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Affe. In etwa zwei­hun­dert Me­ter Ent­fer­nung be­rühr­te ein schma­ler Aus­läu­fer des Dschun­gels die Sied­lung mit ih­ren ver­streut lie­gen­den Häu­sern, und dort­hin lenk­te der jun­ge Eng­län­der sei­ne Schrit­te. Nie­mand moch­te die bei­den se­hen, wie sie hin­über­schli­chen; im nächs­ten Au­gen­blick schon tauch­ten sie im Dschun­gel un­ter:

      Der klei­ne Jack, der künf­ti­ge Lord Grey­sto­ke, war dem Ge­sichts­kreis der zi­vi­li­sier­ten Welt ent­rückt.

      Es war schon spät am an­de­ren Mor­gen, als der Haus­die­ner, ein Ein­ge­bo­re­ner, an die Tür des Zim­mers klopf­te, das man Mr. Bil­lings und des­sen Groß­mut­ter zu­ge­wie­sen hat­te. Da er kei­ne Ant­wort er­hielt, woll­te er mit dem Haupt­schlüs­sel öff­nen; doch stell­te es sich so­fort her­aus, dass be­reits ein an­de­rer Schlüs­sel, und zwar von in­nen her, im Schloss steck­te. Er be­rich­te­te dies dem Be­sit­zer des Ho­tels, ei­nem ge­wis­sen Herrn Skopf, der so­gleich mit nach dem zwei­ten Stock hin­auf­ging und kräf­tig an der Zim­mer­tür trom­mel­te. Auch dies­mal kam kei­ne Ant­wort. Er bück­te sich und ver­such­te, ob er ir­gen­det­was durch das Schlüs­sel­loch er­ken­nen kön­ne. Da­bei ver­lor er das Gleich­ge­wicht, was bei sei­ner star­ken Fi­gur nicht zu ver­wun­dern war, doch konn­te er sich we­nigs­tens ge­ra­de noch mit ei­ner Hand auf den Bo­den stüt­zen. Er fühl­te an sei­nen Fin­gern et­was Wei­ches, so wie wenn ih­nen mit ei­nem Male eine di­cke Flüs­sig­keit an­haf­te­te, hob die Hand dicht vor die Au­gen und such­te, so gut es im Halb­dun­kel des Kor­ri­dors mög­lich war, das neue Rät­sel zu lö­sen. Ein Schau­der durch­lief ihn, als er tief­dunkles Blut an sei­ner Hand ge­wahr­te. Er sprang auf und stemm­te sich mit sei­nem Ober­kör­per ge­gen die Tür. Herr Skopf ist ein star­ker, statt­li­cher Mann – oder er war es da­mals we­nigs­tens, denn ich habe ihn ein paar Jah­re nicht wie­der­ge­se­hen. Die schwa­che Tür gab je­den­falls un­ter der Wucht die­ses Druckes nach, und Herr Skopf stürz­te kopf­über nach in­nen.

      Vor ihm lag das größ­te Ge­heim­nis sei­nes Le­bens: Da war die Lei­che ei­nes ihm völ­lig un­be­kann­ten Man­nes. Das Ge­nick war ge­bro­chen, die Schlag­ader durch­ge­bis­sen, wie wenn sich die rei­ßen­den Zäh­ne ei­nes wil­den Tie­res hin­ein­ge­gra­ben hät­ten. Der Kör­per war split­ter­nackt, die Klei­der la­gen rings­her­um auf dem Bo­den ver­streut. Die alte Dame und de­ren En­kel wa­ren ver­schwun­den, das Fens­ter weit ge­öff­net. Sie muss­ten also durch das Fens­ter ent­kom­men sein, denn die Tür war ja von in­nen ver­schlos­sen ge­we­sen.

      Aber wie soll­te der Jun­ge sei­ne alte kran­ke Groß­mut­ter so aus dem zwei­ten Stock hin­un­ter­ge­bracht ha­ben? Nein, das war doch zu al­bern, so et­was über­haupt an­zu­neh­men. Herr Skopf durch­such­te das klei­ne Zim­mer, er be­merk­te, dass das Bett von der Wand ab­ge­rückt war. Und warum? Zum drit­ten oder vier­ten Male blick­te er nun un­ter das Bett … Es blieb da­bei: Die bei­den hat­ten sich aus dem Stau­be ge­macht, und doch sag­te ihm sein ge­sun­der Men­schen­ver­stand, dass die alte Dame un­mög­lich ohne Trä­ger hin­un­ter­ge­kom­men sein konn­te; man hat­te sie ja ges­tern her­auf­tra­gen müs­sen …

      Die wei­te­ren Nach­for­schun­gen brei­te­ten nur im­mer dich­te­re Schlei­er über das große Ge­heim­nis. Man fand sämt­li­che Klei­dungs­stücke der bei­den noch im Zim­mer. Sie muss­ten sich also nackt oder in ih­ren Nacht­ge­wän­dern da­von­ge­macht ha­ben.

      Das Gan­ze war Herrn Skopf ein großes Ge­heim­nis und ist es zwei­fel­los auch heu­te noch.

      Der Haupt­mann Ar­mand Ja­cot von der Frem­den­le­gi­on saß auf sei­ner Sat­tel­de­cke, die er un­ter ei­ner küm­mer­li­chen Pal­me aus­ge­brei­tet hat­te. Mit sei­nen brei­ten Schul­tern und dem fast glat­tra­sier­ten Kop­fe hat­te er sich be­quem an den Stamm der Pal­me ge­lehnt, sei­ne lan­gen Bei­ne über die viel zu kur­ze De­cke hin­aus weit von sich ge­streckt, die Spo­ren im Sand­bo­den der klei­nen weltent­le­ge­nen Oase halb ver­gra­ben. Kein Wun­der, dass er es sich jetzt so ge­müt­lich wie mög­lich mach­te, denn er hat­te einen lan­gen an­stren­gen­den Ritt durch die Sand­wo­gen der Wüs­te hin­ter sich.

      Be­däch­tig und mit sicht­li­chem Be­ha­gen rauch­te er sei­ne Zi­ga­ret­te; er er­war­te­te je­den Au­gen­blick sei­ne Or­don­nanz, die ihm jetzt die Abend­mahl­zeit fer­tig mach­te. Haupt­mann Ar­mand Ja­cot war heu­te mit sich selbst und der Welt sehr zu­frie­den. Ein we­nig rechts von ihm herrsch­te re­ges Le­ben und Trei­ben. Sei­ne Leu­te, lau­ter son­nen­ver­brann­te kamp­fer­prob­te Sol­da­ten, fühl­ten sich ein­mal frei von den oft drücken­den Fes­seln der stren­gen Dis­zi­plin, ihre mü­den Mus­keln ent­spann­ten sich, man lach­te, scherz­te und rauch­te, wäh­rend man sich nach zwölf­stün­di­gem Fas­ten auch end­lich wie­der ein­mal et­was für den hung­ri­gen Ma­gen zu­be­rei­ten konn­te. Dort hock­ten au­ßer­dem völ­lig schweig­sam und in sich ver­sun­ken fünf Ara­ber in wei­ßen Ge­wän­dern. Sie wa­ren stark ge­fes­selt und stän­dig un­ter schar­fer Be­wa­chung.

      So oft Haupt­mann Ar­mand Ja­cot zu die­sen sei­nen Ge­fan­ge­nen hin­über­blick­te, über­kam ihn vor al­lem das woh­li­ge Ge­fühl voll er­füll­ter Pf­licht. Ei­nen gan­zen lan­gen Mo­nat hat­te er mit sei­nem klei­nen Trupp in furcht­ba­rer Glut und un­ter großen Ent­beh­run­gen die wei­ten öden Wüs­ten­flä­chen durch­streift, und end­lich war ih­nen nun die Räu­ber- und Mör­der­ban­de ins Garn ge­gan­gen. Un­zäh­li­ge Ka­me­le, Pfer­de und Zie­gen hat­te die Mar­o­deu­re auf dem Ge­wis­sen und oben­drein schänd­li­che Mord­ta­ten, die al­lein schon ge­nügt hät­ten, um über die gan­ze un­an­ge­neh­me Ge­sell­schaft den Stab zu bre­chen.

      Vor ei­ner Wo­che war man ih­nen auf die Spur ge­kom­men. Wohl hat­te er im Kampf mit den Ban­di­ten zwei sei­ner Leu­te ver­lo­ren, aber die Stra­fe hat­te nicht lan­ge auf sich war­ten las­sen und die gan­ze Ge­sell­schaft na­he­zu auf­ge­rie­ben. Nur ein hal­b­es Dut­zend moch­te sei­nem rä­chen­den Arm ent­ron­nen sein, die an­de­ren – mit Aus­nah­me der fünf Ge­fan­ge­nen – hat­ten ihre Ta­ten mit dem Tode bü­ßen müs­sen. Da­für hat­ten die Le­gio­näre mit den klei­nen Stahl­ge­schos­sen im Ni­ckel­man­tel schon ge­sorgt. Und das Al­ler­bes­te: Der Rä­dels­füh­rer Achmet ben Hau­din war ge­fan­gen.

      Von den Ge­fan­ge­nen schweif­ten die Ge­dan­ken des Haupt­manns Ja­cot in die Fer­ne. Er über­leg­te, über wie vie­le Mei­len der Ritt durch den Wüs­ten­sand noch ge­hen muss­te, bis er wie­der in dem klei­nen vor­ge­scho­be­nen Stand­ort an­lang­te. Mor­gen wür­de es so­weit sein, mor­gen wür­den ihm sei­ne Frau und das klei­ne Töch­ter­chen freu­de­strah­lend aus dem Hau­se ent­ge­gen­kom­men und ihn will­kom­men hei­ßen. In sei­ne Au­gen trat ein feuch­ter Schim­mer wie stets, wenn er an die Sei­nen dach­te; und er sah es jetzt so­gar schon ganz deut­lich, wie sich das schö­ne Ant­litz der Mut­ter in den noch kind­li­chen Zü­gen der klei­nen Jean­ne wi­der­spie­gel­te, und wie bei­de ihm strah­lend zu­lä­cheln wür­den, wenn er sich mor­gen spät am Nach­mit­tag von sei­nem mü­den Reit­pferd her­ab­schwän­ge. Er fühl­te schon die wei­chen zar­ten Wan­gen, die sich an die sei­nen schmie­gen wür­den, hier die Gat­tin und da die klei­ne Jean­ne – – wie Sam­met auf Le­der.

      Plötz­lich wur­de er aus sei­nen Träu­men auf­ge­scheucht. Ein Pos­ten hat­te dem Un­ter­of­fi­zier et­was laut zu­ge­ru­fen. Haupt­mann Ja­cot blick­te hin­über. Die Son­ne

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