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Teich bedecken? Am neunundzwanzigsten Tag, natürlich. Du hast einen Tag Zeit, um deinen Teich zu retten.« (Ebd., 29)

      Worum geht es? Was Menschen immer leicht fällt, ist, die positiven Effekte des Wachstums nachzuvollziehen. Dies gilt dann, wenn der Konsum steigt, sich der Lebensstandard verbessert, das Auto größer und besser wird, die Reisen in immer fernere Länder möglich sind, die eigene Immobilie ihren Wert immer weiter steigert. Bei den negativen fällt uns dies nicht so leicht. Hier neigen Menschen dazu, immer noch Bedingungen und Veränderungen anzuführen, die einen negativen Trend stoppen oder in letzter Minute umkehren können, und es kann so leicht geschehen, dass genau der Tag verpasst wird, der noch für eine Umkehr nötig gewesen wäre. Offensichtlich ist dies für die Klimakrise, die wir mit Zielen von 1,5 oder 2 Grad zulässiger Temperaturerhöhung gegenüber der vorindustriellen Zeit im Augenblick lösen wollen, obwohl die Lösung derzeit so aussieht, dass nur die Verfehlung des Zieles gewiss zu sein scheint. 2019 hat Deutschland bereits die 1,5 Grad erreicht, der Weltdurchschnitt liegt bei 1 Grad (vgl. Monitoringbericht 2019). Ein Projektionsbericht zeigt, an wie vielen Stellen Ziele bereits verfehlt werden (vgl. Projektionsbericht 2019). Aber was bedeuten diese Zahlen? 2 oder 3 oder 4 Grad scheinen nach herkömmlichen Temperaturerfahrungen, subjektiv betrachtet, keinen großen Unterschied zu machen. Aber es geht um kein konkret im Einzelfall messbares Ereignis, sondern um Durchschnittstemperaturen einer langen und stetigen Kette von Messungen, die auf lange Sicht einen gewaltigen Unterschied machen. Das schmelzende Eis ist dafür ein sehr klarer Beleg. Und es ist ein Kipp-Punkt, denn was einmal geschmolzen ist, kommt bei steigenden Durchschnittstemperaturen nicht zurück. Und vertrocknete Böden, die nach und nach zu Wüsten werden, lassen sich nicht einfach in sattes Grün zurückverwandeln. Es dauert Jahre, im Bild des Lilienteiches die Tage 1 bis 29, bevor dramatische Klimaereignisse einsetzen, die ein jeder Mensch deutlich für sich zu spüren bekommen wird. Für viele ist deshalb der 30. Tag offenbar noch in weiter Ferne.

      Auch wenn einzelne Ergebnisse der Studie von 1972 heute präziser beschrieben werden können, auch wenn viele neue Bereiche hinzugekommen sind, so hat sich die Tendenz der Aussage bestätigt und verschärft. Wenn wir weitermachen wie bisher, wenn aufstrebende Länder in den gleichen Konsum wie die reicheren eintreten, dann ist der 30. Tag sehr lange vor 2100 erreicht, was vor einigen Jahren noch die Annahme war. Zwar behaupten insbesondere Industrie und Politik, indem sie an den alten ungebremsten Wachstumsvorstellungen festhalten, dass vor allem die wissenschaftlich-technologische Entwicklung und die Abnahme des Bevölkerungswachstums – zwar noch nicht in absoluten Zahlen, aber immerhin in einer geringeren Wachstumsrate – den letzten Tag umfassender Handlungsfähigkeit noch nach hinten verschieben lassen, aber im Grunde wissen alle, die sich wissenschaftlich informieren, dass die Menschheit schon heute nachhaltiger mit der Erde und sich selbst umgehen muss. Allerdings trösten sich sehr viele damit, dass ja gar nicht ganz exakt zu bestimmen scheint, was denn umfassende Handlungsfähigkeit am letzten Tag überhaupt bedeutet. Nach der Krise scheint vor der Krise zu sein. Und wenn es auch Kipp-Punkte geben mag, es wird schon nicht alles untergehen. Aber reicht unser Wissen dafür aus, um dies zu behaupten?

      Der menschengemachte Klimawandel wird von etlichen Menschen sogar grundsätzlich bestritten. Das Hauptargument lautet dann meistens, dass es Klimaschwankungen schon immer gegeben habe. Das stimmt. Aber die daraus gefolgerte Ableitung, dass es um rein natürliche Schwankungen gehe, ist schlichtweg falsch. Raphael Neukom und andere (2019) schreiben in Nature, dass es wissenschaftlich gesehen einen wesentlichen Unterschied zwischen früheren Kalt- und Warmzeiten und der gegenwärtigen Erwärmung gibt. Früher waren die Veränderungen eher regional, und sie traten zu unterschiedlichen Zeiten auf. Heute sind sie global, und sie treten zeitgleich auf. In ihrer Studie, die das Land und das Meer abdeckt, wurden die Klimadaten der internationalen Forschungsgruppe Past Global Changes ausgewertet. Quellen dieser Studien sind neben vorhandenen Messdaten auch Jahresringe von Bäumen, Eisbohrkerne und See-Sedimente, Veränderungen an Korallen und anderes mehr. Alle Studien sind sich einig. Als entscheidend für die Erderwärmung wurde vor allem das Treibhausgas CO2 ausgemacht. Es kann aus der Atmosphäre von der Vegetation aufgenommen werden, es gibt mehrere Kreisläufe, wie es entstehen und verarbeitet werden kann, ohne exponentiell zuzunehmen. Aber die gegenwärtige Erwärmung zeigt, dass der regenerative Kreislauf vom Menschen durch die Zunahme von Treibhausgasen unterbrochen wurde. Der Treibhauseffekt hat längst eingesetzt und wirkt sich von Tag zu Tag stärker aus. Seit Beginn der industriellen Revolution haben wir es mit einer durchgehenden und immer kräftiger werdenden Erwärmung zu tun, die immer schneller und kontinuierlich steigend abläuft.

      Das wichtigste Treibhausgas ist Kohlendioxid (CO2). Das menschengemachte CO2 entsteht hauptsächlich durch das Verbrennen fossiler Energien. Der Fleischverzehr trägt aufgrund seiner massenhaften Produktionsweise ebenfalls erheblich zu den Treibhausgasen bei (vgl. Dhiman 2018 b). Der ökologische Fußabdruck rechnet gegen diese Produktion, wie viel Wald notwendig wäre, um CO2 auszugleichen, und stellt dies in Flächen dar. Der vorhandene und mehr noch ein anzubauender Wald könnte dann als Biomasse, als lebende Pflanze oder als Humus, das CO2 binden, um den Treibhauseffekt zu verhindern. Dabei wird auch diese Berechnung eher geschönt als kritisch komplex durchgeführt. Denn auch die Meere werden als Speicher für CO2 angesetzt, obwohl die Versauerung der Meere durch CO2 eine eigene planetare Grenze darstellt. Die Kohlendioxid-Konzentration lag im Jahr 2017 um 41 Prozent über dem vorindustriellen Niveau. Die Versauerung der Meere zeigt sich im PH-Wert der Meeresoberfläche, der durch die Bindung von CO2 sinkt. Er ist so schlecht geworden, dass viele Meereslebewesen dadurch bedroht sind, insbesondere weil Kalk sich bei niedrigeren PH-Werten nicht mehr gut anlagern kann.

      Seit der Mensch durch die Industrialisierung die Erde kolossal verändert hat, haben die Treibhausgase durch sein Wirken stetig steigende Höchstwerte erreicht. Die Konzentration ist nach Angaben der UN so hoch wie seit drei bis fünf Millionen Jahren nicht. Messungen ergeben ständig neue Rekordwerte nicht nur für CO2, sondern auch für Methan und andere schädliche Gase. Jedes Jahr werden trotz der seit Jahrzehnten stattfindenden Klimakonferenzen mit gegenteiligen Bekenntnissen neue Steigerungsraten erreicht. Zwar gibt es durchaus Erfolge durch vermeintlich »saubere« Atomenergie, die andere Schädigungen hervorruft, und vor allem durch erneuerbare Energien wie Sonnen-, Wind- und Wasserenergie, aber diese positiven Zugewinne werden durch den wachsenden Bedarf an fossiler Energie weltweit konterkariert. Es laufen zwei Wachstumsraten nebeneinander: die grüne und nachhaltige Energiegewinnung auf der einen Seite und der schmutzige und wachsende Energiebedarf auf der anderen.

      Die Klimaziele, die in noch »erlaubten« Graden und Zielen angegeben werden, gehen zwar auf wissenschaftliche Analysen zurück, aber sie sind politisch willkürlich gesetzt. Niemand kann sagen, ob 1 Grad, 1,5 oder 2 Grad hinreichende Grenzen darstellen, um den Klimawandel tatsächlich »verträglich« (für wen, für welche Orte, in welcher Reichweite) in langer Zeitperspektive umzusetzen. Um die komplizierte wissenschaftliche Durchdringung zu vereinfachen, hat sich aktuell das 2-Grad-Ziel mehr oder minder politisch durchgesetzt. Dabei geht man von der Wahrscheinlichkeit aus, dass die dann eintretenden Klimaveränderungen zwar bereits schwerwiegend sein werden, aber die Menschheit nicht als Ganzes gefährden.

      Wie stark der ständig steigende Ausstoß von CO2 (gemessen in Gigatonnen) gebremst werden müsste, um die gesetzten Klimaziele zu erreichen, veranschaulichen viele Modellberechnungen. Sollte der gegenwärtige Anstieg weiter anhalten, dann müssen katastrophale Szenarien mit 3 Grad und höher ins Auge gefasst werden. Bereits 2 Grad sind ein sehr optimistisches Ziel, und auch bei diesem weltweit anerkannten Ziel auf den Klimakonferenzen ist schon klar, dass es erhebliche Folgen zunächst für einzelne Regionen und auf Dauer für alle geben wird. Bereits heute, bei einer Erhöhung über 1 Grad im Durchschnitt, zeigen sich Klimaveränderungen wie die Eisschmelze, der langsam steigende Meeresspiegel, die Versauerung der Meere und eine Zunahme an Wetterextremen. Jedes Grad mehr wird die Ökosysteme mit ungeahnten Folgen belasten.

      Die wissenschaftlichen Modelle arbeiten mit Wahrscheinlichkeiten, sie können nicht absolut voraussagen, welche einzelnen Ereignisse wann genau auftreten werden. Und die durch den Klimawandel erzeugten Gefahren können, bis sie alle Menschen in allen Regionen spüren werden, zunächst sehr unterschiedlich ausfallen. Manche Länder sind mehr als andere vom steigenden Meeresspiegel, von Überflutungen oder langanhaltender Dürre und

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