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dessen Zupflippe verdächtig.

      *

      Eine Stunde später.

      Wieder dröhnte ein Alarmton durchs Schiff.

      Wieder durchströmte Schmerz Ologbons Körper.

      Wieder war beides schneidend und durchdringend.

      Doch diesmal handelte es sich nicht um die Folgen einer Transition. Diesmal ...

      Ologbon ächzte, als er zu sich kam. Zu seiner Überraschung lag er auf der Seite. Er schmeckte Metall und wurde sich bewusst, dass ihm die Zunge aus dem Mund hing und den Boden berührte. Mühsam hob er den Kopf und blickte sich um, sah aber nichts.

      Er fühlte sich benommen. Sein Schädel pochte ohne Unterlass. Wenn bloß diese lärmende Sirene nicht jeden Gedanken niederbrüllen würde!

      Instinktiv zog er die Lauschballen in die Hautfalten zurück und genoss die plötzliche Stille.

      Wo war er? Was bei Olu war geschehen?

      Er versuchte, die Erinnerung in sein Bewusstsein zu zwängen. Ihm fiel die letzte Transition ein, die Energiespitze aus dem Fusionsmeiler, der Ausfall der Hyperfunkanlage.

      Richtig, er hatte sich in die Funkkaverne gezwängt, einen beengten Raum neben der Schiffszentrale, den man nur durch eine vergitterte Luke erreichte. Aber weshalb war es dunkel? War die Beleuchtung ausgefallen? Und warum war er ohnmächtig geworden? Hatte er sich ...

      Mit einem Mal rollte die Erinnerung über ihn hinweg und bereitete ihm größere Schmerzen, als sein pochender Schädel oder eine Transition ohne die Dämmung des Organoids es jemals gekonnt hätten.

      Den Schmerz der Todesangst und der Sorge, seinen Sohn nie wieder zu sehen.

      Ologbon rappelte sich auf alle viere hoch, streckte einen Arm nach der Funkanlage aus und tastete sich vorsichtig an ihr entlang. Um sie herum.

      Nach wenigen Schritten tauchte die Luke zur Zentrale auf. Durch das nur angelehnte Gitter sickerte das Licht der Notbeleuchtung und zeichnete ein bläulich flackerndes Rechteck auf den Boden der Funkkaverne.

      Widerstrebend ließ er die Lauschballen aus den Hautfalten des Kopfes gleiten. Sofort umfing ihn neuerlich das Lärmchaos. Zu seinem Entsetzen mischten sich unter den Alarmton nun auch die Schreie der Mannschaftskameraden.

      Ladhonen!, brüllte es in ihm auf. Die Geißel der Raumfahrt. Sie haben das Schiff geentert!

      Er erinnerte sich an die plötzliche Aufregung, die er während der Reparatur der Funkanlage aus der Zentrale vernommen hatte. Zuerst hatte er nicht darauf geachtet, es lediglich für einen von Obamoros Anfällen gehalten und sich sogar für die Idee gerühmt, ihm aus dem Weg gegangen zu sein. Dann hatte er die Panik in den Stimmen gehört und die verzweifelten Versuche, Kontakt mit dem fremden Schiff aufzunehmen. Erst über Hyperfunk, was an der defekten Anlage scheiterte, anschließend über Normalfunk. Die Ladhonen hatten nicht reagiert.

      Und dann? Warum hältst du dich nicht in der Zentrale auf, wo du hingehörst, und stehst deinen Kameraden bei?

      Die letzten Erinnerungsstücke kehrten zurück. Wie in einem Film sah er sich auf die Gitterluke zueilen, dort verharren, kurz überlegen und zur beschädigten Anlage zurückeilen. Er sah sich fieberhaft daran arbeiten, damit sie einen Notruf absetzen konnten, der nicht beinahe zwanzig Jahre brauchte, um die Heimat zu erreichen.

      Als geschähe es gerade im Augenblick, hörte er das Wortgewirr in der Zentrale. Befehle und deren Bestätigung flogen hin und her, Messwerte, Distanzangaben, Ortungsergebnisse. Über allem lag die stetig lauter werdende Stimme von Kommandant Obamoro ...

      »Schutzschirm hochfahren! Warum dauert das so lange? Wie lange bis zur Gefechtsbereitschaft? Ich will laufende Meldung, hast du verstanden? Laufend! Ich werde diese Kerle lehren, mein Schiff anzugreifen!«

      ... doch da war Ologbon längst klar gewesen, dass sie gegen die Ladhonen nicht bestehen konnten. Nicht ohne die Hilfe der Cairaner. Und die der Götter.

      Er arbeitete, als ginge es um sein Leben, denn genau das tat es. Aus seinen Handflächen ragten jeweils sämtliche zehn Tolnoten. Sie tauschten durchgebrannte Module, prüften Verkabelungen und Steckverbindungen, öffneten Abdeckplatten.

      Schneller, immer schneller.

      Gelegentlich zog Ologbon eine Hand zurück, ehe sämtliche Wurmwesen reagierten und sich von ihrer Aufgabe lösten. Dadurch riss er sich drei Symbionten heraus, die zu Boden fielen und in Sekundenschnelle austrockneten.

      Er achtete nicht darauf.

      Und dann?

      Dann ...

      ... hatte etwas die GLUTOBAT getroffen, vermutlich nicht nur – aber auch – in der Hyperantenne. Funken waren in der Anlage aufgesprüht, hatten Ologbon einen Schlag versetzt, ihn gegen die Kavernenwand geschleudert, und die Lichter waren ausgegangen. Um ihn herum und in ihm.

      Wie viel Zeit mochte seitdem vergangen sein? Wie lange hatten ihn Dunkelheit und Ohnmacht vor der Panik geschützt, die sich nun wieder seiner bemächtigte?

      Er schlich näher an das Gitter, ohne das flackernde Rechteck zu betreten, und spähte hinaus.

      »Kann jemand bitte den Alarm ausschalten?«, fragte draußen eine Stimme in einem Interkosmo, das auf Ologbon zu schnell gesprochen wirkte. »Das ist nur schwer zu ertragen.«

      »Er wird vom Bordrechner gesteuert«, sagte Onigboia in festem Ton, eher trotzig als ängstlich. Tapfere Boia. »Ein Zeichen für die erheblichen Schäden, die ihr dem Schiff zugefügt habt.«

      »Das habt ihr euch selbst zuzuschreiben. Hättet ihr euch ergeben und nicht auf uns gefeuert, wärt ihr glimpflicher davongekommen. Auf jeden Fall wisst ihr nun, dass euer Raumer beschädigt ist. Es gibt folglich keinen Grund mehr für den Alarm. Schalt ihn aus!«

      »Aber ...«

      »Schalt ihn aus!«

      Im nächsten Augenblick verstummte der schrille Laut.

      »Herzlichen Dank«, sagte die zu schnelle Stimme.

      Ologbon versuchte, aus seinem Versteck heraus mehr zu erkennen, aber die Zugangsluke zur Funkkaverne war lediglich einen knappen Meter hoch. Die Besatzungsmitglieder hatten sich aufrecht auf den Hinterbeinen aufgebaut, anstatt wie üblich auf allen vieren zu stehen oder auf den Hinterläufen zu sitzen. Falls sie die Ladhonen mit ihrer Größe beeindrucken wollten, bezweifelte Ologbon jedoch, dass das gelang.

      »Mein Name ist Bodh Aputhar«, ertönte die Stimme erneut. »Ich bin Kommandant der Versorgungseinheit POD-2202. Verhaltet euch ruhig und kooperativ, dann wird niemandem etwas geschehen. Hat sich, wie ich euch befohlen habe, die komplette Besatzung hier versammelt?«

      Hitze stieg in Ologbon auf. Instinktiv zog er sich einen Schritt tiefer in die Finsternis der Kaverne zurück. Aber tat er damit das Richtige? Sollte er sich nicht besser zu erkennen geben?

      Was, wenn die Ladhonen bemerkten, dass das Trenngitter nur angelehnt vor der Luke stand? Was, wenn sie wussten, dass olubfanische Besatzungen stets aus einem Vielfachen von elf bestanden? Was, wenn sie nachzählten und nur auf einundzwanzig kamen?

      Die Cairaner hatten sie mit einigen Informationen über dieses schreckliche Volk versorgt. Die wichtigste Regel lautete: »Wenn ihr ein Schiff der Ladhonen seht: Flieht!« Die zweitwichtigste: »Wenn ihr nicht fliehen könnt, leistet keinen Widerstand. Bringt sie nicht gegen euch auf, und ihr werdet möglicherweise überleben.«

      War es also nicht seine Pflicht, sich zum Schutz der Mannschaft zu zeigen?

      Er dachte an Ofilor, seinen Sohn. Seit fünf Monaten nach dem cairanischen Kalender hatte er ihn nicht mehr gesehen, sieben nach dem Elfgötter-Kalender. Seit sie mit einer Ladung Kreuzkorn ins Tronbudsystem aufgebrochen waren, um dort ihre Verkäufe abzuwickeln und zugleich mit zwielichtigen Händlern über den Preis von Planktonballen für die Nährlösung der Tolnotenkolonien zu feilschen. Während jeder einzelnen Nacht, jeder Freischicht, vor jeder Transition hatte er sich nach ihm gesehnt.

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