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auf einen Schwarm holografischer Vögel, der weit über ihren Köpfen dahinzog. Er sah in die gezeigte Richtung und flüsterte ihr erneut etwas zu. Sie lachte wieder.

      Ihnen gegenüber befand sich Major Sholotow Affatenga, kurz Tenga genannt. Allerdings saß er auf keinem Stuhl, was bei einem Siganesen von ein wenig über zwanzig Zentimeter Körpergröße auch reichlich albern ausgesehen hätte, sondern im Schneidersitz direkt auf der Tischplatte. Er vertrieb sich die Wartezeit nicht wie sonst so häufig mit Selbstgesprächen. Stattdessen betrachtete er mit konzentriertem Gesichtsausdruck die zu einer Pyramide gestapelten winzigen Pralinen vor ihm.

      Als er Osmunds Blick bemerkte, deutete er auf die oberste Leckerei. »Ich glaube, ich muss mal ein ernstes Wort mit dem Proviantmeister reden. Banane-Minze! Wie kommt er auf die Idee, dass jemandem Banane-Minze schmecken könnte?« Er schnappte sie, schob sie sich in den Mund und kaute für einige Sekunden andächtig darauf herum. »Andererseits ...«

      »Du willst hoffentlich nicht alle verputzen, ehe Perry Rhodan zu uns stößt«, sagte Leutnant Winston Duke, der Letzte im Bunde. Er saß unmittelbar neben Osmund Solemani. Tenga bezeichnete ihn häufig als seinen Besten Freund Nummer Zwei.

      »Das hängt davon ab, wie lange uns der große Meister noch warten lassen will.«

      »Es widerstrebt dir? Zu warten, meine ich.«

      »Wem nicht? Und mir besonders. Immerhin bin ich Maximaldestruktor und der fähigste Saboteur der Flotte. Ich brauche etwas zu tun, sonst setze ich Fett an.«

      »Du meinst wohl noch mehr Fett.«

      »Ich muss doch sehr bitten! Ich bestehe aus durchtrainierter Einsatzmasse, die ich nicht verkümmern lassen darf.« Er naschte die nächste Praline. »Mmh, Karamellsahne.«

      »Lass es dir schmecken«, erklang eine Stimme links von Osmund.

      Perry Rhodan stand am Tisch.

      Der große Meister war gekommen.

      *

      »Entschuldigt bitte«, sagte Rhodan, »dass ich euch so lange haben warten lassen.«

      »Ist ja nicht so, dass wir etwas anderes vorgehabt hätten«, warf Tenga mit vollem Mund ein.

      »Ich verstehe euren Unmut. Glaubt mir, es geht mir genauso. Noch vorgestern haben wir den Weltenbrand gelöscht und gewährleistet, dass das Leben weitergehen kann wie zuvor, und aus unserer Sicht nur einen Tag später mussten wir feststellen, dass zumindest in der Milchstraße eben doch nichts so ist wie zuvor. Am liebsten würde ich sofort losstürmen, ins Ephelegonsystem nach Rudyn fliegen, wo mein alter Freund Reginald Bull in seiner Zentralgalaktischen Festung sitzen soll, und ihn fragen, was um Himmels willen während der letzten fünfhundert Jahre geschehen ist.«

      »Dann lass uns der Einfachheit halber genau das tun«, schlug Siad Tan vor. Phylax neben ihr schnaubte.

      »Wie gerne würde ich deinem Rat folgen. Nur halte ich es für keine gute Idee. So sehr es mir widerstrebt, es ist unumgänglich, behutsam vorzugehen. Und wir waren seit gestern keineswegs untätig, wenngleich es euch so erscheinen mag. Muntu, wenn du dazu etwas sagen willst?«

      Kommandant Ninasoma klappte mit bedächtiger Bewegung das Buch zu, legte es auf den Tisch und rückte es mehrfach zurecht, bis es parallel zur Tischkante lag.

      »Nachdem wir uns von der RAS TSCHUBAI getrennt haben«, sagte er schließlich mit ruhiger, überlegter Stimme, »sind wir in einer langen Etappe Richtung Milchstraßenhauptebene gereist. Im Augenblick verharrt die BJO im Leerraum zwischen den Sternen. Unser Hauptaugenmerk haben wir während des letzten Tages darauf gerichtet, Hyperfunksendungen zu empfangen und auszuwerten. Wir haben Unterhaltungen belauscht, aber auch Nachrichten- und Unterhaltungsmedien verfolgt. Wir müssen uns ein Bild von der Milchstraße dieses Zeitalters machen. Was wir haben, ist nun eine schier unüberblickbare Menge an Daten, die sich häufig widersprechen, abhängig von der Quelle, aus der sie stammen.«

      Er klopfte mit der Hand auf das Buch vor sich.

      »Ich lese gerade einen historischen Roman, der zur Zeit des Kalten Kriegs in den 1950er-Jahren alter Zeitrechnung spielt. Hätte man damals die Nachrichten der Amerikaner mit denen der Russen verglichen, wäre es schwergefallen, ein realistisches Bild der Lage zu erhalten.

      Wie dem auch sei: Selbst für Positroniken ist es wegen der Informationslage außerordentlich mühsam, das Wesentliche vom Unwesentlichen, das Wahre vom Gelogenen und das ideologisch Gefärbte vom Neutralen zu unterscheiden. Gerne hätten wir Kontakt zu terranischen Flotteneinheiten aufgenommen, aber unsere Zugangscodes, die vorgestern noch gegolten haben, sind inzwischen veraltet. Auf diese Informationsquelle müssen wir derzeit also leider verzichten.«

      Sonst wäre es schließlich zu einfach, dachte Osmund.

      »Danke sehr.« Mit ausgestrecktem Arm wies Rhodan auf den Kleinen Goshunsee und Terrania. Oder auf die Illusion davon. »Ich habe diese Kulisse für die Besprechung nicht gewählt, damit wir uns in Sentimentalität suhlen. Nein, ich will, dass uns das erste große Ziel vor Augen steht, nämlich herauszufinden, was mit Terra geschehen ist. Keine einfache Aufgabe, wenn man bedenkt, dass es offenbar eine milchstraßenweite Informationskatastrophe gegeben hat.«

      Den Posizid, erinnerte sich Osmund.

      »Von der wir nicht wissen, wer oder was sie verursacht hat«, ergänzte Farye. Donn Yaradua nickte zustimmend.

      »Richtig«, sagte Rhodan. »Wir gehen aber davon aus, dass es diesen Wer oder dieses Was nach wie vor gibt, dass es sich also nicht um einen bloßen Zufall oder ein Unglück handelt. Jemand hat gezielt die Geschichte der Menschheit verändert, sie verfälscht und entstellt.«

      »Die Cairaner?«, fragte Winston Duke.

      Wie aufs Stichwort erschien ein Holo über dem Tisch. Es zeigte ein groß gewachsenes, hochbeiniges Wesen mit golden gefleckter Haut, einem lippenlosen Mund mit verhornten Rändern und kugelförmigen Schultergelenken. Die Arme endeten in zwei Händen. Dieses Wesen hatte am Vortag in unnahbarer und befehlsgewohnter, beinahe arrogant klingender Weise Rhodan aufgefordert, ein Kommando zur Inspektion auf die RAS TSCHUBAI kommen zu lassen – und kurzerhand das Feuer eröffnet, als dieser sich geweigert hatte. Offenbar nicht gerade der umgänglichste Typ, dieser Fremde.

      Über ihm schwebte eine stark verkleinerte Darstellung seines Schiffs, der MAIDAC ODAIR. Ein ringförmiger Raumer mit einer Kugel aus rötlich flammender Energie im Zentrum, der ihnen wie ein mitleidlos glotzendes Auge entgegenstarrte.

      Osmund fröstelte bei dem Anblick. Er wusste nicht, ob es an der nicht interpretierbaren Mimik des Wesens mit den Balkenpupillen lag oder daran, dass es sich anfühlte, als würde ihm das Augenschiff auf den Grund der Seele blicken.

      »Womöglich waren es die Cairaner«, fuhr Rhodan fort. »Vielleicht war es ein Angriff von außen, jedoch von einem uns noch unbekannten Feind. Vielleicht eine Schutzmaßnahme von innen, um diesen Feind zu verwirren. Vielleicht aber, und diese Möglichkeit dürfen wir keinesfalls außer Acht lassen, eine Attacke von innen.«

      »Von unseren eigenen Leuten? Das kann ich mir nicht vorstellen«, widersprach Winston Duke.

      »Ich will es mir nicht vorstellen. Und doch gibt es keine Garantie. Denkt nur an den Techno-Mahdi! In fünfhundert Jahren kann viel geschehen. Nicht einmal bei alten Freunden besteht die Garantie, dass sie sich so verhalten, wie wir es erwarten. Das habe ich bei der Aphilie bereits erlebt ...«

      Wie meint er das?, fragte sich Osmund, der in galaktischer Geschichte nur dann und wann aufgepasst hatte.

      »Du musst Bully vertrauen«, mischte sich Farye ein.

      »Imperien wachsen und zerfallen, Kriege beginnen und enden und beginnen erneut. Zivilisationen erblühen, andere verwelken.« Leiser fügte Rhodan hinzu: »Und selbst besonders langlebige Menschen verändern sich.«

      »Wieso sprecht ihr ausgerechnet über Reginald Bull?«, fragte Osmund irritiert. »Ich denke da eher an Typen wie Vetris-Molaud. Der aber nie ein Freund war.«

      Rhodan sah ihn ernst an. »Es ist nicht allgemein

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