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weiter, mein Sohn.“

      Ich hole tief Luft und schließe kurz die Augen, um mit der Sache herauszurücken, die ich bisher allen verschwiegen habe. Ich öffne sie wieder und traue mich nicht, meinen Eltern in die Augen zu schauen. Stattdessen richte ich sie auf den Becher Kaffee, den meine Mutter vor sich hat.

      „Layla ist Lukes Cousine und ich kannte sie aus der Highschoolzeit. Als du mir sagtest, dass ich heiraten soll, ist Luke auf die Idee einer arrangierten Ehe gekommen. Nach sorgsamer Überlegung hat sich Layla dazu bereit erklärt, wir haben einen Vertrag unterschrieben und die ganze Sache kam ins Rollen.“

      „Du hast uns angelogen?“, fragt meine Mutter argwöhnisch.

      Ich hebe meinen Blick und sehe ihr in die Augen. Irgendwie fühle ich mich wieder wie ein Teenager, der die Schule geschwänzt hat und dabei erwischt wurde. Nur, dass ich diesmal keinen Hausarrest bekommen werde, sondern mit viel Schlimmerem rechnen muss.

      „Anfangs ja, Mom. Wir wollten diese Farce für sechs Monate aufrechterhalten und uns dann scheiden lassen. Jedoch habe ich gemerkt, dass ich mich mit ihr gut fühlte. Sie fing an, mir etwas zu bedeuten. Warum denkst du, bin ich ihr nach Vegas gefolgt? Weil ich wusste, dass ihr Ex da sein wird, und allein der Gedanke daran trieb mich in den Wahnsinn. Während unserer Blitzheirat war sie sturzbetrunken, konnte sich danach nicht mehr daran erinnern und machte mir die Hölle heiß, weil sie dachte, ich hätte sie dazu überredet. Und dann waren wir in Puerto Rico, und ich wollte nichts sehnlicher, als mit ihr zusammen zu sein. Mein Leben hat sich geändert. Zum ersten Mal hat es einen Sinn bekommen.“ Erst jetzt sehe ich meinen Vater an. „Sie hat ihm einen Sinn gegeben, Dad. Sie ist das Licht, das mich aus dem Tunnel geführt hat, und nun bin ich kurz davor, dieses Licht wieder zu verlieren. Sie hat letzte Nacht einen Unfall gehabt und kann sich womöglich nicht mehr an mich erinnern“, erkläre ich, und mit jedem Wort spüre ich, wie meine Stimme schwächer wird und die Tränen in meinen Augen brennen.

      „Sie wird wieder gesund, mein Schatz. Du darfst den Glauben daran nicht verlieren. Ihr werdet wieder zusammen sein.“

      „Mom, sie hat die Ehe annullieren lassen.“

      „Was?“ Geschockt legt sie sich die Hand auf die Brust und reißt die Augen auf.

      „Zwei Tage nach dem Essen bei euch hat sie die Annullierung beantragt.“

      „Aber warum?“, spricht meine Mutter erneut. „An dem Abend seid ihr so liebevoll miteinander umgegangen, ihr wart so verliebt.“

      „Ich weiß es nicht, Mom. Ich habe keine Ahnung, warum sie das getan hat.“ Seufzend schüttele ich den Kopf, dann sehe ich wieder zu meinem Vater rüber. „Du kannst tun, was du für richtig hältst. Schmeiß mich aus der Firma und dreh mir meinetwegen den Geldhahn zu. Ich habe in puncto Ehe versagt.“ Meine Stimme bricht, während mein Vater mich ausdruckslos anstarrt. Ich reibe mir über das Gesicht, atme tief durch und stehe auf.

      Das war’s. Ich habe ihnen gesagt, was sie wissen müssen, bevor sie in irgendeinem Klatschblatt lesen oder von fremden Leuten zu hören bekommen, dass ihr Sohn sich getrennt hat. Sie würden wahrscheinlich erzählen, dass er zwar das Köpfchen hat, um eine Firma zu leiten, aber nicht imstande ist, eine Frau an seiner Seite zu halten.

      Ich bin kurz davor, die Küche zu verlassen, bleibe aber abrupt stehen, da mein Vater anfängt, zu sprechen. „Junge, ich bin stolz auf dich. Du hast frischen Wind in die Firma gebracht.“

      Wow! Mein Herz setzt ein paar Schläge aus. Das hätte ich nicht erwartet. Eher ein: „Du bist enterbt.“

      „Wenn dir diese Frau so viel bedeutet – und nach dem, was du gesagt hast, gehe ich davon aus –, sorge dafür, dass du sie wieder zurückgewinnst. Und wenn sie sich nicht an dich erinnert, dann tu alles, damit sie es wieder tut.“

      Ich schaue über meine Schulter, nicke ihm zu, gehe weiter und verlasse das Haus. Er hat recht. Was mich wundert, ist, dass er nicht wütend auf mich ist. Er hat wohl gemerkt, wie sehr ich Layla liebe, weil er die gleichen Gefühle für meine Mutter hat. Ich bin sprachlos. Also bleibt jetzt abzuwarten, wie sich Laylas Zustand entwickeln wird, und dementsprechend werde ich handeln. Eines ist jedoch sicher: Ich werde sie nicht einfach so aufgeben.

      Zehn Tage sind mittlerweile vergangen und es gibt immer noch keine wesentliche Besserung. Laylas Zustand sei „stabil“, betont der Arzt. Jeden verdammten Tag das Gleiche. Ich kann dieses Wort nicht mehr hören.

      Die meiste Zeit habe ich neben ihr gesessen und an meinem Laptop gearbeitet. Zwischendurch bin ich ins Büro gefahren, um an Meetings teilzunehmen.

      So auch heute. Wir haben ein wichtiges Meeting mit Huawei, um das neue Handy, welches in zwei Monaten auf den Markt kommen soll, mit günstigen Tarifen speziell jüngeren Menschen schmackhaft zu machen. Das Team aus der Werbeagentur ist auch anwesend, um eine neue Strategie festzulegen. Kurz vor Beginn der Verhandlungen rief ich meinen Vater an, der mir viel Glück wünschte und nochmals betonte, wie stolz er auf mich sei.

      Zwei Stunden dauert das Meeting. Zwei Stunden, in denen ich nicht bei Layla sein konnte. Umso mehr freue ich mich nun, zu ihr fahren zu können, um ihr von diesem neuen Deal zu erzählen. Ich weiß, dass sie stolz auf mich sein wird, weil ich die Firma umgekrempelt habe, mehr auf die junge Generation eingehe und mit dem Gedanken spiele, innerhalb der nächsten zwölf Monate in die restlichen Bundesstaaten zu expandieren.

      Von den Konferenzräumen, die sich im Erdgeschoss befinden, nehme ich den Fahrstuhl, um in die siebte Etage zu fahren. Sobald die Türen aufgehen, steige ich aus und bin auf dem Weg in mein Büro, da klingelt mein Handy. Ich hole es aus meiner Hosentasche und schaue auf das Display. Luke ist dran. Er hat mich in den vergangenen Tagen nicht angerufen, da er genau wusste, dass ich die meiste Zeit bei Layla war. Heute habe ich viel im Büro zu tun und will erst gegen Mittag zu ihr. „Luke, was gibt’s?“

      „Sie ist wach, Chris.“

      Oh mein Gott. Sofort bleibe ich stehen und stütze mich an der Wand ab. Mein Herz beginnt zu rasen, meine Beine sind schwer wie Blei. Sie ist wach. Sie ist wirklich wach.

      „Wie geht es ihr?“, krächze ich.

      „Ich weiß es nicht, bin noch in der Schule. Meine Mutter hat mich gerade angerufen. Sie ist bei ihr.“

      „Ich mache mich sofort auf den Weg.“

      Zum Glück ist das Krankenhaus nicht weit von hier entfernt und ich kann in kürzester Zeit bei ihr sein. Als ich an meiner Assistentin vorbeieile, sage ich nur: „Ich bin den Rest des Tages nicht hier.“

      Ich öffne meine Bürotür, schnappe mir mein Jackett und die Autoschlüssel und verlasse schnell das Gebäude, bevor noch irgendein Mitarbeiter auf die Idee kommt, mich anderweitig zu beschäftigen.

      Als ich in den Gang, der zur Intensivstation führt, abbiege, weist mich eine Schwester darauf hin, dass Layla in ein normales Zimmer verlegt wurde. Also mache ich mich auf die Suche nach diesem Zimmer. Nachdem ich dort angekommen bin, sehe ich, dass die Tür offen steht, bleibe stehen und schaue hinein.

      Sie liegt im Bett und der Arzt sitzt neben ihr, hält eine Art Tablet in der Hand und macht Notizen. An eine Wand gelehnt steht Lukes Mutter, die mich mit einem ernsten Gesichtsausdruck ansieht.

      Plötzlich nimmt Layla mich wahr und schaut zu mir herüber. Ihre Augen fixieren mich. Sie starrt mich an und wirkt neugierig. Vielleicht fragt sie sich, was ich hier zu suchen habe. Der Arzt schaut über seine Schulter und wirft mir einen warnenden Blick zu. Schon gut. Sie ist gerade erst zu sich gekommen, da werde ich bestimmt nichts tun, um sie wieder aufzuregen. Tiefe Furchen bilden sich auf Laylas Stirn, und als ich auf sie zugehen will, kommt Lukes Mutter zu mir und packt mich am Arm.

      „Christopher, ich muss mit dir reden.“ Mrs. Thompson zieht mich in eine Ecke des Zimmers und sieht mich mit ernster Miene an. „Christopher“, beginnt sie und stoppt. Was ist los? Ich sehe ihr an, dass sie versucht, die richtigen Worte zu finden. Ihr Blick huscht rüber zu Layla und dann wieder

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