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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
Читать онлайн.Название Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9783962817695
Автор произведения Guy de Maupassant
Жанр Языкознание
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Bookwire
Ich konnte mich aber nicht entschliessen. Da kleidete sie sich schleunigst an und ging fort.
Acht Tage verstrichen, ohne dass ich sie zu sehen bekam. Am neunten erschien sie wieder, blieb mit ernster Miene auf der Schwelle stehen und fragte:
»Willst Du diese Nacht bei mirr in meinen Arrrmen rruhen? Kommst Du nicht, so war ich zum letzten Male hier.«
Acht Tage, lieber Freund, ist eine lange Zeit, und in Afrika kommen sie einem wie ein Monat vor.
»Ja!« rief ich, die Arme öffnend, in die sie sich mit einem Freudenschrei stürzte.
Als die Nacht hereingebrochen war, wartete sie in einer benachbarten Strasse auf mich und geleitete mich zu ihrem Heim.
Sie bewohnten in der Nähe des Hafens ein kleines niedriges Haus. Wir durchschritten zuerst eine Küche, die zugleich als Speisezimmer diente, und gelangten dann in ein weißgetünchtes sauberes Gemach mit Fotografien der Verwandten an den Wänden und Papierblumen unter Glasglocken. Marroca schien vor Freude närrisch geworden zu sein.
»Jetzt bist Du hier, jetzt bist Du zu Hause!« rief sie, im Zimmer umhertanzend, ein über das andere Mal aus.
Und ich tat wirklich, als ob ich zu Hause wäre. Anfangs war ich etwas verlegen, das muss ich gestehen, ja sogar etwas ängstlich. Als ich zögerte, in dieser fremden Wohnung mich eines gewissen Kleidungsstückes zu entledigen, ohne dass ein Mann, wenn er überrascht wird, ebenso linkisch wie lächerlich erscheint und zu jeder Handlungsweise unfähig wird, entriss sie es mir mit Gewalt und trug es mit meinen anderen Sachen in das benachbarte Gemach.
Endlich fand ich meine Sicherheit wieder und suchte ihr dies nach Kräften und so gut zu beweisen, dass wir nach Verlauf von zwei Stunden noch nicht an Ruhe dachten, als plötzlich laute Schläge gegen die Türe uns erzittern Hessen.
»Ich bin’s, Marroca!« rief eine starke männliche Stimme.
»Mein Mann! Schnell, verbirg Dich unterm Bett!« flüsterte sie, in die Höhe fahrend. Ganz verwirrt suchte ich nach meinen Beinkleidern, aber sie drängte mich: »Geh doch, geh doch!«
Ich streckte mich der Länge nach auf dem Bauche aus und lag nun lautlos unter diesem Bette, auf welchem es mir so wohl gewesen war.
Sie schlüpfte in die Küche. Ich hörte, wie sie einen Schrank öffnete, ihn wieder schloss und irgendetwas herbeibrachte, das ich nicht sehen konnte, das sie aber schnell irgend wohin legte; dann, als ihr Mann ungeduldig wurde, antwortete sie mit fester ruhiger Stimme: »Ich finde die Streichhölzerrr nicht.«
»Ah, jetzt habe ich sie«, rief sie dann plötzlich, »ich öffne schon.« Und sie ging hinaus.
Ihr Mann kam herein. Ich sah nur seine Füsse, zwei enorme Füsse. Wenn das Übrige dazu im Verhältnis stand, so müsste es ein wahrer Hüne sein.
Ich hörte Küsse, dann einen Patsch auf die blosse Haut und Lachen.
»Ich habe meine Börse vergessen«, sagte er mit Marseiller Akzent, »deshalb musste ich umkehren. Hoffentlich kannst Du nachher ruhig schlafen.«
Er begab sich an die Kommode und suchte lange, was ihm fehlte, während Marroca sich auf ihr Bett warf, als käme sie vor Müdigkeit um. Hierauf ging er wieder zu ihr hin und versuchte zweifellos seine Zärtlichkeit an ihr, denn sie überhäufte ihn in wirren Redensarten mit einer Flut von rollenden »r«.
Ihre Füsse waren mir so nahe, dass mich ein törichtes, sinnloses und unerklärliches Verlangen ergriff, sie leise zu streicheln. Glücklicherweise konnte ich mich noch beherrschen.
Er schien seinen Zweck übrigens nicht zu erreichen, denn er wurde ärgerlich und sagte:
»Du bist sehr unliebenswürdig heute.« Aber schliesslich musste er gehen. »Adieu Kleine.«
Ein neuer Kuss, die großen Füsse wandten sich fort und verschwanden in der Küche. Die Haustüre schloss sich wieder.
Ich war erlöst!
Langsam, beschämt und niedergeschlagen verliess ich mein Versteck; und während Marroca, immer noch ganz unbekleidet, laut lachend und mit den Händen klatschend um mich herumtanzte, ließ ich mich schwerfällig auf einen Stuhl fallen. Aber mit einem Satze sprang ich wieder in die Höhe; etwas Kaltes lag unter mir, und da ich nicht mehr an hatte, als meine Gefährtin, so war mir diese Berührung sehr empfindlich gewesen.
Als ich mich umwandte, sah ich, dass ich mich auf ein kleines Beil gesetzt hatte, scharf wie eine Messerklinge, wie man es zum Holzspalten gebraucht. Wie war es dahin gekommen? Beim Eintreten hatte ich es noch nicht bemerkt.
Marroca sah meinen erstaunten Blick und lachte überlaut, sie schrie vor Vergnügen, während sie sich vor Lachen die Seiten hielt.
Ich fand dieses Lachen sehr wenig am Platze; es ärgerte mich ordentlich. Wir hatten doch einfach um unser Leben gespielt; es überlief mich noch kalt, wenn ich daran dachte. Und nun dieses fast beleidigende Lachen!
»Wenn Dein Mann mich nun aber entdeckt hätte?« fragte ich.
»Keine Not«, antwortete sie kurz.
»Was, keine Not?« Sie ist närrisch geworden, dachte ich. »Er brauchte sich doch nur zu bücken, um mich zu bemerken!«
Sie lachte nicht mehr; sie lächelte nur noch, indem sie mich mit ihren großen starren Augen ansah, in denen neue Begehrlichkeit aufflammte.
»Er hätte sich nicht gebückt.«
»Aber erlaube ’mal«, fuhr ich fort, »er brauchte z. B. nur seinen Hut fallen zu lassen. Er hätte ihn doch sicher aufgehoben, und dann … mir wäre es nett gegangen in diesem Kostüm da.«
Sie legte ihre runden kräftigen Arme auf meine Schultern, und ihre Stimme mässigend, als wollte sie sagen, »ich bete Dich an«, murmelte sie leise:
»Errr hätte sich nicht wiederr aufgerrrichtet.«
»Wieso denn?« fragte ich verständnislos.
Sie zwinkerte boshaft mit einem Auge und streckte ihre Hand nach dem Stuhle aus, auf dem ich sass. Ihre gekrümmten Finger, die Falten auf ihren Wangen, die spitzen glänzenden Raubtierzähne, das alles zeigte mir schon, wozu das kleine Holzbeil dienen sollte, dessen scharfe Schneide im Lichte glänzte.
Sie tat, als ob sie es ergriffe, zog mich mit der linken Hand ganz nahe an sich heran, presste ihre Hüfte an die meinige und führte mit der rechten eine Bewegung aus, wie wenn man einem knienden Menschen den Kopf spaltet …
*