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ho­ben und senk­ten. Sie ver­schwan­den und tauch­ten wie­der auf, wur­den aber im­mer grö­ßer. Ja­cot er­fass­te so­fort, um was es sich da han­del­te: Rei­ter wa­ren das, rich­ti­ge Wüs­ten­rei­ter.

      Schon kam ein Ser­geant zu Ja­cot her­bei­ge­eilt. Die Leu­te blick­ten alle an­ge­strengt nach dem fer­nen Ho­ri­zont. Ja­cot gab ein paar knap­pe Be­feh­le, der Ser­geant grüß­te, mach­te kehrt und ging rasch zu den Leu­ten zu­rück. So­gleich sat­tel­ten die zwölf Mann, die er be­stimmt hat­te, ihre Pfer­de, schwan­gen sich hin­auf und rit­ten den na­hen­den Fremd­lin­gen ent­ge­gen. Der Rest des Trupps mach­te sich fer­tig, um ge­ge­be­nen­falls so­fort in den Kampf ein­grei­fen zu kön­nen. Denn es war ja kei­nes­wegs aus­ge­schlos­sen, dass die Rei­ter, die in ra­sen­dem Tem­po auf das La­ger zu­hiel­ten, Freun­de der Ge­fan­ge­nen wa­ren und die ihre Bluts­ver­wand­ten durch einen plötz­li­chen An­griff be­frei­en woll­ten. Ja­cot be­zwei­fel­te dies in­des­sen, da die Fremd­lin­ge of­fen­bar gar nicht erst den Ver­such mach­ten, un­be­merkt her­an­zu­kom­men. Im Ge­gen­teil, sie rit­ten in vol­lem Ga­lopp und so, dass sie von je­dem deut­lich ge­se­hen wer­den konn­ten, un­mit­tel­bar auf das La­ger zu. Moch­te sein, dass trotz­dem oder ge­ra­de des­halb Ver­rat und Tücke hin­ter die­sem Her­an­na­hen in an­schei­nend freund­li­cher Ab­sicht lau­er­ten. Wer in­des­sen den »Fal­ken« rich­tig kann­te, wür­de sich nie der et­was fa­ta­len Hoff­nung hin­ge­ge­ben ha­ben, dass Ja­cot sich je in solch eine Fal­le lo­cken las­sen könn­te.

      Der Ser­geant war mit sei­nen Rei­tern etwa zwei­hun­dert Me­ter vom La­ger ent­fernt, als er auf die Ara­ber stieß. Ja­cot konn­te deut­lich ver­fol­gen, wie er mit ei­nem großen Mann in weißem Ge­wan­de, of­fen­bar dem Füh­rer der Schar, ver­han­del­te. Bei­de rit­ten schließ­lich Sei­te an Sei­te auf den La­ger­platz zu, wo Ja­cot sie er­war­te­te. Sie zo­gen die Zü­gel straff und stie­gen vom Pfer­de.

      Scheich Amor ben Kha­tur, mel­de­te der Ser­geant kurz und trat ab.

      Haupt­mann Ja­cot blick­te dem An­kömm­ling scharf in die Au­gen. Ihm war so ziem­lich je­der ei­ni­ger­ma­ßen ein­fluss­rei­che Ara­ber im Um­kreis von ein paar hun­dert Mei­len be­kannt, doch den da hat­te er noch nie ge­se­hen. Es war ein statt­li­cher, wet­ter­ge­bräun­ter Mann mit fins­ter-mür­ri­schem Blick; er moch­te sech­zig Jah­re oder äl­ter sein. Sei­ne zu­sam­men­ge­knif­fe­nen Au­gen schie­nen nichts Gu­tes zu ver­hei­ßen; Haupt­mann Ja­cot hat­te we­nigs­tens so­fort die­sen Ein­druck.

      Nun? frag­te er. Was ist los?

      Der Ara­ber mach­te kei­ne lan­gen Um­schwei­fe. Achmet ben Hau­din ist der Sohn mei­ner Schwes­ter, be­gann er. Wenn Sie ihn mir her­aus­ge­ben, will ich ihn un­ter mei­ne Ob­hut neh­men und da­für sor­gen, dass er nie wie­der ge­gen die Ge­set­ze der Fran­ken ver­stößt.

      Ja­cot schüt­tel­te den Kopf. Un­mög­lich, er­wi­der­te er. Ich muss ihn nach mei­nem Stand­ort schaf­fen. Ein be­son­de­res Zi­vil­ge­richt wird über die gan­ze Sa­che zu be­fin­den ha­ben. Ist er un­schul­dig, wird man ihn frei­las­sen. Und wenn er es nicht ist? un­ter­brach ihn der Ara­ber. Ihm wer­den al­ler­dings meh­re­re Mord­ta­ten zur Last ge­legt. Wird ihm eine Schuld oder Mit­schuld auch nur an ei­nem der­ar­ti­gen Ver­bre­chen ein­wand­frei nach­ge­wie­sen, muss er dies mit dem Tode bü­ßen.

      Die Lin­ke des Ara­bers hat­te im Bur­nus ge­steckt. Er zog sie jetzt her­aus und brach­te zu­gleich einen schwe­ren, mit Mün­zen bis oben­an ge­füll­ten Geld­beu­tel aus Zie­gen­le­der her­vor, den er ohne Ver­zug öff­ne­te. Klin­gend roll­te eine Hand­voll Mün­zen in sei­ne Rech­te: Es wa­ren lau­ter gute Gold­stücke. Haupt­mann Ja­cot schloss aus dem im­mer noch pral­len statt­li­chen Beu­tel, dass er ein ganz hüb­sches klei­nes Ver­mö­gen ent­hal­ten moch­te. Scheich Amor ben Kha­tur ließ ein Gold­stück nach dem an­de­ren lang­sam wie­der in den Beu­tel zu­rück­fal­len und zog die Sch­lin­ge oben wie­der zu. Die gan­ze Zeit über hat­te er ge­schwie­gen, wäh­rend Ja­cot jede sei­ner Be­we­gun­gen auf­merk­sam ver­folg­te.

      Die bei­den wa­ren jetzt al­lein. Der Ser­geant, der den Fremd­ling be­glei­tet hat­te, stand ein we­nig ab­seits und dreh­te ih­nen ge­ra­de den Rücken zu. Der Scheich hat­te eben wie­der alle Gold­stücke in sei­nen di­cken Beu­tel zu­rück­glei­ten las­sen, stell­te ihn auf die ge­öff­ne­te Hand und wand­te sich mit un­miss­ver­ständ­li­cher Ge­bär­de jetzt an den Haupt­mann Ja­cot.

      Achmet ben Hau­din, der Sohn mei­ner Schwes­ter, wird die­se Nacht auf un­er­klär­li­che Wei­se ent­flie­hen …? Nicht wahr? flüs­ter­te er.

      Haupt­mann Ar­mand Ja­cot schoss das Blut in den Kopf, dass er bis un­ter die Haar­wur­zeln er­rö­te­te. Dann wur­de er lei­chen­blass. Sei­ne Fäus­te ball­ten sich, und er rück­te einen hal­b­en Schritt an den Ara­ber her­an. Doch plötz­lich kam ihm ein an­de­rer Ge­dan­ke, und der war ent­schie­den bes­ser.

      Ser­geant! rief er mit lau­ter Stim­me. Der Un­ter­of­fi­zier stürz­te so­fort her­zu. Er schlug die Ha­cken zu­sam­men und stand grü­ßend vor sei­nem Vor­ge­setz­ten.

      Brin­gen Sie die­sen brau­nen Hund wie­der zu sei­ner Ban­de zu­rück! be­fahl er. Und se­hen Sie zu, dass die Ge­sell­schaft auf der Stel­le ver­schwin­det. Auf je­den – ganz gleich wer – der sich bei Nacht in der Nähe des La­gers her­um­treibt, wird ein­fach ge­schos­sen.

      Scheich Amor ben Kha­tur rich­te­te sich zu sei­ner gan­zen Grö­ße auf, sei­ne glü­hen­den Au­gen knif­fen sich zu­sam­men, und er folg­te mit dem ver­lo­cken­den Geld­beu­tel den Au­gen des Of­fi­ziers, der ihn von oben bis un­ten maß.

      Mehr als dies da wer­den Sie für das Le­ben Achmet ben Haud­ins, der mei­ner Schwes­ter Sohn ist, zah­len müs­sen! Und, fuhr er fort, noch ein­mal so viel für den net­ten Na­men, den Sie mir eben zu­leg­ten, und das Hun­dert­fa­che an Sor­gen und Qua­len oben­drein!

      Sche­ren Sie sich fort, ehe ich Sie mit ei­nem Fuß­tritt hin­aus­be­för­de­re! stieß Haupt­mann Ar­mand Ja­cot her­vor …

      *

      All dies ge­sch­ah etwa drei Jah­re vor der Zeit, in der un­se­re Er­zäh­lung be­ginnt. Die ge­richt­li­che Un­ter­su­chung in Sa­chen Achmet ben Haud­ins und sei­ner Spieß­ge­sel­len brach­te Un­er­hör­tes an den Tag. Wen es in­ter­es­siert, der mag die of­fi­zi­el­len Be­rich­te nach­le­sen. Achmet er­hielt die ver­dien­te Stra­fe und ging mit der gan­zen stoi­schen Ruhe ei­nes Ara­bers in den Tod. Ei­nen Mo­nat spä­ter war die klei­ne Jean­ne Ja­cot, das sie­ben­jäh­ri­ge Töch­ter­chen des Haupt­manns Ar­mand Ja­cot, mit ei­nem Male auf rät­sel­haf­te Wei­se ver­schwun­den. We­der das Ver­mö­gen von Va­ter und Mut­ter, noch die un­er­schöpf­li­chen Hilfs­quel­len und Maß­nah­men der Re­gie­rung schie­nen aus­zu­rei­chen, um ir­gend­wie Licht in das Dun­kel zu brin­gen. Das Rät­sel war und blieb un­er­gründ­lich, kein Mensch konn­te ir­gen­det­was über das Wo und Wo­hin des Mäd­chens und sei­nes Räu­bers er­fah­ren oder ent­de­cken. Es war gleich­sam, als habe die Wüs­te sie ver­schlun­gen.

      Un­er­hör­te Be­loh­nun­gen hat­te man aus­ge­setzt, und vie­le aben­teu­er­lus­ti­ge Män­ner wa­ren der Lo­ckung die­ser Jagd nach dem Glück ge­folgt.

      Zwei Schwe­den, ein ge­wis­ser Carl Jens­sen und Sven Mal­bihn, wa­ren drei vol­le Jah­re im­mer auf der falschen Spur ge­we­sen. Sie be­fan­den

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