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Ver­än­de­rung ein­tritt.

      Rose ging in je­ner Nacht nicht zu Bett. Sie sass auf dem­sel­ben und hat­te nicht ’mal mehr die Kraft zu wei­nen; so fas­sungs­los war sie. Re­gungs­los sass sie da; sie fühl­te ihre Glie­der kaum, und ihre Ge­dan­ken wa­ren ent­schwun­den, als hät­te sie ihr je­mand mit ei­nem je­ner In­stru­men­te her­aus­ge­schnit­ten, de­ren sich die Woll­käm­mer be­die­nen, um die Wol­le der Ma­trat­zen aus­zu­zup­fen.

      Hin und wie­der nur sam­mel­te sie müh­sam einen Rest von Nach­den­ken und such­te sich aus­zu­ma­len, was nun wer­den soll­te.

      Ihre Be­sorg­nis wuchs im­mer mehr, und je­des Mal, wenn durch die tie­fe Stil­le der Nacht die große Kü­chen­uhr lang­sam den Ver­lauf ei­ner Stun­de an­kün­dig­te, brach ihr der Angst­schweiß aus. Im­mer trüber wur­de ihr Ver­stand, im­mer hef­ti­ger der Druck auf ih­rem Kop­fe, ihr Licht war aus­ge­brannt; zu­letzt fing sie rich­tig an zu fie­bern. Sie ver­fiel in eine Art leich­ten Fan­ta­sie­rens, wie man es ge­ra­de auf dem Lan­de bei Leu­ten fin­det, die sich von ei­nem schwe­ren Schick­sals­schla­ge be­droht füh­len. Ein wahn­sin­ni­ges Ver­lan­gen, dem­sel­ben zu ent­ge­hen, ab­zu­rei­sen, ge­wis­ser­mas­sen vor dem dro­hen­den Un­heil zu flüch­ten, wie das Schiff vor dem Or­kan, wur­de in ih­rem Her­zen rege.

      Vor ih­rem Fens­ter klag­te ein Käuz­chen; zit­ternd fuhr sie in die Höhe, strich sich mit den Hän­den übers Ge­sicht, griff an ihre Haa­re und be­tas­te­te sich wie eine När­rin am gan­zen Kör­per. Dann stieg sie mit den Be­we­gun­gen ei­ner Nacht­wand­le­rin die Trep­pe her­un­ter. Als sie auf dem Hofe an­kam, kroch sie in ge­bück­ter Hal­tung wei­ter, um nicht etwa durch einen Knecht, der von ei­ner Nacht­schwär­me­rei viel­leicht heim­kehr­te, über­rascht zu wer­den; denn der Mond schi­en hell auf alle Ge­gen­stän­de. Statt das Tor zu öff­nen, kroch sie über die Bö­schung, und erst, als sie sich im frei­en Fel­de be­fand, wag­te sie auf­recht wei­ter zu ge­hen. Sie ging ge­ra­de­aus mit vor­ge­beug­tem Kopf und flüch­ti­gem Schritt, und stiess un­will­kür­lich von Zeit zu Zeit einen durch­drin­gen­den Schrei aus. Ihr Schat­ten fiel in rie­si­gen Um­ris­sen auf den Bo­den und ver­folg­te sie wie ein Ge­s­penst; zu­wei­len flog ein er­schreck­ter Nacht­vo­gel auf und flat­ter­te mit mat­tem Flü­gel­schla­ge über ih­rem Haup­te. Die Hof­hun­de bell­ten, wenn sie ih­ren Schritt ver­nah­men. Ei­ner sprang her­aus und folg­te ihr bis­sig nach; aber sie wand­te sich mit ei­nem sol­chen Ge­heul zu ihm her­um, dass er mit ein­ge­klemm­ten Schweif da­von rann­te, in sei­ne Hüt­te kroch und sich lei­se wim­mernd aus­streck­te.

      Auf ei­nem Fel­de spiel­te ein gan­zes Ru­del Ha­sen; als aber die flüch­ti­ge Wan­de­rin gleich ei­ner ra­sen­den Dia­na da­her­kam, sto­ben sie schleu­nigst aus­ein­an­der. Die Jun­gen duck­ten sich mit der Al­ten in eine Fur­che, wäh­rend der alte Ramm­ler fast nach je­dem Sprun­ge ein Männ­chen mach­te und si­chernd sei­ne großen Löf­fel spitz­te. Das Licht des un­ter­ge­hen­den Mon­des warf sei­nen Schat­ten in zehn­fa­cher Ver­grös­se­rung auf den hel­len Acker, so­dass er nicht min­der ge­spens­tig aus­sah, wie das da­hin­ei­len­de Weib. Der Mond glich ei­ner rie­si­gen La­ter­ne, die am Ran­de des Ho­ri­zon­tes nie­der­ge­stellt war.

      Am Him­mel ver­lösch­ten die Ster­ne ei­ner nach dem an­de­ren; ein­zel­ne Vö­gel be­gan­nen zu pie­pen. Der Tag brach an. Die arme Rose keuch­te vor An­stren­gung, und als aus dem Pur­pur-Vor­hang des Mor­gen­ro­tes die Son­ne her­vortauch­te, stand sie still.

      Ihre ge­schwol­le­nen Füs­se ver­wei­ger­ten den Dienst, aber sie be­merk­te in der Nähe ein Was­ser, einen großen Teich, des­sen un­be­weg­li­che Flä­che im Schei­ne der auf­ge­hen­den Son­ne blu­tig-rot schi­en. Lang­sam, die Hand auf das hef­tig po­chen­de Herz ge­drückt, hin­k­te sie auf den­sel­ben zu, um ihre Füs­se in das Was­ser zu tau­chen.

      Sie setz­te sich auf einen Gras­hü­gel, zog die di­cken, stau­bi­gen Schu­he aus, leg­te die St­rümp­fe ab und senk­te die blau­an­ge­lau­fe­nen Un­ter­schen­kel in die un­be­weg­li­che Flut, aus der ein­zel­ne Luft­bla­sen auf­stie­gen.

      Eine er­qui­cken­de Fri­sche drang lang­sam von den Fuss­s­pit­zen bis zu ih­rem Kop­fe her­auf, und wäh­rend sie noch mit ir­rem Blick in das tie­fe Was­ser starr­te, über­kam sie plötz­lich ein un­be­zähm­ba­res Ver­lan­gen, ganz in dem­sel­ben un­ter­zut­au­chen. Da drin­nen wür­den ihre Lei­den für im­mer ein Ende ha­ben. Sie dach­te nicht mehr an ihr Kind; sie woll­te Frie­den fin­den, völ­li­ge Ruhe, ewi­gen Schlaf. Sie rich­te­te sich auf und ging mit hoch­ge­ho­be­nen Hän­den zwei Schrit­te wei­ter. Schon stand sie bis am Gür­tel im Was­ser und war im Be­griff, sich vor­zu­stür­zen, als bren­nen­de Schmer­zen an den Füs­sen sie un­will­kür­lich zu­rück­sprin­gen lies­sen. Sie stiess einen lau­ten Schrei aus, denn von ih­ren Kni­en bis zu den Fuss­s­pit­zen tran­ken lan­ge schwar­ze Blut­egel ihr Le­ben und bläh­ten sich, an ihr fest­ge­saugt, mäch­tig auf. Sie wag­te nicht, noch­mals her­ein­zu­ge­hen, und heul­te vor Schreck. Ihre Verzweif­lungs­schreie rie­fen einen Land­mann her­bei, der in der Nähe vor­über­fuhr; die­ser nahm die Blut­egel, einen nach dem an­de­ren, ab, leg­te Kräu­ter auf die Biss­wun­den und brach­te das un­glück­li­che We­sen auf sei­nem Wa­gen nach dem Hofe ih­res Herrn zu­rück.

      Vier­zehn Tage muss­te sie das Bett hü­ten, dann stand sie wie­der auf und setz­te sich vor die Haus­tür, um die schö­ne Luft ein­zuat­men. Es dau­er­te nicht lan­ge, so stand der Päch­ter auch schon vor ihr.

      »Die Sa­che ist also ab­ge­macht?« sag­te er.

      An­fangs wuss­te sie nichts zu sa­gen; als er aber so vor ihr stand und sie mit er­reg­tem Blick an­sah, hauch­te sie müh­sam her­vor:

      »Nein, Herr! ich kann nicht.«

      Das mach­te ihn wü­tend und er rief hef­tig:

      »Du kannst nicht, Du, die Magd; warum denn nicht?«

      Sie fing wie­der an zu wei­nen und sag­te noch­mals:

      »Ich kann nicht.«

      Er mus­ter­te sie scharf und schrie ihr dann ins Ge­sicht:

      »Du hast also einen Lieb­ha­ber?«

      »Sehr gut mög­lich, viel­leicht«, sag­te sie zit­ternd vor Scham.

      Rot wie ein Pu­ter stot­ter­te er fast vor Zorn:

      »Ah! Du gibst es auch noch zu, Dir­ne! Wer ist es denn, Dein schö­ner Galan? Ein Kerl ohne St­rümp­fe und Schu­he, ein Bett­ler, ein Va­ga­bund, ein Hun­ger­lei­der? Wer ist es denn, sag’s doch, wer es ist!«

      Und als sie schwieg, fuhr er fort:

      »Aha! Du willst nicht … dann will ich’s Dir sa­gen: Es ist Jean Bau­du?«

      »Oh nein, der nicht«, schrie sie auf.

      »Dann ist es Pe­ter Mar­tin?«

      »Oh nein, Herr!«

      Und so nann­te er, ganz aus­ser sich, der Rei­he nach alle Bur­schen der Um­ge­gend, wäh­rend sie, ganz auf­ge­löst und sich alle Au­gen­bli­cke mit dem Schür­zen­zip­fel die Au­gen wi­schend, je­des Mal ver­nein­te. Aber er ließ nicht nach, sein star­rer Sinn woll­te das Ge­heim­nis er­grün­den, und wenn er ihr das Herz zer­reis­sen müss­te. Er war wie ein Jagd­hund, der den gan­zen Tag eine Fähr­te ver­folgt, um end­lich das Tier zu er­ha­schen, des­sen Spur er wit­tert. Plötz­lich schrie er auf:

      »Ah! Mäd­chen! Es ist Jac­ques, der Knecht

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