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breitete sich in meinem Magen aus, während ich ihn intensiv und voller Bewunderung von der Seite musterte. Jonah sah unverschämt gut aus. Nach all den Jahren hatte er sich kaum verändert. Sein Gesicht schien zwar ein wenig kantiger als früher, doch das konnte genauso gut an dem leichten Bartschatten auf seinen Wangen und an seinem Unterkiefer liegen. Was jedoch neu war, waren die kleinen, schmalen Fältchen um seine Augen und an seiner Stirn. Ich liebte sie, je mehr es wurden.

      Mit amüsiertem Schmunzeln auf den Lippen bemerkte Jonah meine ausgiebige Musterung seines faszinierend schönen Gesichts und fuhr langsam los. »Du kannst ein wenig deinen Rausch ausschlafen, wenn du willst. Die Fahrt wird einige Stunden dauern.«

      Von wegen Rausch! »Ich bin nicht betrunken«, widersprach ich trotzig.

      »Und ich bin nicht der Weihnachtsmann. Du musst mich also nicht belügen, um das zu bekommen, was du willst.« Grinsend warf er mir einen kurzen Seitenblick zu und ich wusste, er wollte mich nur wieder einmal necken. Dennoch sprang ich auf seine Provokation an, was bedeutete, ich musste vermutlich doch betrunken sein.

      »Was will ich denn, deiner Meinung nach?«, fragte ich herausfordernd, auch wenn ich wusste, das war eine ganz blöde Idee.

      »Mich. Gleich hier auf dem Rücksitz«, behauptete Jonah selbstzufrieden lächelnd und meinte es auch noch todernst. »Ich hab genau gesehen, wie du die Rückbank inspiziert hast, als du eingestiegen bist.« Belustigt lachte er auf, als er mich grinsend die Augen verdrehen sah.

      »Ich glaube, ich gehe doch lieber schlafen.«

      »Braves Mädchen.« Jonah zwinkerte mir grinsend zu und griff kurz zur Rückbank, von der er mir ein kleines Reisekissen entgegen schmiss. »Hier, damit geht es besser, als sich den Kopf im Schlaf an der Scheibe anzuschlagen.«

      »Du bist verrückt, Jonah Reeves. Wirklich verrückt!« Schmunzelnd machte ich es mir in meinem Sitz gemütlich, kuschelte meinen müden und leicht angetrunkenen Kopf an das Kissen und betrachtete ihn solange von der Seite, bis ich in einen ruhigen und tiefen Schlaf fiel.

      Ich wusste es. Ich wusste, ich hätte nicht mitkommen und mich von diesen Menschen dazu überreden lassen sollen. Ich wusste es, weil Ben mich noch davor gewarnt hatte. Er wusste schließlich ohnehin immer alles besser. Deswegen hätte ich auf ihn hören müssen. Hätte! Tat ich jedoch natürlich nicht. Denn ich war offensichtlich wieder einmal zu stolz, um mir einzugestehen, dass mein großer Bruder Recht hatte mit seiner Vermutung. Diese Leute da draußen am Lagerfeuer waren nicht meine Freunde. Sie würden es auch niemals werden.

      Hannah hatte mich zu diesem blöden Campingtrip überredet. Ihr neuer Freund Scott, der zusammen mit Jonah und Ben in einer Jahrgangstufe war, hatte das alles organisiert. Zusammen mit seinen Freunden, die sich nun allesamt als totale Vollidioten und verstrahlte Snobs herausstellten, wollten sie unweit von Underwood an einem kleinen See campen. Nur über das Wochenende.

      Zuerst dachte ich, das könnte wirklich witzig werden. Vor allem zusammen mit Hannah. Leider übersah ich dabei jedoch das Offensichtliche. Diese Typen waren riesengroße Arschlöcher, die den ganzen Tag lang nur Bier soffen und sich anschließend noch die Birne zudröhnten.

      Ich war doch tatsächlich mit dämlichen Kiffern unterwegs! Mitten im Nirgendwo und ohne eine Möglichkeit, hier wieder allein wegzukommen.

      Seit Stunden verkroch ich mich schon in meinem und Hannahs Zelt, das sie scheinbar sowieso nicht nutzen und stattdessen lieber bei Scott schlafen wollte. Ich fragte mich wirklich, wie es mit meiner Freundin so weit kommen konnte. Nicht nur, dass es ihr egal war, was für unglaubliche Idioten diese Typen da draußen waren, es war ihr auch egal, dass sie Drogen nahmen. Verdammt nochmal, das war illegal! Und gesund schon gar nicht.

      Ob Ben davon wusste? Hatte er mich deswegen gewarnt, mit Scott und seinen Freunden wegzufahren? Oder mochte mein Bruder die Jungs nur nicht und würde ihnen die Hölle heiß machen, würde er erfahren, dass sie in meiner Gegenwart kifften wie die Verrückten? Ich war mir nicht sicher.

      Sicher war nur, dass jeder von diesen Idioten bisher die Finger von mir gelassen hatte. Nicht einmal eine kurze Umarmung hatte ich heute Morgen, als wir aufgebrochen waren, erhalten, aus Angst, Ben oder Jonah würden ihnen dafür in die Eier treten. Verdient hätten sie es, wenn auch eher für andere Dinge.

      Mühevoll schluckte ich den schweren Kloß in meiner Kehle hinunter und unterdrückte die Tränen, die meine Augen brennen ließen, als ich an meinen besten Freund und meinen Bruder dachte. Ich war nicht einmal einen Tag von ihnen getrennt und schon vermisste ich sie wie verrückt. Aber nicht nur das! Ich wünschte mir einfach, sie wären jetzt hier und ich würde mich nicht mehr so allein und verlassen fühlen.

      Niemanden von den Leuten da draußen, Hannah eingeschlossen, interessierte es, wie es mir ging oder dass ich mich so gar nicht wohlfühlte. Ich wollte nach Hause! Ich wollte… zu Jonah.

      Erstickt schluchzte ich einmal leise auf und wischte mir die ersten Tränen von der Wange, als mir bewusst wurde, wie unglaublich dumm ich eigentlich war. Statt einfach das Wochenende bei meinen echten, meinen wahren Freunden zu bleiben, nämlich bei meinem großen Bruder und seinem besten Freund, machte ich mir Hoffnung, ich könnte dank Hannah sogar ein paar neue Freunde finden. Als ob mir Ben und Jonah nicht genügten… War für eine beschissene Lüge! Mehr als diese Beiden hatte ich noch nie gebraucht, wenn ich ehrlich war. Sie waren alles für mich! Was also wollte ich mehr? Ich war so eine unglaubliche Idiotin!

      Tief durchatmend wischte ich mir erneut die stummen Tränen aus dem Gesicht und griff zu meinem Handy. Wenn ich schon nicht bei ihnen sein konnte, wollte ich wenigstens das Gefühl haben, ich wäre es, also wählte ich die Nummer, die ich selbst im Schlaf auswendig konnte.

      Es klingelte nur zwei Mal, dann hörte ich die Stimme, die mich augenblicklich in die Wärme hüllte, die ich gerade so dringend brauchte. »Sommersprosse, es ist mitten in der Nacht. Was ist los, ist was passiert, soll ich vorbeikommen?«

      Ich lächelte erleichtert. »Was machst du gerade?«

      »Was?! Was denkst du denn, was ich mache? Ich… Warte, wo steckst du gerade? In deinem Zimmer brennt kein Licht. Nicht einmal die kleine Nachtleuchte, die du so sehr liebst.«

      »Woher…?«, wunderte ich mich leise, jedoch nur den Bruchteil einer Sekunde, bevor es mir klar wurde. »Jonah Reeves, stalkst du mich etwa?«

      »Nicht mehr als sonst«, meinte mein bester Freund nur trocken, »Also… Wo bist du? Und wieso zur Hölle flüsterst du? Hast du irgendetwas ausgeheckt? Denn wenn es so ist, schwöre ich, wird mir Ben dafür den Kopf abreißen, wenn ich…«

      »Er hat dir nicht gesagt, wo ich bin?«, unterbrach ich ihn überrascht, doch dann fiel mir wieder ein, dass Ben die letzten Tage ohnehin ziemlich abgelenkt schien. Von Stacey, dieser dämlichen Kuh! Vermutlich hatte er es deswegen vergessen, Jonah zu erzählen. Ich konnte es nicht mehr tun, so schnell und spontan wie Hannah, die Idioten und ich heute früh aufgebrochen waren.

      »Nein, warum? Wo zum Henker steckst du? Vielleicht sollte ich lieber Ben den Kopf abreißen…«

      Leise lachend schüttelte ich den Kopf über Jonahs Reaktion. »Ich bin mit Hannah campen. An dem kleinen See außerhalb von Underwood.«

      »Was?! Du meinst diesen gruseligen Tümpel dreißig Meilen von hier?«, fragte mein bester Freund entsetzt.

      »Genau der!«, kicherte ich bestätigend.

      »Und ihr seid dort allein? Nur ihr zwei Mädchen?« Sorge schwang in seiner Stimme mit.

      »Äh… nein. Scott und seine Freunde sind auch hier. Du weißt schon, Hannah und Scott sind seit ein paar Wochen zusammen und…«

      »Ich hol dich ab!«, schoss es aus Jonah plötzlich entschlossen heraus und ich ahnte, er duldete jetzt weder Widerspruch noch eine Diskussion darüber. »Kommt nicht in Frage, dass ich dich mit diesen Kiffern allein lasse. Schon gar nicht über Nacht!«

      Ich stutzte überrascht. »Warte, du weißt davon?«

      »Dass sie kiffen? Natürlich weiß

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