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Mut­ter­her­zen ver­lang­te.

      Und als sie jetzt Gee­ka fest an sich drück­te, fühl­te sie, dass das Schluch­zen und Zit­tern lang­sam nachließ. Nicht lan­ge mehr und sie hat­te auch ihre Stim­me wie­der in der Ge­walt und konn­te nun we­nigs­tens der ein­zi­gen Ver­trau­ten ihr Herz aus­schüt­ten.

      Gee­ka liebt Me­riem, flüs­ter­te sie der Pup­pe in ihr El­fen­bei­nohr. Wa­rum liebt mich mein Va­ter, der Scheich, nicht auch? Bin ich denn so un­ge­zo­gen? Ich ver­su­che ja im­mer, brav zu sein; doch ich weiß gar nicht, warum er mich so schlägt, und da kann ich auch nicht sa­gen, was ich ge­tan ha­ben soll oder was ihm nicht ge­fällt. Gera­de vor­hin gab er mir einen Fuß­tritt. O, das hat mir sehr, sehr weh­ge­tan! Und ich saß doch bloß vor dem Zelt und flocht ein Hemd­chen für dich! Das muss et­was Bö­ses sein, denn sonst hät­te er mir doch nicht da­für einen Fuß­tritt ge­ge­ben. Aber warum ist das et­was Bö­ses, Gee­ka? Lie­be Gee­ka, ich weiß es nicht, weiß es nicht …

      Gee­ka schi­en ge­ra­de et­was ein­wen­den zu wol­len, doch sie wur­de so­fort un­ter­bro­chen, denn drau­ßen vor den To­ren des Dor­fes hat­te sich ein hef­ti­ger Streit er­ho­ben. Man hör­te lau­tes Stim­men­ge­wirr. Me­riem spitz­te die Ohren, und – neu­gie­rig wie Kin­der nun ein­mal sind – wäre sie zu gern hin­ge­rannt und hät­te sich selbst da­von über­zeugt, warum man sich so ent­setz­lich an­schrie. Die an­de­ren Dorf­be­woh­ner wa­ren schon größ­ten­teils auf den Bei­nen und stürz­ten in der Rich­tung da­von, aus der der Lärm kam, aber Me­riem ge­trau­te sich doch nicht mit. Der Scheich wür­de si­cher auch dort sein und, wenn er sie sah, nur wie­der die Ge­le­gen­heit be­nut­zen, sie von Neu­em zu schla­gen oder zu sto­ßen. Me­riem blieb also still lie­gen und horch­te.

      Sie hör­te bald, dass die Men­ge sich die Dorf­stra­ße her­auf dem Zelt des Scheichs nä­her­te, und so konn­te sie der Ver­su­chung nicht wi­der­ste­hen und guck­te ganz vor­sich­tig um die Zel­te­cke. Zwei Frem­de sah sie mit­kom­men. Es wa­ren Wei­ße und sie wa­ren al­lein. Aber als man wei­ter her­an­kam, ent­nahm sie aus den Ge­sprä­chen der Ein­ge­bo­re­nen, die sich um die Fremd­lin­ge her­um­dräng­ten, dass das statt­li­che Ge­fol­ge der bei­den sich au­ßer­halb des Dor­fes ge­la­gert hat­te und dort das Er­geb­nis der Ver­hand­lun­gen mit dem Scheich ab­war­te­te.

      Der alte Ara­ber emp­fing die Frem­den am Ein­gang zu sei­nem Zelt. Er kniff sei­ne Au­gen zu­sam­men und mus­ter­te die bei­den wäh­rend der üb­li­chen Be­grü­ßung mehr als ge­ring­schät­zig.

      Sie sei­en ge­kom­men, um El­fen­bein auf­zu­kau­fen, er­klär­ten sie. Der Scheich brumm­te erst et­was vor sich hin und ent­geg­ne­te dann, er habe über­haupt kein El­fen­bein. Me­riem muss­te den Atem an sich hal­ten, um nicht laut da­zwi­schen­zu­ru­fen und die Wahr­heit zu sa­gen: denn sie wuss­te, dass in ei­ner Hüt­te ganz in der Nähe Ele­fan­ten­zahn an Ele­fan­ten­zahn bis un­ter das Dach auf­ge­sta­pelt war. Sie beug­te ihr klei­nes Köpf­chen noch wei­ter her­vor, um die Fremd­lin­ge bes­ser er­ken­nen zu kön­nen. Wie weiß war doch de­ren Haut! Und wie blond die lan­gen Bär­te!

      Plötz­lich be­merk­te sie, wie der eine ge­ra­de zu ihr her­über­blick­te. Sie woll­te sich noch zu­rück­beu­gen, denn sie fürch­te­te alle Män­ner; doch er hat­te sie si­cher schon ge­se­hen, das ließ sich dar­an er­ken­nen, wie sich mit ei­nem Male Stau­nen und Über­ra­schung in sei­nen Zü­gen spie­gel­ten. Dem Scheich war die­se Ver­än­de­rung sei­nes Ge­gen­über eben­so­we­nig ent­gan­gen, ja er ahn­te so­gleich den An­lass.

      Ich habe kein El­fen­bein, sag­te er noch­mals. Ich will au­ßer­dem nichts von Ge­schäf­ten wis­sen. Ge­hen Sie nur, aber gleich! Er trat ein paar Schrit­te vor­wärts und stieß die Frem­den halb und halb vor sich her. Sie soll­ten nur ma­chen, dass sie wie­der zum Tor hin­aus­kämen! Als sie noch al­ler­lei Ein­wän­de vor­brach­ten, ver­leg­te sich der Scheich aufs Dro­hen. Wenn sie nun nicht pa­riert hät­ten, wäre das ein­fach Selbst­mord ge­we­sen und so mach­ten die bei­den kehrt und be­ga­ben sich un­mit­tel­bar in ihr ei­ge­nes La­ger zu­rück.

      Der Scheich trat wie­der in sein Zelt zu­rück, doch bei Lei­be nicht, um nun die Hän­de in den Schoß zu le­gen. Die klei­ne Me­riem lag schon ganz ver­ängs­tigt dicht an die Le­der­wand ge­schmiegt, als der Alte sich um die Ecke her­um­schlich. Er bück­te sich, pack­te die Klei­ne am Arm, schleu­der­te sie roh zu Bo­den, zerr­te sie vor den Zelt­ein­gang und stieß sie hin­ein. Und da­mit nicht ge­nug: Er pack­te sie von Neu­em und bleu­te sie un­barm­her­zig durch.

      Bleib’ mir ja hier! brüll­te er sie an. Dass du dich nicht un­ter­stehst, den Frem­den noch ein­mal un­ter die Au­gen zu kom­men. Pas­siert es doch, dass du die Frem­den dein Ge­sicht se­hen lässt, ma­che ich dich tot!

      Er gab ihr zur Be­kräf­ti­gung sei­ner Dro­hung noch einen ge­hö­ri­gen Puff in die Sei­te und stieß sie in die äu­ßers­te Ecke des Zel­tes, wo sie mit hal­b­un­ter­drück­tem Schluch­zen und Stöh­nen lie­gen blieb, wäh­rend der Scheich auf und ab ging und da­bei et­was Un­ver­ständ­li­ches vor sich hin­mur­mel­te. Ma­bu­nu saß ki­chernd am Ein­gang.

      *

      Die bei­den Fremd­lin­ge wa­ren in­zwi­schen wie­der in ih­rem La­ger an­ge­langt und hat­ten sich so­fort in eine eif­ri­ge De­bat­te ge­stürzt.

      Mal­bihn, es ist gar kein Zwei­fel, die Sa­che stimmt ganz ge­wiss so. Das ein­zi­ge, was mir noch Kopf­zer­bre­chen macht: Wa­rum hat sich der alte Schur­ke nicht schon lan­ge die un­er­hör­te Be­loh­nung ge­si­chert?

      Ja, es gibt eben doch Din­ge, an de­nen ei­nem Ara­ber mehr liegt als an Geld, Jens­sen! warf der an­de­re ein. Die Ra­che zum Bei­spiel!

      Mag sein. Aber das sagt doch schließ­lich noch lan­ge nicht, dass man’s nicht mal auf eine klei­ne Pro­be mit Gold an­kom­men las­sen könn­te, er­wi­der­te Jens­sen. Mal­bihn zuck­te die Ach­seln. Mit dem Scheich ist nichts an­zu­fan­gen. Wir ver­su­chen es schließ­lich mal mit ei­nem sei­ner Leu­te; aber er sel­ber? Dem kannst du noch so viel Gold hin­wer­fen, der lässt nicht von sei­ner Ra­che. Und wenn wir zu ihm vor sein Zelt kämen und ihm auch nur mit ein paar Wor­ten et­was von Gold und Ähn­li­chem spre­chen, wür­de er si­cher nur noch mehr Ver­dacht schöp­fen … Und – das sage ich dir – wir müss­ten ver­dammt auf der Hut sein. Könn­ten wahr­schein­lich von Glück re­den, wenn wir mit dem Le­ben da­von­kämen.

      Gut also. Ver­su­chen wir es mit Be­ste­chung! pflich­te­te Jens­sen bei. – Aber auch die­ser Ver­such schlug fehl. Es wur­de eine ganz schreck­li­che Ge­schich­te dar­aus. Man hat­te ein paar Tage im La­ger au­ßer­halb des Dor­fes ver­strei­chen las­sen und glaub­te schließ­lich in ei­nem großen, kräf­ti­gen Mann, der schon lan­ge in der Krie­ger­schar des Scheichs die Rol­le ei­nes Un­ter­füh­rers spiel­te, das ge­eig­ne­te Werk­zeug für die Ver­wirk­li­chung des küh­nen Wa­g­nis­ses ge­fun­den zu ha­ben. Der Mann war na­tür­lich dem ver­lo­cken­den Fun­keln der an­ge­bo­te­nen Geld­be­loh­nung er­le­gen, zu­mal er frü­her an der Küs­te ge­lebt hat­te und die Macht, die im Gol­de liegt, nur zu ge­nau kann­te. Und so ver­sprach er den bei­den, ih­nen spät in der Nacht das Ge­wünsch­te zu brin­gen.

      Un­mit­tel­bar nach Ein­tritt der Dun­kel­heit tra­fen die bei­den Wei­ßen ihre An­ord­nun­gen; es galt, das La­ger ab­zu­bre­chen, um auf al­les ge­rüs­tet zu sein. Um Mit­ter­nacht war man be­reit. Die Trä­ger la­gen ne­ben ih­rem Ge­päck. Ein Wink, und der Rück­zug konn­te be­gin­nen. Die be­waff­ne­ten

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