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es sich ei­nes zahl­rei­chen Be­su­ches. »Ma­da­me« hat­te ihm einen so vor­neh­men An­strich zu ge­ben ge­wusst, sie zeig­te sich so lie­bens­wür­dig, so zu­vor­kom­mend ge­gen je­der­mann, ihre Gut­her­zig­keit war so be­kannt, dass sie sich ei­ner Art all­ge­mei­ner Hochach­tung er­freu­te. Die Stamm­gäs­te stürz­ten sich ih­ret­we­gen in Un­kos­ten, sie wa­ren stolz, wenn sie ih­rer be­son­de­ren Freund­schaft ge­wür­digt wur­den, und wenn sie sich tags­über in Ge­schäf­ten tra­fen, so hiess es: »Also heu­te Abend, Sie wis­sen schon«, wie man sonst sagt: »Also nach Tisch im Café, nicht wahr?«

      Al­les in al­lem ge­nom­men war das Haus Tel­lier ein Zu­sam­men­kunfts­ort, des­sen täg­li­chen Be­such man nur un­gern ver­säum­te.

      Da fand ei­nes Ta­ges, ge­gen Ende des Mo­nats Mai, der ers­te der täg­li­chen Be­su­cher, Herr Pou­lin, Holz­händ­ler und frü­he­rer Maire, die Türe ver­schlos­sen; die klei­ne La­ter­ne brann­te nicht wie ge­wöhn­lich hin­ter ih­rem Git­ter und kein Geräusch drang aus dem In­nern, das wie aus­ge­stor­ben schi­en. Er klopf­te, erst lei­se, dann stär­ker, aber nichts rühr­te sich. Dann ging er lang­sam die Stras­se hin­un­ter und be­geg­ne­te am Markt­platz Herrn Du­vert, ei­nem Rhe­der, der sich eben­falls dort­hin be­ge­ben woll­te. Sie gin­gen zu­sam­men zu­rück, ohne je­doch ih­ren Zweck zu er­rei­chen. Aber in der Nähe er­hob sich plötz­lich großer Lärm, und als sie um das Haus her­um­gin­gen, be­merk­ten sie einen Hau­fen eng­li­scher und fran­zö­si­scher Ma­tro­sen, die mit ih­ren Fäus­ten ge­gen die ver­schlos­se­nen Lä­den des Cafés schlu­gen.

      Die bei­den Bür­ger drück­ten sich schleu­nigst, um sich kei­nen Ver­le­gen­hei­ten aus­zu­set­zen, aber ein lei­ses »Pst« in ih­rer Nähe ließ sie Halt ma­chen. Es war Herr Tour­ne­vau, der Fisch­händ­ler, der sie er­kannt hat­te und sie an­rief. Sie er­zähl­ten ihm, was vor­ge­fal­len, und nie­mand war dar­über be­stürz­ter als er; denn als Ehe­mann und sorg­sa­mer Fa­mi­li­en­va­ter kam er nur Sonn­abends dort­hin, »se­cu­ri­ta­tis cau­sa«, wie er mit ei­ner klei­nen An­spie­lung auf eine ge­sund­heits­po­li­zei­li­che Mass­re­gel zu sa­gen pfleg­te, de­ren re­gel­mäs­si­ge Wie­der­kehr ihm sein Freund, der Dok­tor Bour­de, ver­ra­ten hat­te. Da es ge­ra­de Sonn­abend war, so sah er sich schon für die gan­ze Wo­che sei­nes Ver­gnü­gens be­raubt.

      Die drei Her­ren mach­ten einen großen Um­weg bis zum Quai, und tra­fen auf der Stras­se einen Stamm­gast, Herrn Phil­ip­pe, den Ban­kiers­sohn, und Herrn Pim­pes­se, den Ein­neh­mer, wor­auf alle fünf durch die »Ju­den-Stras­se« zu­rück­gin­gen, um einen letz­ten Ver­such zu ma­chen. Aber die wü­ten­den Ma­tro­sen hat­ten das Haus förm­lich be­la­gert, war­fen mit Stei­nen da­nach und brüll­ten wie be­ses­sen. Dies ge­nüg­te, um die fünf Her­ren aus dem ers­ten Stock zur schleu­nigs­ten Um­kehr zu ver­an­las­sen, wor­auf sie plan­los durch die Stras­sen irr­ten.

      Sie be­geg­ne­ten noch dem Ver­si­che­rungs-Agen­ten, Herrn Du­puis, dann dem Han­dels­rich­ter, Herrn Vas­se, und be­gan­nen nun einen lan­gen Spa­zier­gang, der sie schliess­lich zum Ha­fen führ­te. Sie setz­ten sich ne­ben­ein­an­der auf die Gra­nit-Mau­er und sa­hen dem Spiel der Wel­len zu. Der Schaum der auf- und nie­der­tau­chen­den Wel­len­käm­me stach mit sei­ner blen­den­den Wei­ße ei­gen­tüm­lich von der Dun­kel­heit des Was­sers ab, und das ein­för­mi­ge Brau­sen des Mee­res, wel­ches sich an den Fel­sen brach, wie­der­hall­te in der Stil­le der Nacht längs des gan­zen Ge­sta­des. Als die ver­stimm­ten Spa­zier­gän­ger dort ei­ni­ge Zeit ge­ses­sen hat­ten, er­klär­te schliess­lich Herr Tour­ne­vau:

      »Sehr un­ter­hal­tend ist das nicht.«

      »Wahr­haf­tig nicht«, echo­te Herr Pim­pes­se, und nun gin­gen alle lang­sam zu­rück.

      Nach­dem sie der »Lin­den-Stras­se« ent­lang ge­gan­gen wa­ren, ka­men sie über die Schiff­brücke wie­der auf die Stras­se »La Re­te­nue« zu­rück, und ge­lang­ten am Bahn­hof vor­bei wie­der auf den Markt­platz, wo plötz­lich zwi­schen dem Ein­neh­mer Herrn Pim­pes­se und dem Fisch­händ­ler Herrn Tour­ne­vau ein hef­ti­ger Streit über die Ess­bar­keit ei­nes Pil­zes aus­brach, den der eine von ih­nen in der Um­ge­gend ge­fun­den ha­ben woll­te.

      Da die Geis­ter in Fol­ge der Lan­ge­wei­le ge­reizt wa­ren, so wäre es fast zu sehr erns­ten Aus­ein­an­der­set­zun­gen ge­kom­men, wenn die Üb­ri­gen sich nicht ins Mit­tel ge­legt hät­ten. Herr Pim­pes­se zog sich sehr be­lei­digt zu­rück, und kaum war er fort, als zwi­schen dem ehe­ma­li­gen Maire, Herrn Pou­lin, und dem Ver­si­che­rungs-Agen­ten, Herrn Du­puis, ein neu­er Wort­wech­sel über den Ge­halt des Ein­neh­mers und die Aus­ga­ben aus­brach, die er sich leis­ten könn­te. Hef­ti­ge Wor­te fie­len be­reits auf bei­den Sei­ten, als plötz­lich ein wüs­tes Ge­schrei zu ih­nen drang und die Ma­tro­sen­schar, des ver­geb­li­chen War­tens müde, sich über den Platz er­goss. Sie hat­ten sich zu Zwei und Zwei im Arme und bil­de­ten so eine lan­ge wut­schnau­ben­de Pro­zes­si­on. Die Bür­ger flüch­te­ten sich un­ter einen Tor­weg und die lär­men­de Rot­te ver­schwand in der Rich­tung des Ha­fens. Lan­ge noch hör­te man ihr Ge­brüll wie das Don­nern ei­nes ab­zie­hen­den Ge­wit­ters in der Fer­ne ver­klin­gen; dann trat end­lich wie­der tie­fe Stil­le ein.

      Herr Pou­lin und Herr Du­puis, de­ren ge­gen­sei­ti­ger Zorn sich noch nicht ge­legt hat­te, gin­gen, ohne sich zu grüs­sen, je­der ih­res We­ges.

      Die vier Üb­ri­gen nah­men ih­ren Spa­zier­gang wie­der auf und wen­de­ten die Schrit­te un­will­kür­lich wie­der dem Hau­se Tel­lier zu. Es war im­mer noch ver­schlos­sen und lag in un­durch­dring­li­chem Schwei­gen gehüllt. Ein Be­trun­ke­ner poch­te hart­nä­ckig in kur­z­en Zwi­schen­räu­men an die Vor­tü­re des Cafés, hin und wie­der mit lei­ser Stim­me den Kell­ner Fried­rich ru­fend. Als er ab­so­lut kei­ne Ant­wort er­hielt, setz­te er sich ru­hig auf die Tür­schwel­le und harr­te der Din­ge, die kom­men wür­den.

      Plötz­lich er­schi­en die wüs­te Rot­te der Ma­tro­sen von Neu­em am Ende der Stras­se, und un­se­re Bür­ger zo­gen sich aber­mals zu­rück. Die fran­zö­si­schen Ma­tro­sen brüll­ten die »Mar­seil­lai­se«, die eng­li­schen das »Rule Brit­ta­nia«; es war ein Haupt­spek­ta­kel. Dann nahm die tol­le Ge­sell­schaft aber­mals ih­ren Weg nach dem Quai zu, wo sich eine Schlacht zwi­schen den See­leu­ten bei­der Na­tio­nen ent­wi­ckel­te; hier­bei brach ein Eng­län­der den Arm und ei­nem Fran­zo­sen wur­de die Nase ent­zwei ge­schla­gen.

      Der Be­trun­ke­ne auf der Tür­schwel­le fing jetzt an zu wei­nen wie ein un­ge­zo­ge­nes Kind, dem man nicht den Wil­len tut.

      Die Her­ren aus dem ers­ten Stock gin­gen schliess­lich ih­rer Wege.

      All­mäh­lich wur­de es still in den vor­hin noch so un­ru­hi­gen Stras­sen; zu­wei­len hör­te man noch hier und da ein Stim­men­ge­räusch, bis end­lich auch der letz­te Ton ver­stumm­te.

      Nur ein Mann irr­te noch um­her, Tour­ne­vau, der Fisch­händ­ler, dem es nicht in den Kopf woll­te, dass er bis zum nächs­ten Sonn­abend war­ten soll­te. Er hoff­te im­mer noch auf ir­gend einen glück­li­chen Zu­fall, er be­griff nicht, ja er ta­del­te es so­gar hef­tig, dass die Po­li­zei die Sch­lies­sung ei­nes so nütz­li­chen öf­fent­li­chen Lo­ka­les zu­liess, wel­ches sie doch zu über­wa­chen und zu schüt­zen hat­te.

      Er kehr­te noch­mals da­hin zu­rück und tas­te­te, nach der Ur­sa­che

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