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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
Читать онлайн.Название Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9783962817695
Автор произведения Guy de Maupassant
Жанр Языкознание
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Bookwire
Alles in allem genommen war das Haus Tellier ein Zusammenkunftsort, dessen täglichen Besuch man nur ungern versäumte.
Da fand eines Tages, gegen Ende des Monats Mai, der erste der täglichen Besucher, Herr Poulin, Holzhändler und früherer Maire, die Türe verschlossen; die kleine Laterne brannte nicht wie gewöhnlich hinter ihrem Gitter und kein Geräusch drang aus dem Innern, das wie ausgestorben schien. Er klopfte, erst leise, dann stärker, aber nichts rührte sich. Dann ging er langsam die Strasse hinunter und begegnete am Marktplatz Herrn Duvert, einem Rheder, der sich ebenfalls dorthin begeben wollte. Sie gingen zusammen zurück, ohne jedoch ihren Zweck zu erreichen. Aber in der Nähe erhob sich plötzlich großer Lärm, und als sie um das Haus herumgingen, bemerkten sie einen Haufen englischer und französischer Matrosen, die mit ihren Fäusten gegen die verschlossenen Läden des Cafés schlugen.
Die beiden Bürger drückten sich schleunigst, um sich keinen Verlegenheiten auszusetzen, aber ein leises »Pst« in ihrer Nähe ließ sie Halt machen. Es war Herr Tournevau, der Fischhändler, der sie erkannt hatte und sie anrief. Sie erzählten ihm, was vorgefallen, und niemand war darüber bestürzter als er; denn als Ehemann und sorgsamer Familienvater kam er nur Sonnabends dorthin, »securitatis causa«, wie er mit einer kleinen Anspielung auf eine gesundheitspolizeiliche Massregel zu sagen pflegte, deren regelmässige Wiederkehr ihm sein Freund, der Doktor Bourde, verraten hatte. Da es gerade Sonnabend war, so sah er sich schon für die ganze Woche seines Vergnügens beraubt.
Die drei Herren machten einen großen Umweg bis zum Quai, und trafen auf der Strasse einen Stammgast, Herrn Philippe, den Bankierssohn, und Herrn Pimpesse, den Einnehmer, worauf alle fünf durch die »Juden-Strasse« zurückgingen, um einen letzten Versuch zu machen. Aber die wütenden Matrosen hatten das Haus förmlich belagert, warfen mit Steinen danach und brüllten wie besessen. Dies genügte, um die fünf Herren aus dem ersten Stock zur schleunigsten Umkehr zu veranlassen, worauf sie planlos durch die Strassen irrten.
Sie begegneten noch dem Versicherungs-Agenten, Herrn Dupuis, dann dem Handelsrichter, Herrn Vasse, und begannen nun einen langen Spaziergang, der sie schliesslich zum Hafen führte. Sie setzten sich nebeneinander auf die Granit-Mauer und sahen dem Spiel der Wellen zu. Der Schaum der auf- und niedertauchenden Wellenkämme stach mit seiner blendenden Weiße eigentümlich von der Dunkelheit des Wassers ab, und das einförmige Brausen des Meeres, welches sich an den Felsen brach, wiederhallte in der Stille der Nacht längs des ganzen Gestades. Als die verstimmten Spaziergänger dort einige Zeit gesessen hatten, erklärte schliesslich Herr Tournevau:
»Sehr unterhaltend ist das nicht.«
»Wahrhaftig nicht«, echote Herr Pimpesse, und nun gingen alle langsam zurück.
Nachdem sie der »Linden-Strasse« entlang gegangen waren, kamen sie über die Schiffbrücke wieder auf die Strasse »La Retenue« zurück, und gelangten am Bahnhof vorbei wieder auf den Marktplatz, wo plötzlich zwischen dem Einnehmer Herrn Pimpesse und dem Fischhändler Herrn Tournevau ein heftiger Streit über die Essbarkeit eines Pilzes ausbrach, den der eine von ihnen in der Umgegend gefunden haben wollte.
Da die Geister in Folge der Langeweile gereizt waren, so wäre es fast zu sehr ernsten Auseinandersetzungen gekommen, wenn die Übrigen sich nicht ins Mittel gelegt hätten. Herr Pimpesse zog sich sehr beleidigt zurück, und kaum war er fort, als zwischen dem ehemaligen Maire, Herrn Poulin, und dem Versicherungs-Agenten, Herrn Dupuis, ein neuer Wortwechsel über den Gehalt des Einnehmers und die Ausgaben ausbrach, die er sich leisten könnte. Heftige Worte fielen bereits auf beiden Seiten, als plötzlich ein wüstes Geschrei zu ihnen drang und die Matrosenschar, des vergeblichen Wartens müde, sich über den Platz ergoss. Sie hatten sich zu Zwei und Zwei im Arme und bildeten so eine lange wutschnaubende Prozession. Die Bürger flüchteten sich unter einen Torweg und die lärmende Rotte verschwand in der Richtung des Hafens. Lange noch hörte man ihr Gebrüll wie das Donnern eines abziehenden Gewitters in der Ferne verklingen; dann trat endlich wieder tiefe Stille ein.
Herr Poulin und Herr Dupuis, deren gegenseitiger Zorn sich noch nicht gelegt hatte, gingen, ohne sich zu grüssen, jeder ihres Weges.
Die vier Übrigen nahmen ihren Spaziergang wieder auf und wendeten die Schritte unwillkürlich wieder dem Hause Tellier zu. Es war immer noch verschlossen und lag in undurchdringlichem Schweigen gehüllt. Ein Betrunkener pochte hartnäckig in kurzen Zwischenräumen an die Vortüre des Cafés, hin und wieder mit leiser Stimme den Kellner Friedrich rufend. Als er absolut keine Antwort erhielt, setzte er sich ruhig auf die Türschwelle und harrte der Dinge, die kommen würden.
Plötzlich erschien die wüste Rotte der Matrosen von Neuem am Ende der Strasse, und unsere Bürger zogen sich abermals zurück. Die französischen Matrosen brüllten die »Marseillaise«, die englischen das »Rule Brittania«; es war ein Hauptspektakel. Dann nahm die tolle Gesellschaft abermals ihren Weg nach dem Quai zu, wo sich eine Schlacht zwischen den Seeleuten beider Nationen entwickelte; hierbei brach ein Engländer den Arm und einem Franzosen wurde die Nase entzwei geschlagen.
Der Betrunkene auf der Türschwelle fing jetzt an zu weinen wie ein ungezogenes Kind, dem man nicht den Willen tut.
Die Herren aus dem ersten Stock gingen schliesslich ihrer Wege.
Allmählich wurde es still in den vorhin noch so unruhigen Strassen; zuweilen hörte man noch hier und da ein Stimmengeräusch, bis endlich auch der letzte Ton verstummte.
Nur ein Mann irrte noch umher, Tournevau, der Fischhändler, dem es nicht in den Kopf wollte, dass er bis zum nächsten Sonnabend warten sollte. Er hoffte immer noch auf irgend einen glücklichen Zufall, er begriff nicht, ja er tadelte es sogar heftig, dass die Polizei die Schliessung eines so nützlichen öffentlichen Lokales zuliess, welches sie doch zu überwachen und zu schützen hatte.
Er kehrte nochmals dahin zurück und tastete, nach der Ursache