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auf­fal­len­de Be­we­gung; man hät­te glau­ben sol­len, ein un­ge­heu­res Tier käme da­her, wel­ches bald sich schlan­gen­ar­tig ver­län­ger­te, bald wie­der sich zu ei­ner Ku­gel zu­sam­men­ball­te und un­ter den wun­der­bars­ten Sprün­gen nach rechts und links bald ste­hen blieb und bald wie­der wei­ter­lief.

      Plötz­lich kam die­se wan­deln­de Mas­se auf uns zu und ich er­kann­te jetzt, dass es ein Dut­zend ver­spreng­te Ula­nen wa­ren, die in flot­tem Tra­be, in der Ko­lon­ne zu ei­nem, die Stras­se zu ge­win­nen such­ten.

      Sie wa­ren bald so nahe, dass ich deut­lich das Schnau­ben der Pfer­de, das Ras­seln der Sä­bel und so­gar das Knar­ren der Sät­tel un­ter­schei­den konn­te.

      ›Feu­er!‹ rief ich.

      Fünf­zig Schüs­se knall­ten durch die stil­le Nacht, de­nen noch wei­te­re vier oder fünf und dann schliess­lich noch ein ein­zel­ner Schuss folg­te. Als der Pul­ver­dampf sich ver­zo­gen hat­te, sah man, dass die zwölf Ula­nen und neun ih­rer Pfer­de ge­fal­len wa­ren. Drei Tie­re rann­ten in vol­ler Kar­riè­re da­von, und das eine von ih­nen schlepp­te den Leich­nam sei­nes Rei­ters im Steig­bü­gel hin­ter sich her.

      Ein Sol­dat hin­ter mir stiess ein häss­li­ches Ge­läch­ter aus, wäh­rend ein an­de­rer sag­te: ›Da gibt es Wit­wen‹. Er moch­te wohl selbst ver­hei­ra­tet sein. Ein Drit­ter rief; ›Das ging schnell‹.

      Sie hob den Kopf aus den schüt­zen­den Män­teln ›Was gib­t’s‹ frag­te sie, ›ein Ge­fecht?‹

      ›Es ist nichts, mein Fräu­lein!‹ ant­wor­te­te ich, ›wir ha­ben ein Dut­zend Preus­sen weg­ge­bla­sen‹.

      ›Die ar­men Leu­te‹ mur­mel­te sie und schlüpf­te frös­telnd wie­der un­ter ihre war­me Um­hül­lung.

      Wir mar­schier­ten lang­sam und vor­sich­tig wei­ter. End­lich grau­te der Tag; der Schnee wur­de hel­ler, er fing an zu glit­zern und zu leuch­ten. Im Wes­ten zeig­te sich ein ro­si­ger Schim­mer.

      Qui vive?‹ rief eine Stim­me von Wei­tem. Das gan­ze De­ta­che­ment mach­te Halt und ich ging vor, um uns zu er­ken­nen zu ge­ben.

      Wir hat­ten die fran­zö­si­sche Pos­ten­ket­te er­reicht. Als mei­ne Leu­te vor dem Pos­ten vor­bei­ka­men, frag­te mich ein hö­he­rer Of­fi­zier zu Pfer­de, dem ich mei­ne Mel­dung mach­te, mit ei­ner Hand­be­we­gung auf die Bah­re deu­tend:

      ›Was ha­ben Sie denn da?‹

      So­fort kam aus den Män­teln ein ro­si­ger Blond­kopf her­vor und ant­wor­te­te la­chend:

      ›Mei­ne We­nig­keit, mein Herr!‹

      Un­ter den Mann­schaf­ten er­hob sich ein all­ge­mei­nes Ge­läch­ter und man sah ih­ren Ge­sich­tern die freu­di­ge Stim­mung an, die sie be­herrsch­te.

      Pfif­fi­kus, der ne­ben der Bah­re ging, lüf­te­te sein Käp­pi und rief: ›Vi­ve la Fran­ce!‹

      Ich für mei­ne Per­son war, ich weiß nicht recht warum, ganz ge­rührt; so hübsch und ga­lant fand ich dies. Es kam mir vor, als hät­ten wir das Va­ter­land ge­ret­tet, als hät­ten wir ir­gend eine Tat voll­bracht, die an­de­ren nicht be­schie­den war, ir­gend eine ein­fa­che und da­bei doch wahr­haft pa­trio­ti­sche Tat.

      Ich wer­de die­ses nied­li­che Ge­sicht in mei­nem Le­ben nicht wie­der ver­ges­sen; und wenn ich mei­ne An­sicht über die Ab­schaf­fung der Tam­bours und Spi­el­leu­te äus­sern soll­te, ich wür­de vor­schla­gen, sie in je­dem Re­gi­ment durch ein hüb­sches Mäd­chen zu er­set­zen. Das wür­de noch bes­ser wir­ken, als der Klang der Mar­seil­lai­se. Teu­fel auch! wie das die Mann­schaf­ten be­le­ben wür­de, wenn sie ne­ben dem Oberst eine Ma­don­na wie die­se, eine wirk­li­che le­ben­de Ma­don­na se­hen wür­den.«

      Er schwieg ei­ni­ge Mi­nu­ten, dann sag­te er, noch ein­mal mit ei­ner Mie­ne der volls­ten Über­zeu­gung den Kopf er­he­bend:

      »Es bleibt da­bei, wir lie­ben die Frau­en: Un­ser zwei­tes Frank­reich.«

      *

      Schon oft hat­te mein al­ter Freund (man hat zu­wei­len Freun­de, die viel äl­ter sind wie wir) der Dok­tor Bon­net, mich ein­ge­la­den, ei­ni­ge Zeit bei ihm in Riom zu­zu­brin­gen. Da ich die Au­ver­gne noch nicht kann­te, so ent­schloss ich mich end­lich, im Som­mer 1876 zu ihm zu ge­hen.

      Als ich ei­nes Mor­gens mit dem Früh­zu­ge dort ein­traf, war die ers­te Ge­stalt, wel­che ich auf dem Per­ron be­merk­te, die des Dok­tors. Er trug einen grau­en An­zug und einen run­den schwar­zen Hut aus wei­chem Filz mit brei­tem Ran­de, des­sen ho­her Bo­den sich nach oben zu wie ein Ofen­rohr ver­eng­te; ein ech­ter Au­ver­gna­ten-Hut, der für einen Köh­ler ge­macht schi­en. So be­klei­det ließ der Dok­tor mit sei­nem schmäch­ti­gen Kör­per un­ter der hel­len Ge­wan­dung, auf dem sein di­cker Blond­kopf thron­te, auf den ers­ten Blick den al­ten Jung­ge­sel­len er­ken­nen.

      Er um­arm­te mich mit je­ner auf­fal­len­den un­ge­stü­men Freu­de, mit wel­cher die Pro­vinz­ler die An­kunft lan­ger­sehn­ter Freun­de zu be­grüs­sen pfle­gen und rief voll Stolz, in­dem er mit weit­aus­ge­streck­ter Hand rings­um deu­te­te: »Schau, das ist die Au­ver­gne.« Ich sah wei­ter nichts Be­son­de­res, als eine Rei­he von Ber­gen vor mir, de­ren ab­ge­stumpf­te Ke­gel auf ehe­ma­li­ge Vul­ka­ne schlies­sen lies­sen.

      Dann wies er mit dem Fin­ger auf den Na­men der Sta­ti­on, der am Bahn­ho­fe an­ge­bracht war, und sag­te fei­er­lich:

      »Riom, die Hei­mat der Be­am­ten, der Stolz des Be­am­ten­tums, wel­ches in kür­zes­ter Zeit mehr noch die Hei­mat der Ärz­te sein dürf­te.«

      »Wie­so?« frag­te ich.

      »Wie­so?« ant­wor­te­te er la­chend. »Dre­hen Sie den Na­men um, dann ha­ben Sie mori, mo­ri­tu­ri … Se­hen Sie, lie­ber Freund, wes­halb ich mich hier nie­der­ge­las­sen habe.«

      Und sich ent­zückt über die­sen Scherz die Hän­de rei­bend, zog er mich mit sich fort.

      So­bald ich eine Tas­se heis­sen Kaf­fee ge­trun­ken hat­te, ging es an die Be­sich­ti­gung der al­ten Stadt. Ich be­wun­der­te das Haus des Arz­tes und die üb­ri­gen se­hens­wer­ten Häu­ser; sie wa­ren alle schwarz, sa­hen aber im Üb­ri­gen mit ih­ren Faça­den aus ge­haue­nem Stein ganz hübsch aus, wie klei­ne Nip­pessa­chen. Ich be­wun­der­te wei­ter die Sta­tue der heil. Jung­frau, der Schutz­pa­tro­nin der Flei­scher, und er­fuhr hier­bei die Ge­schich­te ei­nes nied­li­chen Aben­teu­ers, wel­che ich viel­leicht spä­ter ’mal er­zäh­len wer­de. Dann sag­te mir Dok­tor Bon­net:

      »Jetzt bit­te ich mich für fünf Mi­nu­ten zu ei­nem Kran­ken­be­su­che zu ent­schul­di­gen; dann wer­de ich Sie auf den Hü­gel Cha­tel-Guy­on füh­ren und Ih­nen noch vor dem Früh­stück den Ge­samt-An­blick der Stadt und der gan­zen Puy-de-Dome-Ket­te zei­gen. Sie kön­nen mich auf dem Trot­toir er­war­ten, ich gehe nur her­auf und her­un­ter.«

      Er ver­liess mich, als wir uns ei­nem je­ner al­ten, fins­te­ren, stum­men und trau­ri­gen Häu­ser ge­gen­über be­fan­den, wie man sie noch öf­ters in den klei­nen Pro­vinz­städ­ten fin­det. Die­ses hier schi­en mir üb­ri­gens

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