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Wolf unter Wölfen. Ханс Фаллада
Читать онлайн.Название Wolf unter Wölfen
Год выпуска 0
isbn 9783985223411
Автор произведения Ханс Фаллада
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Herr Feld schrieb noch eine Weile weiter. Dann steckte er die Feder ins Faß, lehnte sich etwas zurück und sagte: Ein Dollar, mit dem Koffer, Herr Leutnant. Wie gesagt, die Sachen sind – nicht modern. Sein Blick fiel auf die Wanduhr. Es war zehn Minuten vor zwölf. Und zum gestrigen Dollarkurs.
Einen Augenblick wollte sich Wolfgang ärgern. Es war die frechste Beutelschneiderei von der Welt! Einen Augenblick überkam es Wolfgang leise, leise, als müsse er auch an den Peter denken – Waschzeug und sein uralter Sommerpaletot waren zur Zeit ihr einziger Besitz, aber ebenso rasch kam der Gedanke: ›Zecke gibt Geld. Und wenn nicht er, ich habe noch immer Geld geschafft!‹ – Und er sagte mit einer raschen Handbewegung, die zeigen sollte, wie wenig es darauf ankam: Also, in Ordnung! Her mit dem Zaster! Vierhundertvierzehntausend!
Es war wirklich ein Dreck, wenn er bedachte, daß er gestern abend nahezu dreißig Millionen auf Null verspielt hatte. Und man mußte lachen über solche Mikrobe wie den Feld, der sich um diesen Dreck abmühte, um diese lächerlichen Beträge!
Der Onkel, der böse, zähe Onkel, die Mikrobe, kletterte langsam von seinem Kontorbock herunter, ging zum Safe, wühlte eine Weile darin und zählte Wolfgang dann vierhunderttausend Mark auf.
Fehlen noch vierzehn, sagte Wolfgang.
Vier Prozent Skonto gehen wie handelsüblich für Barzahlung ab, sagte Herr Feld. Macht eigentlich dreihundertachtundneunzigtausend. Zweitausend schenke ich Ihnen, weil Sie alter Kunde sind.
Wolfgang lachte: Tüchtig sind Sie nun einmal, Onkelchen! Sie kommen zu was, passen Sie auf! Ich werde dann Chauffeur bei Ihnen, ja?
Herr Feld nahm es ernst. Er protestierte: Von Ihnen mich fahren lassen, Herr Leutnant! Nein, nicht einmal umsonst! Wo es Ihnen doch auf gar nichts ankommt, nicht einmal auf Ihre Sachen. Nein, nein … Und wieder ganz der Pfandleiher: Also wenn wieder einmal etwas ist, Herr Leutnant. Bis dahin!
Pagel ließ die Scheine mit dem schönen Holbeinischen Bild des Kaufmanns Georg Giße – der sich auch nicht gegen den Mißbrauch seiner Person wehren konnte – in der Hand knistern und sagte lachend: Wer weiß, vielleicht verhilft mir dies zu einem eigenen Auto!
Die Miene des Pfandleihers blieb sorgenvoll, er schrieb. Lachend trat Wolfgang auf die Straße.
3
Nach der ekelhaften Verhandlung in der Schnitter-Vermittlung, fand Rittmeister von Prackwitz, hatte er ein wenig Ausspannung verdient. Aber wo ging man hin, so am frühen Vormittag? Dies war eine Zeit, um die der Rittmeister bisher noch nicht oft unterwegs gewesen war in Berlin. Schließlich fiel ihm ein Hotel-Café in der Friedrichstadt ein, wo man angenehm sitzen und vielleicht ein paar gut angezogene Frauen sehen konnte.
Der erste Mensch, den der Rittmeister in der Hotelhalle sah, war natürlich ein Bekannter. (Prackwitz traf in ›seiner‹ Gegend – natürlich nicht am Schlesischen Bahnhof – immer Bekannte. Oder Bekannte von Bekannten. Oder Verwandte. Oder Bekannte von Verwandten. Oder Kameraden vom Regiment. Oder Kameraden aus dem Krieg. Oder Baltikumer. Oder ›Schnöffels‹, wie man im Rrrr’ment die Muschkoten früher genannt hatte. Er kannte in aller Welt alle Welt.)
Diesmal war es sogar ein Regimentskamerad, Oberleutnant von Studmann.
Herr von Studmann stand in der Halle, tadelloser Gehrock, spiegelnde Schuhe (zu so früher Stunde!), und schien einen Augenblick über das Wiedersehen etwas verlegen. Aber der Rittmeister merkte in seiner Freude, einen Gefährten für die zwei Stunden Wartezeit gefunden zu haben, nichts davon.
Studmann, Alter – großartig, daß ich dich mal wiedersehe! Ich habe zwei Stunden Zeit für dich. Hast du schon Kaffee getrunken –? Ich will grade – zum zweitenmal, heißt das. Aber der erste auf dem Schlesischen rechnet nicht, er war schauerlich. Wann haben wir uns eigentlich das letzte Mal gesehen? In Frankfurt – zum Offizierstreffen? Na, egal, jedenfalls bin ich froh, dich mal wiederzusehen. Aber komm doch, da drinnen sitzt man ganz gemütlich, wenn ich mich recht erinnere …
Oberleutnant von Studmann sagte sehr leise und deutlich, aber etwas mühsam: Gerne, Prackwitz – sobald es meine Zeit erlaubt. Ich bin nämlich – äh – Empfangschef in diesem Laden. Ich will nur erst mal die Gäste vom Neun-Uhr-vierzig-Zug …
Au verdammt! sagte der Rittmeister plötzlich ebenso leise und ganz verdüstert. Die Inflation, was –? Diese Gauner! Na, ich kann auch ein Lied singen!
Von Studmann nickte trübe, als sei ihm selbst das Liedsingen schon längst vergangen. Angesichts des langen, glatten, energischen Gesichts wollte Prackwitz sich eines gewissen Abends erinnern, da man das E. K. Erster dieses selben Studmann gefeiert hatte – es war Anfang fünfzehn gewesen, tatsächlich das erste E. K. Erster, das an das Regiment gefallen war … Er wollte sich an das lachende, frohe, übermütige, allerdings rund acht Jahre jüngere Gesicht dieses selben Studmann erinnern, aber da sagte der grade: Jawohl, Portier, sofort … Er wendete sich mit einer bedauernden, vertröstenden Bewegung an von Prackwitz und ging dann auf eine ziemlich umfangreiche Dame im staubgrauen Seidenmantel zu: Bitte sehr, gnädige Frau –?
Einen Augenblick sah der Rittmeister zu, wie der Freund dort stand, leicht vorgeneigt, und mit ernstem, doch freundlichem Gesicht den heftig vorgebrachten Wünschen oder Beschwerden der Dame lauschte. Dabei stieg ein Gefühl tiefer Trauer in ihm auf, gestaltloser, alles durchdringender Trauer: ›Zu nichts Besserem gut?‹ fragte es in ihm. Etwas wie Scham überkam ihn, als habe er den Kameraden bei etwas Entwürdigendem, Entehrendem beobachtet. Er wandte sich rasch ab und trat in das Café.
Im Hotel-Café war die frühe, vormittägliche Stille, die dort immer herrscht, wenn nur erst die Hausgäste da sind, das Straßenpublikum noch nicht seinen Einzug gehalten hat. Wenige Gäste saßen paarweise oder einzeln an weit voneinander gelegenen Tischen. Eine Zeitung raschelte, ein Paar sprach halblaut, die Kaffeekännchen aus Neusilber glänzten matt, ein Löffel klirrte an einer Tasse. Die wenig beschäftigten Kellner standen still an ihren Plätzen; einer zählte behutsam Bestecke, wobei er jeden unnötigen Lärm vermied.
Der Rittmeister hatte rasch einen zusagenden Platz gefunden. Der sofort auf die Bestellung folgende Kaffee war so gut, daß er sich vornahm, Studmann ein paar anerkennende Worte zu sagen.
Aber er verwarf den Gedanken sofort wieder: ›Das könnte ihn ja beschämen‹, dachte er. ›Oberleutnant von Studmann und ein wirklich frisch gebrühter Hotelkaffee!‹
Der Rittmeister versuchte zu ergründen, warum ihn denn schon wieder dieses Gefühl der Beschämung überkam, als tue Studmann etwas Verbotenes, ja, Unanständiges.
›Es ist doch Arbeit wie jede andere‹, dachte er verwundert. ›So beschränkt sind wir doch alle nicht mehr, daß wir eine Arbeit geringer achten als die andere. Schließlich sitze ich ja auch nur von Schwiegervaters Gnaden auf Neulohe und kratze ihm seine Pacht zusammen – mit vielen Sorgen. Woran liegt es also –?‹
Plötzlich überkam es ihn, daß es vielleicht daran liegen mochte, daß Studmann diese Arbeit nur gezwungen tat. Ein Mann muß arbeiten, gewiß, wenn er vor sich ein Recht haben will, zu sein. Aber es gibt einen freien Willen in der Wahl der Arbeit; verhaßte Arbeit, nur um des Geldes willen, schändet. – ›Er würde sich ja nie diese Arbeit gewählt haben‹, dachte er. ›Es gab keine Wahl für ihn.‹
Und ein Gefühl hilflosen Hasses überfiel den Rittmeister Joachim von Prackwitz. Irgendwo in dieser Stadt stand eine Maschine – natürlich eine Maschine, Menschen würden sich nie zu so etwas mißbrauchen lassen! – und erbrach Tag und Nacht Papier über die Stadt, das Volk. ›Geld‹ nannten sie es, sie druckten Zahlen darauf, wunderbare, glatte Zahlen mit vielen Nullen, die immer runder wurden. Und wenn du gearbeitet hast, wenn du dich geschunden hast, wenn du dir etwas erspart hast auf deine alten Tage – es ist schon alles wertlos geworden, Papier, Papier – Dreck!
Und