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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
Читать онлайн.Название Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9783962817695
Автор произведения Guy de Maupassant
Жанр Языкознание
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Bookwire
Schwärmer behaupten, dass sich auf dem tiefsten Grunde des Meeres unermesslich große bläuliche Felsen befänden, auf denen die Ertrunkenen mitten zwischen den großen Fischen durch das Gezweige seltsamer Wälder in kristallene Grotten gewälzt würden. Der Fluss hat nur schwarze Untiefen, auf deren Grunde man verfault. Aber er ist doch schön, wenn er von der aufgehenden Sonne bestrahlt wird und leise murmelnd mit seinen Wellen am schilfbedeckten Ufer plätschert.
Der Dichter singt vom Ozean:
O Wogen, die Ihr schauervolle Dinge wisst,
Ob deren Graus so mancher Mutter Träne fliesst,
Auf Eurem Weg von hier durchs weite große Meer
Erzählt Ihr’s Euch, und kommt Ihr abends wieder her,
Beweint Ihr selbst mit tiefem jammervollen Ton
Der Mutter Schmerz, der Ihr entrisst den letzten Sohn.
Nun gut; ich bin überzeugt, dass die Geschichten, welche die schlanken Schilfrohre mit ihren zarten, leisen Stimmchen erzählen, oft noch viel grausiger klingen, als die seltsamen Schauermärchen, die aus dem Gebrüll der Wogen widerhallen.
Aber da Sie mich gerade nach Erinnerungen fragen, so will ich Ihnen ein seltsames Abenteuer erzählen, welches mir hier vor ungefähr zehn Jahren passiert ist.
Ich wohnte damals, wie heute noch, im Hause der Mutter Lafon, und einer meiner besten Kameraden, Ludwig Bernet, der jetzt auf seine Kähne, sein Schiffszeug und seine Freiheit verzichtet hat, um Mitglied des Staatsrates zu werden, hatte sich damals im Dorfe C…, zwei Meilen weiter abwärts, niedergelassen. Wir assen jeden Tag zusammen, bald bei mir, bald bei ihm.
Eines Abends, als ich ganz allein und ziemlich müde zurückkam und mein großes Boot, einen wahren Ozean von zwölf Fuss Länge, dessen ich mich nachts gewöhnlich bediente, nur mühsam fortbrachte, machte ich einen Augenblick in der Nähe der schilfbewachsenen Ecke da unten, ungefähr hundert Meter vor der Eisenbahnbrücke, Halt, um etwas Atem zu schöpfen. Es war herrliches Wetter, der Mond leuchtete mit seinem sanften ruhigen Licht, der Fluss glänzte weithin und die Luft war lind und ruhig. Diese Ruhe steckte mich an; ich dachte mir, es müsse sich an diesem stillen Plätzchen herrlich ein Pfeifchen rauchen lassen. Gesagt, getan! ich ergriff meinen Anker und warf ihn aus.
Die Kette spielte sich, da das Boot mit dem Strome fuhr, bis zum letzten Gliede ab; dann hing ich fest. Ich machte es mir im Hinterteil des Bootes auf meinem Schaffell so bequem wie möglich. Man hörte Nichts, rein gar Nichts; nur hin und wieder glaubte ich, ein leises, fast unhörbares Plätschern des Wassers am Ufer zu vernehmen und ich sah, dass einige höher emporragende Schilfhalme ein eigentümliches Aussehen annahmen und sich zeitweilig etwas bewegten.
Der Fluss war vollkommen ruhig, aber ich fühlte mich seltsam von diesem Schweigen bewegt, welches mich umgab. Alle Tiere schwiegen; selbst die Frösche und Unken, die nächtlichen Sänger der Sümpfe. Plötzlich quakte rechts vor mir ein Frosch; dann schwieg er wieder und ich hörte weiter Nichts mehr. Um mich zu zerstreuen, setzte ich meine Pfeife aufs Neue in Brand, aber, obschon ich ein leidenschaftlicher Raucher war, so konnte ich doch nicht auf den richtigen Geschmack kommen. Nach einigen Zügen krampfte sich mein Inneres zusammen und ich hörte auf. Ich stimmte ein Liedchen an, aber der Klang meiner Stimme missfiel mir. Dann legte ich mich auf den Boden hin und starrte zum Himmel hinauf. Eine Zeit lang lag ich so ruhig da, bis eine leichte Bewegung des Kahnes mich aufs Neue beunruhigte. Es war mir, als beschriebe er große Bogen und stiesse während dessen an beiden Ufern an; dann glaubte ich, dass ein unsichtbares Wesen oder irgend eine verborgene Gewalt ihn sanft auf den Grund des Wassers zöge und ihn gleich darauf emporschnelle, um ihn zurückfallen zu lassen. Ich fühlte mich umhergeschleudert wie bei einem heftigen Sturme; ich hörte um mich herum allerhand sonderbare Töne. Mit einem Satze sprang ich auf; das Wasser glänzte wie bisher, und alles war ruhig.
Ich fühlte meine Nerven etwas erregt und beschloss aufzubrechen. Ich zog an der Ankerkette und der Kahn setzte sich in Bewegung; dann fühlte ich einen Widerstand und zog stärker, aber der Anker kam nicht in die Höhe. Er musste sich in der Tiefe an etwas festgeklammert haben, das ich nicht emporheben konnte; ich zog von Neuem, aber vergebens. Dann griff ich zum Ruder und wendete den Kahn stromaufwärts, um die Lage des Ankers zu verändern; auch das war umsonst, er gab nicht nach. Zornig riss ich mit aller Gewalt an der Kette, es rührte sich nichts. Entmutigt setzte ich mich nieder und begann über meine Lage nachzudenken. Ich durfte nicht daran denken, die Kette zu zersprengen oder sie vom Fahrzeug loszubekommen, denn sie war sehr dick und ausserdem durch einen Holzpflock befestigt, der stärker war, als mein Arm. Da aber das Wetter sehr schön blieb, so konnte ich hoffen, dass in kurzer Zeit schon Fischer vorbeikommen würden, die ich dann um Hilfe bitten wollte. Ich beruhigte mich über mein Missgeschick und zündete mir eine neue Pfeife an. Eine Flasche Rum hatte ich gerade zur Hand, und nachdem ich einige Schluck aus derselben getan hatte, begann ich über meine Lage zu lachen. Es war so warm, dass ich zur Not ganz gut die Nacht im Freien zubringen konnte.
Plötzlich tönte ein kleiner Schlag gegen die Bootswand; ich erschrak und der kalte Schweiß brach mir aus allen Poren. Dieses Geräusch war zweifellos durch ein Stückchen Holz hervorgebracht, das die Strömung mit sich führte, aber es hatte genügt, um meine Nerven von Neuem aufzuregen. Ich griff wieder zur Kette und riss mit verzweiflungsvoller Kraft daran; der Anker sass fest. Erschöpft setzte ich mich wieder nieder.
Mittlerweile hatte sich der Fluss allmählich mit einem weißen dichten Nebel bedeckt, der sehr niedrig auf dem Wasser lag, sodass ich, als ich mich aufrichtete, weder den Fluss, noch meine Füsse, noch meinen Kahn sah; dagegen bemerkte ich wohl die Spitzen des Schilfrohres, dann weiterhin die blass im Mondlicht schimmernde Ebene, mit großen schwarzen zum Himmel emporstrebenden Figuren darauf, welche durch einzelne Pappelgruppen gebildet wurden. Ich war bis zum Gürtel wie in ein Leinwandtuch von seltsamer Weiße gehüllt, und unwillkürlich entstanden in meinem Gehirn die sonderbarsten Fantasiegebilde. So schwebte mir das Gefühl vor, irgendetwas mir Fremdes wolle meinen Kahn besteigen und der in diesem dichten Nebel versteckte Fluss sei mit seltsamen