Скачать книгу

als woll­ten sie sich ge­gen­sei­tig zum Lie­bes­wett­kamp­fe her­aus­for­dern.

      Mecha­nisch schau­te das jun­ge Mäd­chen dem Trei­ben der Hüh­ner zu, und als es dann die Au­gen auf­schlug, war es wie ge­blen­det von dem An­blick der blü­hen­den Obst­bäu­me, die wie be­schneit aus­sa­hen.

      Plötz­lich mach­te ein jun­ges Huhn in tol­lem Über­mut ei­ni­ge Luft­sprün­ge und rann­te dann mehr­mals an dem mit Bäu­men be­pflanz­ten Gra­ben auf und ab; dann blieb es ste­hen, wand­te den Kopf und schi­en sich sehr zu ver­wun­dern, dass es al­lein war.

      Auch sie spür­te Lust her­um­zu­lau­fen, sich Be­we­gung zu ma­chen und da­bei hät­te sie sich gleich­zei­tig doch eben­so­gern nie­der­ge­legt, hät­te die Glie­der ge­streckt und sich in der lau­en Luft aus­ge­ruht. Noch un­ent­schlos­sen ging sie ei­ni­ge Schrit­te und mach­te, von ei­nem tie­ri­schen Be­hag­lich­keits­ge­fühl be­seelt, die Au­gen zu; dann be­gab sie sich lang­sam in den Hüh­ner­stall, um nach Ei­ern zu su­chen. Sie brach­te de­ren dreis­sig heim und ord­ne­te sie im Schran­ke; doch der Kü­chen­ge­ruch wur­de ihr aufs Neue läs­tig und sie ging aber­mals hin­aus, um sich et­was ins Gras zu set­zen.

      Das Ge­höft, von Bäu­men um­schat­tet, schi­en im Schla­fe zu lie­gen. Das hohe Gras, aus dem der gel­be Lö­wen­zahn wie klei­ne Flämm­chen her­vor­stach, trug ein sat­tes Grün, das neue Grün des Früh­lings. Rings um den Fuss der Ap­fel­bäu­me bil­de­te de­ren Schat­ten einen dunklen Kreis, und die Stroh­dä­cher der Häu­ser, aus de­ren Gip­fel die schwert­ar­ti­gen Blät­ter der Iris her­vor­rag­ten, dampf­ten et­was, als ob die Feuch­tig­keit der Scheu­nen und Stäl­le durch das Stroh ent­wi­che.

      Die Magd kam zu dem Wa­gen­schup­pen, wo man die Kar­ren und sons­ti­ges Acker­ge­rät auf­be­wahr­te. Dort be­fand sich an der Bie­gung des Gra­bens eine große Gru­be, in wel­cher zahl­lo­se Veil­chen ih­ren zar­ten Duft ver­brei­te­ten, und über de­ren Rand hin­weg man auf das Feld se­hen konn­te. Es war eine große Flä­che, auf der das Ge­trei­de her­an­wuchs; da­zwi­schen stan­den ein­zel­ne Baum­grup­pen. Hin und wie­der be­merk­te man in der Fer­ne ar­bei­ten­de Men­schen, die sich wie Pup­pen aus­nah­men, Schim­mel so groß wie ein Spiel­zeug, die ein Kin­der­kärr­chen zo­gen und von ei­nem Man­ne ge­führt wür­den, der nicht hö­her schi­en, wie ein Fin­ger.

      Sie hol­te aus der Scheu­ne ein Stroh­bün­del und warf es in die Gru­be, um sich dar­auf zu set­zen; aber es pass­te ihr so noch nicht und sie lös­te das Stroh­band, brei­te­te das Bün­del aus und leg­te sich, die Hän­de un­ter den Kopf und die Füs­se lang­ge­streckt, auf den Rücken.

      Ganz lang­sam schloss sie die Au­gen in süs­ser Be­hag­lich­keit halb ent­schlum­mernd. Sie wäre bei­na­he ganz ein­ge­schla­fen, hät­te sie nicht plötz­lich auf ih­rer Brust zwei Hän­de ge­spürt, in­fol­ge des­sen sie mit ei­nem Satz in die Höhe sprang. Es war Jac­ques, der Knecht, ein großer, wohl­ge­wach­se­ner Pi­car­de, der ihr seit ei­ni­ger Zeit schon nach­ging. Er ar­bei­te­te ge­ra­de in der Schä­fe­rei, und da er ge­se­hen hat­te, dass sie ihr schat­ti­ges Plätz­chen auf­such­te, war er ganz lei­se, mit ver­hal­te­nem Atem und lüs­ter­nen Au­gen, die Haa­re noch voll Stroh, her­bei­ge­schli­chen.

      Er ver­such­te sie zu küs­sen; aber sie stiess ihn, eben­so stark wie er, mit Leich­tig­keit von sich; und er bat sie heuch­le­risch um Ver­zei­hung. Dann setz­ten sie sich bei­de hin und plau­der­ten freund­schaft­lich. Sie spra­chen vom Wet­ter, das so güns­tig für die Ern­te wäre, von der schö­nen Jah­res­zeit, von ih­rem Herrn, wie gut er sei, dann von den Nach­barn, vom gan­zen Lan­de, von ih­nen selbst, von ih­rem Dor­fe, ih­rer Ju­gend, ih­ren Erin­ne­run­gen, ih­ren El­tern, die sie auf so lan­ge Zeit, viel­leicht für im­mer hät­ten ver­las­sen müs­sen. Ihr wur­de weich zu Mute, als sie an al­les die­ses dach­te, und er, mit sei­nem un­be­zähm­ba­ren Ver­lan­gen, rück­te wie­der nä­her zu ihr hin, so­dass ihre Schul­tern sich be­rühr­ten und er vor Be­gehr­lich­keit er­schau­er­te.

      »Ich habe mei­ne Mut­ter lan­ge nicht ge­se­hen«, sag­te sie; »es ist hart, wenn man im­mer so ge­trennt ist.« Und ihr Auge schweif­te sin­nend in die Fer­ne, über den gan­zen Ho­ri­zont, weit nach Nor­den, tief da un­ten, wo ihr Hei­mats­dörf­chen lag.

      Plötz­lich nahm er die Ge­le­gen­heit wahr, um­arm­te sie und woll­te sie von Neu­em küs­sen; aber sie schlug ihm mit der ge­schlos­se­nen Faust so kräf­tig ins Ge­sicht, dass sei­ne Nase zu blu­ten an­fing. Er sprang auf und stütz­te sich an einen Baum­stumpf. Da wur­de sie doch mit­lei­dig, und auf ihn zu­ge­hend frag­te sie:

      »Hat es Dir sehr wehe ge­tan?«

      Er fing an zu la­chen. Nein, es wäre nichts ge­we­sen; sie hät­te nur ge­ra­de die falsche Stel­le ge­trof­fen. »Ver­fluch­te Hexe!« sag­te er lei­se für sich und sah sie voll Be­wun­de­rung an; ein ge­wis­ser Re­spekt, eine Zu­nei­gung ganz an­de­rer Art, der An­fang ei­ner wirk­li­chen Lie­be zu die­sem ke­cken Mäd­chen hat­te ihn er­grif­fen.

      Als das Blut zu trop­fen auf­ge­hört hat­te, schlug er ihr vor, einen klei­nen Gang zu ma­chen, denn er fürch­te­te die star­ke Hand sei­ner Nach­ba­rin, wenn sie so nahe bei­sam­men ge­blie­ben wä­ren. Aber sie nahm von selbst sei­nen Arm, wie es die Ver­lob­ten bei ih­ren abend­li­chen Spa­zier­gän­gen ma­chen und sag­te:

      »Das ist nicht brav von Dir, Jac­ques, dass Du so we­nig Ach­tung vor mir hast.«

      Er wi­der­sprach. Nein, an Ach­tung feh­le es ihm nicht; aber er sei eben furcht­bar ver­liebt.

      »Du willst mich also wirk­lich hei­ra­ten?« frag­te sie ihn.

      Er zö­ger­te an­fangs, dann sah er sie von der Sei­te an, wäh­rend ihre Au­gen wie­der traum­ver­lo­ren in die Fer­ne schweif­ten. Sie hat­te rote vol­le Wan­gen, ihr kat­tu­ne­nes Leib­chen um­schloss eine vol­le, üp­pi­ge Brust, ihre Lip­pen wa­ren frisch und an ih­rem halb­of­fe­nen Hal­se glänz­ten klei­ne Schweiß­perl­chen. Er fühl­te sich von neu­er Lei­den­schaft be­wäl­tigt, und in­dem er sei­nen Mund ih­rem Ohre nä­her­te, flüs­ter­te er:

      »Ja, ich wer­de Dich hei­ra­ten.«

      Da um­schlang sie sei­nen Hals mit bei­den Ar­men und küss­te ihn so lan­ge, bis sie bei­de fast den Atem ver­lo­ren.

      Von die­ser Zeit an be­gann für sie die alte und doch ewig neue Lie­bes­ge­schich­te. Sie hock­ten in al­len Win­keln zu­sam­men, sie tra­fen sich beim Mon­den­schein im Schut­ze ei­nes Heu­sch­obers und tra­ten sich beim Es­sen mit ih­ren schwe­ren be­schla­ge­nen Schu­hen un­ter dem Ti­sche fast die Knie blau.

      Dann schi­en Jac­ques all­mäh­lich die Ge­schich­te lang­wei­lig zu fin­den; er ging Rose aus dem Wege, sprach nicht mehr mit ihr und ver­mied es, al­lein mit ihr zu­sam­men zu sein. In ihr stie­gen lang­sam Zwei­fel an sei­ner Treue auf und es be­mäch­tig­te sich ih­rer eine tie­fe Trau­rig­keit. Nach ei­ni­ger Zeit fühl­te sie, dass ihr Um­gang mit Jac­ques nicht ohne Fol­gen ge­blie­ben war.

      An­fangs wuss­te sie in ih­rer Be­stür­zung kei­nen Rat, dann aber ge­riet sie in hef­ti­gen Zorn, der sich von Tag zu Tag stei­ger­te, weil er sorg­fäl­tig je­des Zu­sam­men­tref­fen mit ihr ver­mied.

      Sch­liess­lich ei­nes Nachts, als al­les im Hofe schlief, schlüpf­te sie lei­se nur im Rock aus ih­rer Kam­mer, husch­te

Скачать книгу