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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
Читать онлайн.Название Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9783962817695
Автор произведения Guy de Maupassant
Жанр Языкознание
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Bookwire
Der maurische Diener öffnete die Tür und ich stieg die Treppe herauf, deren Wände durch das von oben einfallende Licht des sinkenden Tagesgestirns azurfarben leuchteten.
Bald hatte ich die Terrasse erklommen, nicht ohne einen lebhaften Ruf der Befriedigung auszustossen. Denn man sah von hier aus Algier, den Hafen, die Rhede und sogar die entfernter liegenden Küsten.
Das Haus, welches sich der Kapitän gekauft hatte, war eine alte arabische Wohnung und lag im Zentrum der Stadt zwischen den labyrinthartigen Gässchen, in denen die eingeborene Bevölkerung der afrikanischen Küste hauset.
Unter uns stiegen die flachen viereckigen Dächer wie riesige Stufen bis zu den schrägen Dächern der europäischen Stadt empor. Hinter diesen bemerkte man die Masten verankerter Schiffe, dann sah man schliesslich das Meer in seiner vollen Grösse blau und ruhig unter dem blauen und ruhigen Himmel.
Wir streckten uns auf weichen Matten, den Kopf von Kissen gestützt; und langsam den köstlichen Kaffee zur Neige schlürfend, sah ich dem Erscheinen der ersten Sterne am dunklen Horizont zu. Man bemerkte sie kaum erst, so weit entfernt und fahl, wie eben angezündete Lämpchen sahen sie aus.
Eine leichte Wärme, besser gesagt eine geflügelte Wärme, umschmeichelte die Schläfen. Zuweilen kam ein heisserer, drückenderer Hauch mit einem unbestimmbaren Dufte, dem Duft Afrikas, zu uns herüber; es war der Odem der nahen Wüste, der über die Hügel des Atlas her uns umwehte.
»Welch ein Land!« sagte der Kapitän, behaglich auf dem Rücken liegend. »Wie angenehm ist das Leben, wie erquickend, wie wohltuend die Ruhe! Sind diese Nächte nicht zum Träumen geschaffen?«
Ich betrachtete immer noch die aufgehenden Sterne mit einer behaglichen und zugleich lebhaften Neugierde, mit einer Art einschläfernden Wohlbefindens.
»Sie könnten mir eigentlich wohl etwas aus Ihrem Leben im Süden erzählen«, sagte ich.
Kapitän Marret war einer der ältesten Afrikaner unserer Armee, ein alter Spahi, der von der Pike auf gedient und sich mit dem Säbel in der Faust seinen jetzigen Rang erworben hatte.
Seinen Liebenswürdigkeiten, seinen freundschaftlichen Beziehungen verdankte ich eine herrliche Wüstenreise, und ich hatte ihm diesen Abend für alles danken wollen, ehe ich nach Frankreich zurückkehrte.
»Welche Art von Geschichten ziehen Sie vor?« fragte er; »es sind mir während der zwölf Jahre Wüstenlebens so viele Abenteuer passiert, dass ich sie fast schon vergessen habe.«
»Erzählen Sie mir von den arabischen Frauen«, bat ich.
Er antwortete nicht, sondern blieb, die Hände rückwärts unter den Kopf gelegt, auf seiner Matte liegen. Ich verspürte nur zuweilen den Rauch seiner vortrefflichen Zigarre, der sich kerzengrade in dieser windstillen Nacht emporringelte. Dann brach er plötzlich in ein herzliches Lachen aus:
»Ach ja! Eine komische Geschichte aus meiner ersten Zeit in Afrika muss ich Ihnen erzählen.
Wir hatten damals in der afrikanischen Armee noch ganz sonderbare Käuze, wie man sie jetzt nicht mehr kennt; Leute, deren Typus Sie so ergötzt hätte, dass Sie Ihr ganzes Leben hätten in diesem Lande zubringen mögen.
Ich war damals noch einfacher Spahi, ein kleiner Spahi von zwanzig Jahren, ganz blond, ein Tollkopf, dabei geschmeidig und kräftig, kurz ein Soldat, lieber Freund, wie man sie in Afrika braucht. Man hatte mich dem Militärposten von Boghar zugeteilt. Sie kennen Boghar, das man den Altan des Südens nennt; Sie haben von der Spitze des Forts dieses glühende, ausgesaugte, nackte, von Winden durchwehte, steinige und raue Land gesehen. Es ist wirklich das Vorzimmer der Wüste, die glühende stolze Grenze der unermesslichen Region der gelben Einsamkeit.
Gut! Wir waren in Boghar ungefähr vier Dutzend Spahis, eine muntere Gesellschaft, ferner eine Eskadron Chasseurs d’Afrique, als wir eines Tages hörten, dass der Stamm der Ouled-Berghi einen englischen Reisenden ermordet habe. Niemand wusste, wie der Mann es fertig gebracht hatte, in das Innere zu gelangen; aber die Engländer haben den Teufel im Leibe.
Gerechtigkeit musste nun wegen dieses Verbrechens an einem Europäer geübt werden; indessen der Oberkommandant zögerte mit Absendung einer Kolonne, da er einen Engländer vielleicht so viel Aufhebens gar nicht für wert hielt.
Da plötzlich machte ein Wachtmeister der Spahis, als der Kommandant noch mit dem Lieutenant während des Rapports über diese Angelegenheit sprach, den Vorschlag, den Stamm zu züchtigen, wenn man ihm nur sechs Mann mitgeben wolle.
Sie wissen, dass man im Süden etwas freier ist, als in den städtischen Garnisonen, und dass zwischen Offizieren und Mannschaften eine Art Kameradschaft besteht, die man sonst nicht kennt.
Bei den Worten des Wachtmeisters lachte der Kapitän.
»Du, mein Braver?«
»Jawohl, mein Kapitän! Und wenn’s verlangt wird, führe ich Ihnen den ganzen Stamm als Gefangene her.«
Der Kommandant, der viel auf den Zufall gab, nahm ihn beim Wort:
»Morgen früh kannst Du mit sechs Mann Deiner Wahl abmarschieren, und hol’ Dich der Teufel, wenn Du Dein Wort nicht hältst.«
Der Unteroffizier lachte in seinen Bart:
»Seien Sie unbesorgt, mein Kommandant! Spätestens Mittwoch Mittag sind die Gefangenen hier.«
Dieser Wachtmeister, Mohammed Fripouille, wie wir ihn nannten, war ein äusserst verschlagener Kerl, ein Türke, ein ganz echter, der nach einem vielbewegten und zweifellos etwas dunklem Leben in französische Dienste getreten war. Er war viel herumgekommen, in Griechenland, Kleinasien, Ägypten, Palästina, und mochte auf diesem Wege manche hübsche Geschichte ausgefressen haben. Er war ein echter Baschi-Bozuk, kühn, zügellos, wild und lustig, aber von der ruhigen Art der Orientalen. Er war dick, sehr dick sogar, aber gewandt wie ein Affe, und ritt ganz vorzüglich. Seine unverhältnismässig langen und dicken Schnurrbartenden machten auf mich stets den Eindruck zweier gekreuzter Krummsäbel. Er hasste die Araber wie die Pest und behandelte sie, wo er konnte, mit ausgesuchter tückischer Grausamkeit;