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in das Wasch­be­cken und tauch­te sei­nen Kopf hin­ein. Nach­her wusch er sich die Hän­de und ging zu­rück, um zu se­hen, was sie nun mach­te. Wäh­rend­des­sen trock­ne­te er sei­ne Fin­ger sorg­fäl­tig mit dem Hand­tu­che ab.

      Sie rühr­te sich nicht. Sie blieb am Bo­den aus­ge­streckt lie­gen und wein­te lei­se.

      Er frag­te:

      »Bist du bald mit dei­ner Heu­le­rei fer­tig?

      Sie ant­wor­te­te nicht. Er stand mit­ten im Zim­mer, fühl­te sich et­was ver­le­gen und be­schämt ne­ben die­sem aus­ge­streck­ten Kör­per.

      Dann fass­te er plötz­lich einen Ent­schluss, nahm den Hut vom Ka­min und sag­te:

      »Gu­ten Abend. Über­gib den Schlüs­sel dem Por­tier, wenn du fer­tig bist. Ich kann nicht dei­ner Lau­ne we­gen ewig war­ten.«

      Er ging hin­aus, schloss die Tür und such­te den Por­tier auf.

      »Ma­da­me ist noch in der Woh­nung«, sag­te er; »sie wird auch gleich ge­hen. Sa­gen Sie dem Haus­be­sit­zer, dass ich zum 1. Ok­to­ber kün­di­ge. Wir ha­ben den 16. Au­gust, es ist also noch vor dem Ter­min.«

      Er ent­fern­te sich schnell, denn er hat­te ver­schie­de­ne drin­gen­de Be­sor­gun­gen zu er­le­di­gen und die letz­ten Ein­käu­fe für die Aus­stat­tung zu ma­chen.

      Der Hoch­zeits­tag war auf den 20. Ok­to­ber fest­ge­setzt, nach der Wie­de­r­er­öff­nung der Kam­mern. Die Trau­ung soll­te in der Ma­de­lei­ne­kir­che statt­fin­den. Es wur­de viel hin und her ge­re­det, ohne dass man die Wahr­heit ge­nau wuss­te. Ver­schie­de­ne Ge­schich­ten lie­fen um­her. Man er­zähl­te von ei­ner Ent­füh­rung, aber es wa­ren nur vage und un­be­weis­ba­re Gerüch­te. Nach An­ga­be der Dienst­bo­ten sprach Frau Wal­ter über­haupt nicht mehr mit ih­rem zu­künf­ti­gen Schwie­ger­sohn; sie soll­te an dem Abend, wo die Ehe be­schlos­sen war, nach­dem sie ihre Toch­ter um Mit­ter­nacht in ein Klos­ter brin­gen ließ, vor Zorn einen Schlag­an­fall be­kom­men ha­ben.

      Man hat­te sie halb­tot auf­ge­fun­den, und es be­stand kei­ne Aus­sicht, dass sie je­mals ganz ge­sund sein wür­de. Sie sah jetzt aus wie eine alte Frau, ihre Haa­re wur­den grau. Sie war sehr fromm ge­wor­den und nahm je­den Sonn­tag das Abend­mahl.

      In den ers­ten Sep­tem­ber­ta­gen mel­de­te die Vie Françai­se, dass der Baron Du Roy de Can­tel Che­fre­dak­teur ge­wor­den sei, wäh­rend Herr Wal­ter den Ti­tel des Di­rek­tors be­hal­te.

      Jetzt wur­de ein gan­zer Stab be­kann­ter Feuil­le­to­nis­ten, po­li­ti­scher Re­dak­teu­re, Kunst- und Thea­ter­kri­ti­ker den be­kann­ten großen Zei­tun­gen durch schwe­res Geld ge­walt­sam ent­ris­sen und bei der Re­dak­ti­on als neue Mit­ar­bei­ter an­ge­stellt.

      Die äl­te­ren, acht­ba­ren, erns­ten Jour­na­lis­ten zuck­ten nicht mehr mit den Ach­seln, wenn man von der Vie Françai­se sprach.

      Der schnel­le und durch­grei­fen­de Er­folg hat­te die Missach­tung er­stickt, die erns­te Schrift­stel­ler an­fangs ge­gen die­ses Blatt ge­hegt hat­ten.

      Die Hoch­zeit des Che­fre­dak­teurs war ein so­ge­nann­tes großes Pa­ri­ser Er­eig­nis. Ge­or­ges Du Roy und Wal­ter hat­ten seit ei­ni­ger Zeit die all­ge­mei­ne Auf­merk­sam­keit und Neu­gier auf sich ge­lenkt. Alle Leu­te, de­ren Na­men in den Zei­tun­gen er­wähnt wer­den, soll­ten zur Trau­ung er­schei­nen.

      Die­ses Er­eig­nis fand an ei­nem son­ni­gen Herbst­ta­ge statt. Um acht Uhr mor­gens be­schäf­tig­te sich das ge­sam­te Kir­chen­per­so­nal da­mit, einen brei­ten ro­ten Tep­pich über die Stu­fen der ho­hen Freitrep­pe aus­zu­brei­ten, die von der Rue Roy­al zur Kir­che hin­auf­führt. Die Passan­ten wa­ren ste­hen­ge­blie­ben, und das Volk von Pa­ris wuss­te, dass eine sehr fei­er­li­che Ze­re­mo­nie sich hier ab­spie­len wür­de.

      Die Be­am­ten, die zu ih­ren Bü­ros gin­gen, die klei­nen Ar­bei­te­rin­nen und Kom­mis gaff­ten, be­wun­der­ten die Vor­be­rei­tun­gen und träum­ten un­be­stimmt von den rei­chen Leu­ten und von dem Reich­tum, der dazu ge­hö­re, umso viel Geld für eine Hoch­zeit aus­ge­ben zu kön­nen.

      Um 10 Uhr be­gan­nen die Neu­gie­ri­gen sich an­zu­sam­meln. Sie blie­ben dort ei­ni­ge Mi­nu­ten ste­hen, in der Hoff­nung, dass es viel­leicht gleich an­fan­gen wür­de und gin­gen dann, des War­tens müde, wei­ter. Um 11 Uhr kam ein Trupp Stadt­po­li­zis­ten und for­der­ten die Men­ge auf wei­ter zu ge­hen, denn es bil­de­ten sich alle Au­gen­bli­cke Auf­läu­fe.

      Die ers­ten Gäs­te er­schie­nen bald, die die bes­ten Plät­ze ein­neh­men woll­ten, von wo man al­les über­se­hen konn­te. Sie setz­ten sich am Ran­de ne­ben dem großen Mit­tel­schiff, all­mäh­lich ka­men auch die an­de­ren, Frau­en mit rau­schen­den Sei­den­klei­dern, stren­ge, erns­te Män­ner, bei­na­he alle kahl­köp­fig, von welt­män­ni­schem, kor­rek­tem Auf­tre­ten, die sich hier an die­sem Ort noch fei­er­li­cher und wür­de­vol­ler als sonst be­nah­men.

      All­mäh­lich füll­te sich die Kir­che. Ein hel­ler Son­nen­strahl drang durch das weit­ge­öff­ne­te Kir­chen­por­tal und fiel auf die ers­te Rei­he der ein­ge­la­de­nen Freun­de. Am Chor sah es dun­kel aus; der Al­tar, der mit bren­nen­den Ker­zen be­steckt war, schi­en mit ei­nem gelb­li­chen Licht schwach be­leuch­tet, im Ver­gleich zu dem grel­len Schein, der durch die Öff­nung des großen Por­tals drang.

      Man er­kann­te sich, man be­grüß­te sich durch Zei­chen und man stand in Grup­pen her­um. Die Li­te­ra­ten, die we­ni­ger re­spekt­voll als die vor­neh­me Welt wa­ren, plau­der­ten halb­laut. Man be­trach­te­te die Da­men. Nor­bert de Va­ren­ne schi­en einen Freund zu su­chen und er­blick­te Jac­ques Ri­val, der in der Mit­te der Stuhl­rei­hen stand. Er trat auf ihn zu:

      »Da se­hen Sie, die Welt ge­hört den Ge­ris­se­nen.«

      Der an­de­re, der gar nicht nei­disch war, ant­wor­te­te:

      »Umso bes­ser für ihn, er ist ein ge­mach­ter Mann.«

      Dann spra­chen sie über ein­zel­ne Be­kann­te, die ih­nen dort auf­fie­len,

      Ri­val frag­te:

      »Wis­sen Sie ei­gent­lich, was aus der Frau ge­wor­den ist?«

      Der Dich­ter lä­chel­te:

      »Ja und nein. Sie lebt ganz zu­rück­ge­zo­gen, so hat man mir er­zählt, in dem Stadt­vier­tel von Mont­mar­tre. Aber … es ist näm­lich ein a­ber da­bei … seit ei­ni­ger Zeit lese ich in der ›Fe­der‹ die po­li­ti­schen Ar­ti­kel, die de­nen von Fo­res­tier und Du Roy auf­fal­lend ähn­lich sind. Sie stam­men von ei­nem ge­wis­sen Jean Le Dol; es ist ein jun­ger Mann, ein hüb­scher Kerl, in­tel­li­gent, von dem­sel­ben Schla­ge wie un­ser Freund Ge­or­ges; und er hat des­sen frü­he­re Frau ken­nen­ge­lernt. Daraus schlie­ße ich, dass sie die An­fän­ger lieb­te und sie wahr­schein­lich ewig lie­ben wird. Sie ist üb­ri­gens reich. Vau­drec und Lar­oche-Ma­thieu wa­ren doch nicht um­sonst ihre bes­ten Freun­de.«

      Ri­val er­klär­te:

      »Sie war nicht schlecht, die klei­ne Ma­de­lei­ne, sehr schlau und sehr klug. Ohne Hül­le muss sie rei­zend sein. Aber sa­gen Sie doch, wie kommt denn das, dass Du Roy sich nach der Schei­dung in der Kir­che trau­en lässt?«

      Nor­bert de Va­ren­ne ant­wor­te­te:

      »Er

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