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empfand –? Also, schloß er, wenn ich Geld habe, will ich wissen, was ich mir dafür kaufen kann.

      Ja, natürlich, sagte Studmann und hatte nichts von der Verwirrung des Freundes gemerkt, sondern spann munter seinen eigenen Gedankenfaden fort. Natürlich waren wir falsch davor. Ich habe entdeckt, daß neunundneunzig Prozent der Menschen sich sehr um das Geld quälen müssen, daß sie Tag und Nacht daran denken, davon reden, es einteilen, sparen, wieder anfangen – kurz, daß Geld das ist, worum sich die Welt dreht. Daß es einfach lächerlich lebensfremd ist, nicht an das Geld zu denken, nicht davon reden zu wollen – das wichtigste, was es gibt!

      Aber ist das denn richtig?! rief Prackwitz aus, verzweifelt über den neuen Geisteszustand des Freundes. Ist das denn etwa schön –? Bloß leben, um das bißchen Hunger satt zu kriegen?!

      Gewiß ist es nicht richtig. Gewiß ist es nicht schön, stimmte Studmann zu. Aber danach wird nicht gefragt, vorläufig ist es so. Und wenn es so ist, darf man nicht die Augen zukneifen, sondern muß sich damit beschäftigen. Und wenn man es nicht schön findet, muß man sich fragen, wie ändert man es?

      Studmann, fragte von Prackwitz ganz bestürzt und verzweifelt, Studmann, du bist doch nicht etwa Sozi geworden –?

      Der ehemalige Oberleutnant sah einen Augenblick so bestürzt und verblüfft aus, als habe man ihn eines Meuchelmordes verdächtigt. Prackwitz, sagte er, alter Kriegsgenosse, die Sozis denken doch über das Geld genauso wie du! Nur möchten sie es dir wegnehmen, damit sie es haben. Nein, Prackwitz, ein Sozi bin ich gewiß nicht. Und werde es auch nicht.

      Aber was bist du denn? fragte von Prackwitz. Zu irgendeiner Gruppe oder Partei mußt du doch schließlich gehören.

      Wieso? fragte von Studmann. Warum muß ich das eigentlich?

      Ja, ich weiß nicht, sagte von Prackwitz, ein wenig verblüfft. Zu irgendetwas gehört doch schließlich jeder von uns, das ist doch schon wegen der Wahlen. Irgendwie muß man sich doch einordnen, ins Glied treten. Es ist gewissermaßen – ordentlich!

      Wenn es für mich aber noch keine Ordnung gibt? fragte von Studmann.

      Ja … sagte Prackwitz nachdenklich. Ich weiß noch, erinnerte er sich, ich hatte da mal so einen Kerl in der Schwadron, einen Schnöffel sagten wir ja immer, einen Sektierer, wie hieß er doch? Grigoleit, jawohl, Grigoleit! Ein ganz proprer, ordentlicher Mann. Aber er weigerte sich, einen Karabiner oder ein Seitengewehr anzufassen. Bitten half nichts, Stauchen half nichts, Strafen half nichts. ›Zu Befehl, Herr Leutnant‹, sagte er – ich war Leutnant, es war noch im Frieden. ›Aber ich darf es nicht. Sie haben Ihre Ordnung und ich habe meine Ordnung. Und weil ich meine Ordnung habe, darf ich mich nicht an ihr versündigen. Einmal wird ja doch meine Ordnung Ihre Ordnung sein …‹ Und solches Zeug, irgendein Sektierer, Pazifist, aber von der anständigen Sorte, nicht diese Drückeberger, die ›Nie wieder Krieg!‹ schreien, weil sie feige sind … Nun, man hätte ihm natürlich das Leben zur Hölle machen können. Aber der Alte war auch vernünftig und sagte:

      ›Er ist ja bloß ein armer Idiot!‹ Und so wurde er D. U. 15 geschrieben, weißt du, wegen bestehender Geisteskrankheit …

      Der Rittmeister schwieg nachdenklich, vielleicht sah er den dicken, rundköpfigen Grigoleit mit dem weißblonden Haar vor sich, der so gar nicht nach einem Märtyrer aussah.

      Studmann aber lachte hell heraus. O Prackwitz! rief er. Du bist doch noch immer der Alte! Und wie du mir hier eben in aller Unschuld Idiotie und bestehende Geisteskrankheit bescheinigt hast – ohne es auch nur zu merken –, das erinnert mich doch sehr lebhaft daran, wie du damals nach dem Manöver unserm Alten, der wahnsinnig schlecht abgeschnitten hatte, zum Trost von einem Major erzähltest, der sogar bei der Manöverkritik vor der versammelten Generalität vom Gaul gefallen war, und doch nicht den blauen Brief bekommen hatte! Und weißt du noch –?

      Damit verloren sich die beiden Freunde in gemeinsame Erinnerungen, ihre Stimmen wurden lebhafter. Aber das machte nichts. Jetzt fing das Café an, sich zu füllen. Geschäftig liefen die Kellner, trugen schon die ersten Biergläser, Stimmen schwirrten. Das Gespräch der beiden war nur eines von vielen.

      Nach einer Weile aber, als sie sich genug erinnert und genug gelacht hatten, sagte der Rittmeister: Ich möchte dich auch noch was fragen, Studmann. Ich sitze da so allein auf meiner Klitsche und höre und sehe immer nur dieselben Leute. Aber du bist hier in der Großstadt und noch dazu in solchem Betriebe, und sicher hörst und weißt du mehr als wir alle.

      Ach, wer weiß denn heute was?! fragte Studmann und lächelte. Glaub mir, selbst Herr Ministerpräsident Cuno hat keine Ahnung, was morgen wird.

      Aber Prackwitz ließ sich nicht beirren. Er saß ein wenig zurückgelehnt, die langen Beine übereinandergeschlagen, rauchte mit Wohlbehagen und sprach: Du denkst vielleicht, der Prackwitz ist fein raus, er hat ein Rittergut und ist ein großer Mann. Aber ich sitze nicht fest, ich muß sehr vorsichtig sein. Neulohe gehört nicht mir, es gehört meinem Schwiegervater, dem alten Herrn von Teschow – ich habe ja schon lange vor dem Kriege die kleine Eva Teschow geheiratet – ach, verzeih, du kennst ja meine Frau! Nun, ich habe Neulohe gepachtet von meinem Schwiegervater – und der alte Knabe hat den Pachtzins nicht billig gemacht, das kann ich dir sagen. Manchmal habe ich ekelhafte Sorgen. – Jedenfalls muß ich sehr vorsichtig sein. Neulohe ist unsere einzige Existenz, und wenn mir was passiert – der alte Mann liebt mich nicht, der nimmt mir die Klitsche bei dem kleinsten Anlaß sofort wieder ab.

      Und was kann dir passieren? fragte Studmann.

      Ja, sieh mal, ich bin ja kein Einsiedler und die Eva erst recht nicht, und so haben wir unser bißchen Verkehr in der Gegend, und natürlich auch mit den Kameraden von der Reichswehr. Und da hört man denn so allerlei. Und geflüstert wird auch, direkt und indirekt.

      Und was hört man und was sieht man?

      Daß etwas losgehen soll, Studmann, wieder einmal. Man ist ja auch nicht blind. Das ganze Land steckt voll bei uns von Leuten, Arbeitskommandos nennen sie sich, aber du mußt sie nur sehen. ›Schwarze Reichswehr‹ wird geflüstert.

      Das kann wegen Entente und Kontrollkommission sein, Schnüffelkommission, sagte von Studmann.

      Natürlich – und daß sie Waffen vergraben und wieder ausgraben und wegholen, das kann auch darum sein. Aber es ist nicht nur darum, Studmann, es wird mehr geflüstert, es ist mehr zu sehen. Kein Zweifel: es wird auch in der Zivilbevölkerung geworben, vielleicht schon in meinem eigenen Dorf. Der Besitzer erfährt ja immer zuletzt davon, daß der Hof brennt. An Neulohe grenzt Altlohe, und da sind viele Industriearbeiter, und das bedeutet natürlich Feindschaft bis aufs Messer mit uns vom Hof und mit den Bauern in Neulohe. Denn wo die einen zu essen haben, und die andern haben Hunger, da ist es wie in einem Pulverfaß – und geht es in die Luft, fliege ich mit.

      Ich sehe noch nicht recht, wie du da etwas hindern kannst, sagte von Studmann.

      Hindern … Aber vielleicht werde ich mich entscheiden müssen, ob ich mitmache oder nicht? Man will doch nicht unkameradschaftlich sein. Es sind doch die alten Kameraden bei der Reichswehr, Studmann, und wenn die was riskieren wollen und die Karre aus dem Dreck holen, und man wäre dann nicht dabei gewesen – man müßte sich ja zu Tode schämen! Ja, und vielleicht ist doch alles nur Gequatsche, Gemache von ein paar Abenteurern, aussichtsloser Putsch – und darum Hof und Auskommen und Familie riskieren …

      Der Rittmeister sah Studmann fragend an. Der meinte: Hast du denn niemanden bei der Reichswehr, den du beiseite nehmen und auf Ehre und Gewissen fragen kannst –?

      Gott, fragen, Studmann! Natürlich kann ich fragen, aber wer weiß denn was? Bei so was wissen doch nur drei, vier wirklich Bescheid, und die antworten dir bestimmt nicht. – Hast du mal von einem Major Rückert gehört?

      Nein, sagte Studmann. Von der Reichswehr?

      Ja, siehst du, Studmann, das ist es ja gerade! Dieser Rückert soll der Mann sein, welcher … Aber ich kann nicht einmal rausbringen, ob er zur Reichswehr gehört oder nicht. Die einen sagen ja, die andern sagen nein, und die ganz Schlauen zucken die Achseln und sagen: ›Das weiß er vielleicht selber nicht!‹

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