich es mit dem dauerhaften Liebesglück nicht so gut hinzubekommen.«

      Darauf wusste die junge Frau nichts zu antworten. Sie wusste nur, dass sie sich in der Gegenwart dieses widersprüchlichen Mannes sehr wohl fühlte. Er begann, Seiten von sich zu zeigen, die sie bisher nicht vermutet hatte: Humor, Verletzlichkeit und Einfühlungsvermögen.

      Als der Autor sein Glas abstellte und aufbrach, tat es ihr fast leid. Sie war nicht müde und hätte gern noch weiter mit ihm in die Sterne geschaut und über Irdisches gesprochen.

      »Alles war schön heute Abend, die Veranstaltung und die gemeinsame Zeit danach. Ich danke dir.« Til reichte ihr die Hand, und dann wurde aus dem Händedruck eine kleine, unbeholfene Umarmung. »Gute Nacht, ganz einfach Elli.«

      »Gute Nacht, ganz echter Til Tilsner.«

      Er lachte leise und schlenderte über den Marktplatz davon.

      Elli verriegelte die Haustür, nahm Dante auf den Arm und ging leise vor sich hin singend nach oben in ihre Wohnung.

      *

      Der nächste Morgen brachte leichten Regen und Abkühlung, aber auch der fehlende Sonnenschein konnte Ellis guter Stimmung nichts anhaben. Gut gelaunt öffnete sie ihr Geschäft und begrüßte freundlich ihre erste Kundin, eine Touristin, die nach Urlaubslektüre suchte. Kurze Zeit später erschien Afra und suchte sehr lange zwischen den Briefkarten nach einer passenden, während sie die junge Buchhändlerin aufmerksam im Auge behielt. Als die Touristin den Laden verlassen hatte, wandte Afra sich an Elli und begann ein Gespräch über den gestrigen Abend.

      Wie aufregend es doch gewesen sei, den Schriftsteller persönlich kennenzulernen, wie liebenswert er doch war und wieviel Zeit er sich für den Einzelnen genommen habe, gell?

      »Und gestern wurde es dann doch recht spät bei Ihnen, Frau Faber?«

      »Ja, es war ein netter Abend«, antwortete Elli unverbindlich.

      »Sie hatten wohl noch Besuch, gell?«

      Die junge Frau lächelte. »Das macht dann zwei Euro für Ihre Karte«, sagte sie freundlich.

      Afra reichte ihr die Münze und zog unzufrieden von dannen, von diesem Einkauf hatte sie sich mehr Information erhofft. Diese Zugereiste war wirklich ein Fall für sich!

      Henning kam aus der Ecke mit den Fachbüchern und legte die Neuerscheinung eines seiner Kollegen des Schweizer Instituts auf den Tresen. »Wie ich hörte, hattest du gestern noch Besuch?«, fragte er beiläufig.

      »Ja, hatte ich«, kam die unbefangene Antwort.

      Henning musterte seine geschiedene Frau eindringlich. Elisabeth schien trotz des regnerischen Morgens von innen heraus zu leuchten. Ihre Haut hatte einen strahlenden Glanz, übermütige Ringellocken hatten sich aus ihrem nachlässigen Nackenknoten gelöst und umspielten ihr hübsches Gesicht. Sie trug das Dirndl, das er ihr geschenkt hatte, jetzt mit einer schlichteren Bluse und ohne die edle Schürze. Es passte zu ihr und in ihren Alltag, in dem er seinen Platz verloren hatte, und Henning spürte plötzlich einen überraschenden Stich wilder Eifersucht.

      »Darf ich fragen, wer dieser Besuch gewesen ist?«, fragte er steif.

      »Das geht dich zwar gar nichts an, aber ich sage es dir trotzdem«, antwortete sie freundlich. »Til hat mich besucht.«

      »Dieser Schriftsteller, den du als arrogant, eingebildet und unangenehm beschrieben hast?«

      Elli nickte. »Genau der. Möchtest du das Buch für dich selber haben oder soll ich es als Geschenk einpacken?«

      »Nun lass doch mal das Buch!« Nervös schob Henning das Werk zur Seite. »Wieso hast du deine Meinung über diesen Tilsner geändert?«

      »Wie bitte?« Überrascht schaute Elli ihren Ex-Mann an. »Wie kommst du dazu, mir solche persönlichen Fragen zu stellen?«

      Dante spürte die plötzliche Anspannung und hörte einen Tonfall in der Stimme seiner Ersatzmama, den er noch nicht kannte: Ärger! Er trippelte über den Tresen, baute sich vor Henning auf und entblößte mit dem rührenden Versuch eines Fauchens seine Milchzähnchen.

      Ellis vertraute Hand strich über sein gesträubtes Fell und signalisierte, dass alles gut war.

      Henning beachtete das Tierchen überhaupt nicht. »Elli, ich kann ja verstehen, wenn dieser Mann dein Interesse erregt. Er ist ein berühmter Schriftsteller, du bist Buchhändlerin, ihr seid auf einer Wellenlänge. Aber lass dich von seinem Namen nicht blenden! Er ist schließlich nur ein Krimiautor.«

      »Wovon redest du nur?«, fragte die junge Frau verblüfft.

      »Von uns, Elli! Wir haben uns doch wieder angenähert, oder etwa nicht? Ich bereue meinen Fehler von damals, und ich habe mich geändert. Wir stehen vor einem Neuanfang, mein Schatz. Mach den jetzt bitte nicht kaputt, indem du dich von diesem Mann blenden lässt! Meine Welt sind die Naturwissenschaften, seine ist die der Literatur. Ich kann verstehen, dass dir das sehr verlockend erscheint. Aber ich bin der Mann an deiner Seite, Elli, wenn ich in deinen Augen auch unpassend sein mag. Denk an das Sprichwort ›Lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach‹!«

      Elisabeth hatte der leidenschaftlichen Rede ihres Mannes staunend zugehört, jetzt unterbrach sie ihn energisch. »Du spinnst ja!«, sagte sie kopfschüttelnd. »Was dichtest du denn alles in diesen einen Abend mit Til Tilsner hinein?«

      »Es bleibt ja nicht bei einem Abend, Elli! Er hat dich sogar gebeten, ihn zu Familie Holzer zu begleiten.«

      »Na und? Ich fasse nicht, dass wir dieses Gespräch führen!«

      Henning griff nach ihrer Hand, aber die junge Frau entzog sich seinem festen Griff. »Ich will dich nicht bedrängen, meine Elli, aber ich wünsche mir einen Neuanfang für uns beide! Mein Urlaub ist bald vorbei, und ich muss in die Schweiz zurück. Wir verstehen uns doch wieder gut; es war schön, wenn wir uns getroffen haben. Ich will dir keine Vorschriften machen, ich bitte dich nur um eine Chance für uns beide. Wirf nicht alles weg, was wir zusammen hatten!«

      »Du verdrehst die Tatsachen und versuchst so, mich einzuwickeln!« Elisabeth war jetzt ernstlich böse. »Du hast unsere Ehe weggeworfen, nicht ich, erinnere dich daran! Und mein jetziges Leben geht dich nichts an!«

      Henning schluckte. »Entschuldige bitte! Ich glaube, ich bin zu weit gegangen. Ich wünsche mir doch nur, dass du über einen Neuanfang nachdenkst.«

      »Das werde ich«, antwortete Elli mühsam beherrscht. »Aber jetzt möchte ich, dass du gehst.«

      »Natürlich.« Henning schob das Buch, das er in Wahrheit gar nicht hatte kaufen wollen, zur Seite. »Wir sehen uns noch, bevor ich abreise?«

      »Sicher!«

      »Und du bist mir wegen eben nicht mehr böse? Dass ich so übers Ziel hinaus geschossen bin?« Henning schaute sie mit einem fast unwiderstehlichen Blick an.

      Ellis Zorn verrauchte. »Nur noch ein bisschen«, antwortete sie, »und nun geh bitte, ich habe zu tun.«

      Sie stellte das teure Fachbuch wieder ins Regal zurück und versuchte, Hennings Worte zu vergessen. Es gelang ihr nicht.

      Wollte sie einen Neuanfang? Und falls ja, könnte er wirklich gelingen? Nachdenklich glitten ihre Finger über die Buchrücken, die sie umgaben. In unendlich großer Vielfalt wurde von der Liebe geschrieben, aber in keinem dieser Bücher würde sie die Antwort auf ihre Fragen finden.

      Die richtige Antwort stand in ihrem Herz geschrieben.

      *

      Miriam Holzer hatte sich für das ›kleine, intime‹ Abendessen hohe Ziele gesteckt. Schließlich galt es, einen

Скачать книгу