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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
Читать онлайн.Название Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9783962817695
Автор произведения Guy de Maupassant
Жанр Языкознание
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Bookwire
Doch nun zu meiner Geschichte!
Ich übergehe die erste Zeit meines Aufenthaltes in Algier. Nachdem ich Bona, Constantine, Biskra und Setif besucht hatte, kam ich durch die Schluchten von Chabet nach Bougie. Wir hatten einen unvergleichlich schönen Weg mitten durch die Wälder der Kabylen zurückgelegt; derselbe zieht sich in einer Höhe von zweihundert Metern dem Meere entlang und folgt den Windungen des Hochgebirges bis zum herrlichen Golf von Bougie, der ebenso schön wie der von Neapel, Ajaccio und Douarnenez ist. Allerdings nehme ich hierbei die unvergleichliche Bucht von Porto an der Westküste Corsikas aus, mit ihrer Einfassung aus rotem Granit, innerhalb deren man die blutroten Steinriesen, im Volksmunde die »Calanches« von Piana genannt, erblickt.
Von weitem, ganz von weitem, bevor man um die große Bucht kommt, in der die stillen Wasser schlummern, erblickt man Bougie. Es ist an den steilen Hängen eines hohen, von Wäldern gekrönten Berges erbaut; ein weißer Pieck auf diesem grünen Hange, wie ein schäumender Wasserfall, der sich ins Meer ergiesst.
Sobald ich den Fuss in dieses bezaubernde Städtchen gesetzt hatte, wurde es mir zur Gewissheit, dass ich hier lange verweilen würde. Überall ringsum haftet das Auge auf eine Reihe zackiger wildromantischer Hügel mit bizarren Spitzen, die so dicht zusammenhängen, dass man kaum das offene Meer erblicken kann und den Golf für einen See halten möchte. Das blaue, milchfarbene Wasser ist von wunderbarer Durchsichtigkeit; und der azurne Himmel, so azurblau, als habe er einen doppelten Farbenanstrich erhalten, lacht über dem Ganzen in seiner ergreifenden Pracht.
Bougie ist die Stadt der Ruinen. Wenn man ankommt, so erblickt man am Quai einen so großartigen Trümmerhaufen, dass man sich in eine Märchenwelt versetzt glaubt; das epheuumrankte alte Sarazenen-Tor. Und in dem waldigen Gebirge rings um die Stadt herum findet man überall Ruinen, Reste römischer Mauern, Denkmäler aus der Sarazenen-Zeit, Überbleibsel arabischer Baukunst.
Ich hatte in der oberen Stadt ein maurisches Häuschen gemietet. Du kennst ja diese Wohnungen der Beschreibung nach. Sie haben nach Aussen hin keine Fenster, sondern empfangen von oben bis unten ihr Licht von dem inneren Hofe her. Im ersten Stock befindet sich ein großer Saal, in dem man sich tagsüber aufhält, und ganz oben eine Terrasse, wo man die Nächte zubringt.
Ich folgte sofort der Gewohnheit jener heissen Länder, d. h. ich hielt stets nach dem Frühstück meine Siesta. Es sind dies die drückendsten Stunden des Tages, wo man vor Hitze kaum noch atmet, wo die Gassen, die Plätze, die blendenden Strassen verödet sind, wo alle Welt schläft oder wenigstens in möglichst unbekleidetem Zustande zu schlafen versucht.
In meinem mit Säulen von arabischer Bauart geschmückten Saale hatte ich einen großen behaglichen, mit Teppichen von Djebel-Amur bedeckten Divan aufstellen lassen. So ziemlich in Adams Kostüm streckte ich mich auf demselben aus; aber einsam wie ich war, konnte ich keine Ruhe finden.
Zwei Qualen auf dieser Welt gibt es, liebster Freund, die ich nicht gerne kennen lernen möchte; nämlich der Durst nach Wasser und die unbefriedigte Sehnsucht nach einem weiblichen Wesen. Welche von beiden ist wohl die schlimmere? Ich weiß es selbst nicht. In der Wüste würde man manchesmal die schrecklichsten Dinge begehen, um nur ein Glas frischen klaren Wassers zu erlangen. Was gäbe man in gewissen Küstenstädten nicht für ein hübsches frisches und gesundes Mädchen? Es fehlt ja in Afrika nicht an Mädchen, es ist sogar Überfluss daran; aber, um bei meinem Vergleich stehen zu bleiben, sie gleichen in ihrer Art dem übelriechenden faulen und schlammigen Wasser, das man in den Brunnen der Sahara findet.
So versuchte ich nun eines schönen Tages wieder, als ich abgespannter wie gewöhnlich war, vergeblich die Augen zu schliessen. Meine Glieder zitterten, als brennten Nesseln darin; in ängstlicher Unruhe warf ich mich auf meinem Divan hin und her, und schliesslich hielt ich es nicht mehr aus. Ich sprang auf und begab mich ins Freie.
Es war ein schrecklich heisser Juli-Nachmittag. Das Strassenpflaster strahlte eine Hitze wie ein Backofen aus, das Hemd war im Augenblick feucht und klebte einem am Leibe, und am ganzen Horizont schwebte ein leichter weißlicher Dunst, der verzehrende Hauch des Sirokko, dessen Hitze man greifen zu können glaubt.
Ich ging in der Richtung auf das Meer zu hinunter und folgte, beim Hafen angelangt, dem Hange, welcher sich längs der lieblichen Bucht hinzieht, in der die Bäder liegen. Das steile, mit Gebüsch und stark duftenden Pflanzen bewachsene Gebirge umragt von allen Seiten diese Bucht, längs deren ganzem Ufer sich mächtige Felsblöcke in der stillen Flut baden.
Hier draussen sah man kein menschliches Wesen; nichts rührte sich, kein Tier gab einen Laut, kein Vogel strich durch die Lüfte. Jedes Geräusch war verstummt; selbst das Meer schien unter den brennenden Strahlen der Sonne erstarrt zu sein, sodass man nicht einmal das Plätschern des Wassers vernahm. Dagegen glaubte ich in der kochenden Luft ein Knistern wie von Feuer zu hören.
Plötzlich schien es mir, als wenn ich hinter einem der Felsen, die zur Hälfte in der schweigenden Wasserfläche untergetaucht waren, eine leichte Bewegung bemerkte. Ich wandte mich um und erblickte ein hochgewachsenes Mädchen, welches hier, wo es sich in diesen Stunden der Hitze völlig ungestört glauben mochte, ohne jede Bekleidung sein Bad nahm. Bis zur Brust im Wasser stehend, wandte sie ihren Blick dem Meere zu und plätscherte leicht mit den Händen, ohne mich zu bemerken.
Was konnte es Bezaubernderes geben, als dieses Bild: das schöne Weib in dem Wasser, so durchsichtig, wie ein Glas unter der Pracht dieses südlichen Himmels! Und sie war schön, wunderbar schön sogar, dieses hochgewachsene Weib mit dem Körper einer Marmorstatue.
In diesem Augenblick wandte sie sich um; sie stiess einen Schrei aus und verbarg sich, halb schwimmend, halb gehend, sofort hinter ihrem Felsen.
Da sie doch wieder ’mal zum Vorschein kommen musste, so setzte ich mich am Hange hin und wartete geduldig. Da kroch sie ganz sachte wieder hervor und zeigte ihren mit schwarzen wirren Haaren dichtbewachsenen Kopf. Sie hatte einen breiten Mund, aufgeworfene lüsterne Lippen, große begehrliche Augen, und ihre ganze durch das Klima leicht gebräunte Haut hatte das Aussehen von altem Elfenbein, hart und weich zugleich, mit einem Worte ein herrlicher Typus der weißen Rasse, dem aber die Sonne Afrikas ihr eigenartiges Kolorit verliehen hatte.
»Gehen Sie fort!« rief sie mir zu. Ihre volle Stimme, die, wie ihre ganze Erscheinung, etwas Kräftiges