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Ge­dan­ken zu brin­gen, ar­bei­te­te sie wie toll drauf los und war nur be­dacht, wie sie mög­lichst viel Geld für ihr ar­mes klei­nes Wurm er­spa­ren könn­te.

      Sie woll­te so fleis­sig ar­bei­ten, dass man ihr den Lohn er­hö­hen müss­te.

      All­mäh­lich riss sie alle Be­sor­gun­gen auf dem Hofe an sich, eine Magd wur­de ent­las­sen, da sie für zweie ar­bei­te­te; sie spar­te am Bro­te, am Öl, am Licht, am Korn, das man den Hüh­nern zu reich­lich streu­te, und am Fut­ter für das Vieh, das man bis da­hin viel­fach ver­schleu­dert hat­te. Sie geiz­te mit dem Gel­de des Herrn, als sei es ihr ei­ge­nes; und da­mit mög­lichst bil­lig ein­ge­kauft und die Er­zeug­nis­se des Ho­fes so teu­er wie mög­lich ver­kauft wür­den, be­sorg­te sie alle die­se Ge­schäf­te selbst. Sie führ­te die Auf­sicht über die Ar­beits­leu­te und über al­les, was auf dem Hofe vor­ging. Sie war so sorg­sam, dass der Hof un­ter ih­rer Auf­sicht einen sicht­ba­ren Auf­schwung nahm. Auf zwei Mei­len in der Run­de sprach man nur von der »Magd des Meis­ter Val­lin« und ihr Herr pfleg­te oft zu sa­gen: »Die­ses Mäd­chen ist mehr wie Gold wert.«

      In­dess, die Zeit ver­ging, und ihr Lohn blieb der­sel­be. Man nahm ihre über­trie­be­ne Ar­beit als et­was an, was jede treue Magd tut, als den Be­weis ei­nes wirk­lich gu­ten Wil­lens; und all­mäh­lich be­rech­ne­te sie mit ei­ner ge­wis­sen Bit­ter­keit, dass, wäh­rend der Herr mo­nat­lich fünf­zig bis hun­dert Ta­ler mehr ein­neh­me, sie stets nur ihre zwei­hun­dert­und­vier­zig Fran­cs, nicht mehr und nicht we­ni­ger, jähr­lich ver­die­ne.

      Sie ent­schloss sich, um eine Zu­la­ge zu bit­ten. Drei­mal such­te sie den Herrn auf, aber je­des Mal, wenn sie vor ihm stand, sprach sie von and­ren Din­gen. Sie schäm­te sich ge­wis­ser­mas­sen Geld zu ver­lan­gen, als wenn das et­was Un­an­stän­di­ges wäre. Ei­nes Ta­ges end­lich, als der Päch­ter al­lein in der Kü­che früh­stück­te, sag­te sie ihm mit ver­le­ge­ner Mie­ne, sie müs­se ihm et­was Be­son­de­res mit­tei­len. Er schau­te er­staunt auf, bei­de Hän­de auf den Tisch ge­stützt; in der einen hielt er das Mes­ser mit der Spit­ze nach oben, in der and­ren ein Stück Brot. So blick­te er un­ver­wandt auf sei­ne Magd. Sie wur­de bei die­sem Blick ganz fas­sungs­los und bat ihn, auf acht Tage nach Hau­se ge­hen zu dür­fen, weil ihr nicht ganz wohl sei.

      Er er­laub­te ihr das so­fort und sag­te dann selbst et­was ver­le­gen:

      »Ich habe üb­ri­gens auch mit Dir zu re­den, wenn Du wie­der­kommst.«

      *

      III.

      Das Kind war nun schon acht Mo­na­te alt; sie hät­te es nicht wie­der­er­kannt. Es war ganz ro­sig, voll und rund, wie ein klei­ner le­ben­di­ger Fett­klum­pen ge­wor­den. Sei­ne Fin­ger­chen, die un­ter klei­nen Fett­wuls­ten ver­schwan­den, be­weg­ten sich lei­se mit ei­nem sicht­ba­ren Aus­druck von Be­ha­gen. Sie warf sich dar­auf wie ein Gei­er auf die Beu­te und küss­te es so hef­tig, dass es vor Furcht zu wei­nen be­gann. Aber auch ih­ren Au­gen ent­ström­ten Trä­nen der Ei­fer­sucht, als sie sah, dass es sie nicht wie­der­er­kann­te, da­ge­gen sei­ne Ärm­chen der Zieh­mut­ter ent­ge­gen­streck­te, so­bald es die­sel­be be­merk­te.

      Am nächs­ten Tage aber hat­te es sich schon an ihr Ge­sicht ge­wöhnt und lach­te, wenn es sie sah. Sie trug es ins Freie hin­aus, rann­te wie när­risch mit ihm her­um, es vor­sich­tig wie ein Spiel­zeug in den Hän­den hal­tend und setz­te sich schliess­lich mit ihm un­ter den Schat­ten der Bäu­me. Dann öff­ne­te sie zum ers­ten Mal in ih­rem Le­ben ihr Herz die­sem klei­nen Wes­sen, das ja frei­lich noch nichts von all’ ih­rem Leid, ih­ren Sor­gen, ih­ren Hoff­nun­gen und ih­ren Ar­bei­ten ver­stand. Aber es tat ihr doch so wohl, so un­end­lich wohl, zu ihm zu spre­chen, und sie er­drück­te es fast un­ter der stür­mi­schen Ge­walt ih­rer Küs­se.

      Sie freu­te sich selbst wie ein Kind, es auf den Ar­men zu wie­gen, es zu wa­schen und an­zu­zie­hen, ja selbst sei­ne klei­nen Schmut­ze­rei­en zu rei­ni­gen, als wenn die­se Be­schäf­ti­gung ihr erst das rech­te Be­wusst­sein der Mut­ter­schaft ge­ge­ben hät­ten. Im­mer und im­mer wie­der muss­te sie es an­schau­en, ob es ihr denn auch wirk­lich ge­hö­re, und dann schau­kel­te sie es auf den Ar­men und flüs­ter­te zärt­lich: »Mein Klein­od! mein süs­ses Klein­od!«

      Auf dem Rück­we­ge zum Pacht­ho­fe wein­te sie die gan­ze Zeit. Kaum war sie an­ge­kom­men, als der Päch­ter sie auch schon zu sich ins Zim­mer rief. Sehr er­staunt und ei­gen­tüm­lich be­wegt, ohne recht zu wis­sen warum, folg­te sie dem Rufe.

      »Setz Dich«, sag­te er.

      Sie setz­te sich und so sas­sen sie ei­ni­ge Au­gen­bli­cke ne­ben­ein­an­der, bei­de sehr ver­le­gen, mit ver­schränk­ten Ar­men und ohne sich an­zu­se­hen, wie es eben Land­leu­te zu ma­chen pfle­gen.

      Der Päch­ter, ein star­ker Mann in den Vier­zi­gern, zwei­mal be­reits Wit­wer, gut­mü­tig und ei­gen­sin­nig zu­gleich, zeig­te dies­mal eine Ver­le­gen­heit, die man sonst bei ihm nicht ge­wohnt war. End­lich raff­te er sich auf und be­gann zu spre­chen, ohne sie an­zu­se­hen, wäh­rend sei­ne Stim­me zit­ter­te und er sein Ge­sicht zum Fens­ter hin­aus dem Fel­de zu­wand­te:

      »Rosa«, sag­te er, »hast Du nie­mals dar­an ge­dacht, Dir ein Heim zu schaf­fen?«

      Sie wur­de bleich wie der Tod; es war ihr un­mög­lich zu ant­wor­ten.

      »Du bist ein wa­cke­res Mäd­chen«, fuhr er fort. »Eine Frau wie Du könn­te einen Mann glück­lich ma­chen.«

      Sie reg­te sich noch im­mer nicht; ihre Au­gen wa­ren starr. Sie such­te nicht ein­mal den Sinn sei­ner Wor­te rich­tig zu ver­ste­hen; so sehr ver­wirr­ten sich ihre Ge­dan­ken wie beim Ein­bruch ei­ner großen Ge­fahr. Er war­te­te noch einen Au­gen­blick, dann be­gann er aufs neue:

      »Ein Hof ohne Her­rin, weißt Du, das geht auf die Dau­er nicht, selbst mit ei­nem Mäd­chen wie Du.«

      Mehr wuss­te er für den Au­gen­blick nicht zu sa­gen und schwieg da­her. Rosa starr­te ihn so ver­blüfft an, wie je­mand, der einen Mör­der vor sich sieht, und be­reit ist, bei der ers­ten Be­we­gung des­sel­ben die Flucht zu er­grei­fen.

      Nach fünf Mi­nu­ten end­lich frag­te er:

      »Na, sag mal! Passt es Dir also?«

      »Was, Herr?« sag­te sie mit blö­der Mie­ne.

      »Nun, mich zu hei­ra­ten, Mäd­chen!« brach er end­lich los.

      Sie rich­te­te sich plötz­lich auf, dann sank sie aber wie ge­bro­chen auf ih­ren Stuhl zu­rück, auf dem sie re­gungs­los sit­zen blieb, wie je­mand, den ein schwe­res Un­glück be­trof­fen hat. Der Päch­ter wur­de schliess­lich un­ge­dul­dig.

      »Nun so lass doch hö­ren, was fehlt Dir denn ei­gent­lich?« Sie be­trach­te­te ihn wie geis­tes­ab­we­send; dann tra­ten ihr plötz­lich die Trä­nen in die Au­gen und laut schluch­zend rief sie:

      »Ich kann nicht. Ich kann nicht!«

      »Wa­rum denn nicht?« frag­te Je­ner. »Vor­wärts, sei nicht kin­disch; ich gebe Dir bis mor­gen Be­denk­zeit.«

      Und er ging ei­lig hin­aus, über­aus froh, dass er die­se hei­kle An­ge­le­gen­heit für heu­te hin­ter sich hat­te. Er zwei­fel­te nicht, dass mor­gen sei­ne Magd einen Vor­schlag an­neh­men wür­de, der ihr

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