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führte. 1804 gab es eine Milliarde, 1927 dann zwei Milliarden Menschen auf der Erde. Im Vergleich zu den Anfängen sehen wir eine exponentiell ansteigende Kurve. Im Jahr 2019 lag die Weltbevölkerung bei 7,75 Milliarden. Vieles spricht für einen weiteren steilen Anstieg, sinkende Geburtsraten in reichen Ländern werden durch steigende Raten an anderen Orten und Migration kinderreicher Familien mehr als kompensiert.

      Die Bevölkerungsdichte ist immer in Relation zur Nahrung und zu weiteren Ressourcen, insbesondere in Hinblick auf soziale, menschenwürdige Verhältnisse zu sehen, um die wachsende Masse an Menschen hinreichend zu versorgen. Heute steht sie in einem engen Zusammenhang mit einem wachsenden negativen Fußabdruck, aber auch mit einer verstetigten sozialen Ungerechtigkeit. Nach Bello (2013, 179 ff.) erzeugt die Überbevölkerung enorme Probleme für eine nachhaltige Lebensweise, aber gerade die Menschen der reichen Länder scheuen sich, dies anzusprechen, weil es leicht als politisch nicht korrekt interpretiert werden könnte, wenn eine nationale oder gar weltweite Geburtenkontrolle eingeführt werden würde.

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       Schaubild 7: Weltbevölkerung 1800 bis 2100 (Bild: Infografik: BR)

      Das wirtschaftliche Wachstum scheint zumindest in den reicheren Ländern das Bevölkerungswachstum besser als gedacht zu vertragen, seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts zeigt sich sogar eine Gegenbewegung, je mehr Wohlstand, desto weniger Kinder. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Menschheit weniger Sorgen darüber gemacht, inwieweit die Masse der Menschen hinreichend ernährt werden kann, wenngleich bewusst wurde, dass ein Siebtel der Menschheit am Existenzminimum leben muss oder sogar die Gefahr besteht, dass diese Menschen nicht überleben.

      Die Bevölkerungsdichte erweist sich als ständige Herausforderung besonders in Bezug auf Hunger, Wasserversorgung und Armut vieler Menschen. Die Bevölkerungsdichte beeinflusst den Planeten insgesamt, sie führt zu einer stärkeren Ausbeutung der Ressourcen der Welt, zu mehr Konsum und zu Industrien, die die Umwelt immer stärker verschmutzen, zu immer mehr Müll am Ende einer Kette von Produktion und Konsum. Neu in die Welt geborene Menschen erwarten, dass sie mindestens die gleichen Lebensstile und Lebensstandards wie ihre Eltern beibehalten können.

      Das Anwachsen der Müllhalden, die mit Feinstaub angereicherte Welt, der Verkehrskollaps durch immer mehr Flüge, Schiffe, PKw und LKw und verdichtete Verkehrsflächen, die mit Plastik überschwemmten Meere sind Symptome einer ökologischen Krise, die mit einer zunehmenden Bevölkerung bei gleichzeitig steigenden Konsumwünschen anwächst. Warentransporte ebenso wie Reisen und Tourismus gehören zum Lebensstandard der Gegenwart, aber ökologisch sind sie in massenhafter Form als Ausdruck der Konsumsteigerung und des Freiheitsgefühls und der Sehnsucht nach Weite eben durchgehend schädlich.

      Hunger und Armut haben die Menschheit schon lange begleitet. Mit den Wohlstandsgesellschaften schienen sie jedoch überwindbar, weil sie in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen hatten. Seit 2015 steigt die Zahl hungernder Menschen jedoch wieder an. Im gemeinsamen Bericht »The State of Food Security« weisen UN-Organisationen darauf hin (Food and Agriculture 2019), dass immer noch 821 Millionen Menschen unter Hunger leiden und täglich ums Überleben kämpfen müssen. Extrem ist der Hunger in Afrika, insbesondere in Ostafrika, wo mehr als 30 Prozent der Bevölkerung betroffen sind. Aber auch in anderen Regionen der Welt, wie in der Karibik, Lateinamerika und in Asien gibt es Unterernährung und eine große Nahrungsmittelunsicherheit, von der mehr als zwei Milliarden Menschen betroffen sind. Das UN-Ziel, den Hunger bis 2030 zu beseitigen, rückt angesichts der gegenwärtigen Zahlen in weite Ferne: Wenn die Klimaveränderungen zunehmen werden, sind große Hungerkatastrophen nicht zu vermeiden, weil sich weltweit Dürre und Austrocknung mit Überschwemmungen und Missernten regional abwechseln. Dies wird insgesamt zu Verlusten führen, die nur dann kompensiert werden könnten, wenn die reichen Länder freiwillig sehr viel mehr von ihrem Reichtum abgeben würden.

      Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Zunahme der Bevölkerung in vielen Ländern den Verbrauch natürlicher Ressourcen und die Verschmutzung deutlich erhöhen (vgl. Bhargava 2019, 149 ff.), was sich nochmals steigern würde, wenn die Lebensstandards weltweit verbessert würden. Sollten Armut und Hunger aber gegen den bisherigen Verlauf abnehmen, wie die UN es in den globalen Zielen fordert, entsteht damit auch das Problem eines wachsenden Ressourcenverbrauchs und der Zunahme von Fleischverzehr, Wasserverbrauch und der Freisetzung weiterer Treibhausgase, um nur einige elementare Faktoren zu nennen. So führt das menschenwürdige Ziel, den Hunger und das Elend zu verringern, in gleichem Maße zu einer Verschärfung der ökologischen Krise, solange nicht schadstoffarme Produktionsformen kostengünstig angeboten werden können. Eine gegenwärtig kaum auflösbar erscheinende Paradoxie in den globalen Zielen der UN.

      Es gibt auch gegenläufige Tendenzen. Da, wo die einen hungern, sind die anderen übersatt und haben das gegenteilige Problem des Übergewichts und der Fettleibigkeit – auch dieser Trend steigt. Er zeigt nicht nur eine Ungleichverteilung des Wohlstands und Überflusses, sondern auch, dass Wohlstand allein die Menschen nicht nachhaltig handeln lässt. 2018 starben etwa vier Millionen Menschen an Übergewicht. Besonders dieser Personenkreis ist, weil er deutlich mehr und vor allem Fleisch konsumiert, gleichzeitig für besonders negative Werte in der Ökobilanz verantwortlich.

      Die Bevölkerungszunahme ist mit allen Bereichen verbunden, weshalb einfache Ziele zu bestimmten Bereichen wie insbesondere Hunger, Armut, Wasser leider meist zu einfach gedacht sind, weil sie die innere Verbundenheit und Dynamik von Faktoren nicht hinreichend erfassen. Die Menschheit ist darauf spezialisiert, in abgegrenzten Segmenten zu forschen und zu beobachten, die komplexen und dynamisch wirkenden Zusammenhänge überfordern die Beobachtungs- und Erkenntnismodelle. Die globale Herausforderung der Bevölkerungsdichte stellt deshalb ein Spannungsverhältnis zu all den folgenden Faktoren dar, weil jeder Zuwachs an Menschen zugleich einen neuen Fußabdruck erzeugt, dessen Auswirkungen erst auf lange Sicht genauer abgeschätzt werden können.

       Klimawandel

      Erst 1972 hat der Club of Rome, ein Zusammenschluss von Expertinnen und Experten aus damals mehr als 30 Ländern, die Studie Grenzen des Wachstums veröffentlicht. Die Schlussfolgerung der Studie lautete: »Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.« (Meadows u. a. 1972, 23) Das Buch wurde von rechts wie links in der Kritik zerrissen, weil es die Dimensionen des positiven Wachstums für eine Verbesserung der sozialen Verhältnisse nicht hinreichend aufgenommen hätte und von einem vermeintlich dubiosen elitären Kreis erstellt worden wäre. Auch die Entwicklungsländer beklagten, dass der »ökologische Knappheitsdiskurs« verhindere, dass sie am Reichtum der Welt in Zukunft hinreichend partizipieren können. Damit sind die wichtigsten Abwehrhaltungen bis heute bereits früh benannt worden. Ganz gleich welche wissenschaftlichen Standards erfüllt werden, um den Klimawandel genauer zu beschreiben, die Gegner halten an ihren Wunschbildern einer Welt im Wachstum und ihrem Traum, auf nichts verzichten zu wollen, fest. Inwieweit die Sorge um sich, die Ökonomie, die Politik, Wissenschaften und Erziehung zu solchen Wunschbildern beitragen, das werde ich in späteren Kapiteln dieses Buches genauer analysieren.

      Immerhin setzte sich der Begriff der »Grenzen des Wachstums« durch, auch wenn die größeren Ressourcenverschwendungen und Umweltsünden seither zu- und nicht abgenommen haben. Zumindest ist durch die starke Medienverbreitung und die Übersetzung in viele Sprachen aber bewusst geworden, dass es ein Problem fehlender Nachhaltigkeit gibt. Problem bemerkt, aber wie dringend ist es denn wirklich?

      In dem berühmt gewordenen Beispiel des Lilienteiches wird in dem Bericht des Club of Rome auch schon die Problematik von Kipp-Punkten benannt, die heute immer wieder für die Klimaveränderungen angeführt wird. »Angenommen, du besitzt einen Teich, auf dem eine Seerose wächst. Die Lilienpflanze verdoppelt ihre Größe täglich. Wenn die Lilie ungehindert wachsen könnte, würde sie den Teich in 30 Tagen vollständig bedecken und die anderen Formen des Lebens im Wasser ersticken. Lange Zeit wirkt die Lilienpflanze klein, und bis sie die Hälfte des Teiches bedeckt,

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