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ir­gen­det­was un­term Arm, um sich einen ge­schäft­li­chen An­strich zu ge­ben. Je­der warf im Vor­bei­kom­men einen flüch­ti­gen Blick auf die ge­heim­nis­vol­len Wor­te: »We­gen der ers­ten Kom­mu­ni­on ge­schlos­sen.«

      *

      II.

      Ma­da­me hat­te einen Bru­der, der in ih­rer Hei­mat, Vir­ville im Eure-De­par­te­ment, als Tisch­ler eta­bliert war, und des­sen Toch­ter sie, als ihr noch das Gast­haus zu Yve­tot ge­hör­te, über die Tau­fe ge­hal­ten hat­te. Das Kind hiess Con­stan­ze, Con­stan­ze Ri­vet; sie selbst war vä­ter­li­cher­seits eine Ri­vet. Der Tisch­ler, der die gu­ten Ver­hält­nis­se sei­ner Schwes­ter kann­te, hat­te sie nicht aus den Au­gen ver­lo­ren, ob­gleich sie sich nicht oft sa­hen, da je­des durch sein Ge­schäft ge­bun­den war und sie aus­ser­dem ziem­lich weit von­ein­an­der wohn­ten. Als aber sei­ne Toch­ter das zwölf­te Jahr er­reich­te und zum ers­ten Male zur Kom­mu­ni­on ge­hen soll­te, be­nutz­te der Tisch­ler die­se Ge­le­gen­heit der Wie­deran­nä­he­rung und schrieb sei­ner Schwes­ter, er zäh­le bei der Fei­er­lich­keit auf ihre Ge­gen­wart. Die Gro­ß­el­tern wa­ren tot, sie konn­te es ih­rer Nich­te nicht ab­schla­gen und nahm also an. Ihr Bru­der Jo­seph hoff­te, mit al­ler­lei Lie­bens­wür­dig­keit bei die­ser Ge­le­gen­heit die Er­rich­tung ei­nes Te­sta­ments zu Guns­ten sei­ner Toch­ter zu er­zie­len, da Ma­da­me kei­ne Kin­der hat­te.

      Das Ge­wer­be sei­ner Schwes­ter mach­te ihm kei­ner­lei Be­den­ken und im Üb­ri­gen wuss­te auf dem Lan­de nie­mand et­was da­von; »Ma­da­me Tel­lier ist Bür­ge­rin von Fe­camp,« hiess es ein­fach mit ei­nem ge­wis­sen Bei­ge­schmack, als lebe sie von ih­ren Ren­ten. Von Fe­camp bis Vir­ville wa­ren min­des­tens zwan­zig Mei­len We­ges, und zwan­zig Mei­len über Land dünkt dem Bau­er min­des­tens eben­so weit, wie dem Städ­ter eine Fahrt über den Ozean. Die Be­woh­ner wa­ren nie­mals über Rou­en her­aus­ge­kom­men, und um­ge­kehrt gab es nichts, was die Be­woh­ner Fe­camps nach ei­nem klei­nen Dörf­chen von fünf­hun­dert See­len her­aus­ge­lockt hät­te, des­sen Lage mit­ten im fla­chen Lan­de durch­aus nichts An­zie­hen­des bot, ganz ab­ge­se­hen da­von, dass es zu ei­nem an­de­ren De­par­te­ment ge­hör­te. Mit ei­nem Wort: Man wuss­te Nichts.

      Als aber die Zeit der Kom­mu­ni­on her­an­nah­te, be­fand sich Ma­da­me in großer Ver­le­gen­heit. Sie hat­te kei­ne Wirt­schaf­te­rin und ge­trau­te sich nicht, ihr Haus auch nur einen Tag al­lein zu las­sen. Alle al­ten Zän­ke­rei­en zwi­schen den »Da­men« von oben und de­nen von un­ten wä­ren un­fehl­bar aufs Neue zum Aus­bruch ge­kom­men; so­dann hät­te sich Fried­rich ohne Zwei­fel be­trun­ken und wenn er be­trun­ken war, schlug er um ei­nes Au­gen­zwin­kerns hal­ber die Leu­te nie­der. So ent­schloss sie sich schliess­lich, ihr ge­sam­tes Per­so­nal mit her­aus zu neh­men bis auf Fried­rich, der bis zum über­nächs­ten Tage Ur­laub er­hielt.

      Der Bru­der hat­te nichts ein­zu­wen­den als sie ihm des­halb schrieb und nahm es auf sich, die gan­ze Ge­sell­schaft für eine Nacht un­ter­zu­brin­gen. So führ­te denn der Eil­zug am Sams­tag Mor­gen um acht Uhr Ma­da­me und die Ih­ri­gen in ei­nem Wa­gen­ab­teil zwei­ter Klas­se von dan­nen.

      Bis Beu­ze­ville fuh­ren sie al­lein und scha­cker­ten zu­sam­men wie die Els­tern; hier aber stieg ein Paar ein. Der Mann, ein al­ter Land­mann in blau­er Blou­se mit Um­schlag­kra­gen, brei­ten an den Faust­ge­len­ken zu­sam­men­ge­schnür­ten und mit klei­ner wei­ßer Sti­cke­rei ver­zier­ten Är­meln, auf dem Kop­fe einen ho­hen alt­mo­di­schen Hut, des­sen fuch­si­ges Haar ganz bors­tig schi­en, trug in der einen Hand einen un­ge­heu­ren grü­nen Re­gen­schirm und in der an­de­ren einen mäch­ti­gen Korb, aus dem die be­stürz­ten Köp­fe drei­er En­ten her­aus­lug­ten. Die Frau in ih­rer stei­fen länd­li­chen Tracht hat­te mit ih­rer Nase wie ein Schna­bel das Aus­se­hen ei­ner Hen­ne. Sie setz­te sich ih­rem Man­ne ge­gen­über und rühr­te sich nicht; of­fen­bar fühl­te sie sich in so hüb­scher Ge­sell­schaft aus­ser­or­dent­lich ver­le­gen.

      Und in der Tat wirk­te die Far­ben­pracht, die sich in die­sem Wa­gen­ab­teil ent­wi­ckel­te, ge­ra­de­zu blen­dend. Ma­da­me trug sich blau, von oben bis un­ten in blau­er Sei­de, und dar­über einen grell­ro­ten blen­den­den Shawl aus falschem fran­zö­si­schen Kasch­mir. Fer­n­an­de er­stick­te fast in ei­ner schot­ti­schen Robe, de­ren Tail­le nur un­ter Auf­bie­tung al­ler Kräf­te von ih­ren Ge­fähr­tin­nen zu­ge­schnürt war und nun ihre straf­fen Kör­per­for­men in zwei­fa­cher Wöl­bung her­vor­tre­ten ließ. Die­sel­ben wog­ten un­ter der Klei­dung hin und her, als be­stän­den sie aus ei­ner flüs­si­gen Mas­se.

      Ra­phae­le trug zu ih­rer fe­der­ge­schmück­ten Fri­sur, die das Aus­se­hen ei­nes Vo­gel­nes­tes hat­te, ein gold­ge­stick­tes Lila-Ko­stüm und ei­ni­gen ori­en­ta­li­schen Schmuck, der sehr gut zu ih­rer jü­di­schen Phy­sio­gno­mie pass­te.

      Rosa la Ros­se, hat­te die Far­be ih­res Na­mens für ihre, mit brei­ten Vo­lants ver­se­he­ne Robe ge­wählt; sie sah aus wie ein zu star­kes Kind, wie ein fett­lei­bi­ger Zwerg un­ge­fähr. Die bei­den »Feu­er­sprit­zen« schie­nen ih­ren selt­sa­men Auf­putz aus al­ten Fens­ter­vor­hän­gen aus­ge­sucht zu ha­ben, die mit ih­rem Ran­ken­werk an das Re­stau­rant er­in­ner­ten.

      So­bald die Da­men sich nicht mehr al­lein im Coupé be­fan­den, nah­men sie eine sehr ge­mes­se­ne Mie­ne an und spra­chen nur noch von erns­ten Din­gen, um einen gu­ten Ein­druck zu ma­chen. Aber in Bol­bec er­schi­en noch ein Herr mit blon­dem Ko­te­let­ten­bart, Rin­gen an den Fin­gern und ei­ner gol­de­nen Ket­te auf der Wes­te, der ver­schie­de­ne in Wachs­tuch gehüll­te Packe­te auf das Netz über ihm leg­te. Sein Äus­se­res ließ auf einen wit­zi­gen und gut­mü­ti­gen Men­schen schlies­sen. Er grüss­te beim Ein­stei­gen und frag­te mit leich­ten Lä­cheln: »Die Da­men wech­seln wohl die Gar­ni­son?« Die­se Fra­ge setz­te die klei­ne Ge­sell­schaft in eine pein­li­che Ver­le­gen­heit, nur Ma­da­me be­wahr­te ihre Fas­sung und ent­geg­ne­te spit­zig, um die Ehre ih­res Korps zu ret­ten: »Sie könn­ten wohl höf­li­cher sein.« Er ent­schul­dig­te sich: »Bit­te sehr um Ver­zei­hung, ich woll­te sa­gen: das Klos­ter.« Ma­da­me fand ent­we­der so­gleich kei­ne Ant­wort, oder sie moch­te auch sei­ne Recht­fer­ti­gung für hin­rei­chend hal­ten, denn sie neig­te wür­de­voll das Haupt und schwieg. Hier­auf be­gann der Herr, wel­cher zwi­schen Rosa und dem al­ten Land­mann Platz ge­nom­men hat­te, den drei En­ten, de­ren Köp­fe aus dem großen Kor­be her­vor­schau­ten, mit den Au­gen zu­zu­zwin­kern. Und als er merk­te, dass er schon die Auf­merk­sam­keit der Rei­se­ge­sell­schaft auf sich zog, kit­zel­te er die ar­men Tie­re un­term Schna­bel und hielt ih­nen da­bei scherz­haf­te An­re­den, um die Zu­hö­rer zum La­chen zu brin­gen: »Wir ha­ben un­se­re net­te klei­ne Pfüt­ze ver­las­sen! Aan! Aan! Aan! -- um die klei­ne net­te Brat­pfan­ne ken­nen zu ler­nen! Aan! Aan! Aan!« Die un­glück­li­chen Tie­re ver­dreh­ten den Hals, um den un­will­kom­me­nen Lieb­ko­sun­gen zu ent­ge­hen und mach­ten ver­zwei­fel­te An­stren­gun­gen, sich aus ih­rem Ge­fäng­nis zu be­frei­en. Dann sties­sen end­lich alle drei ein lau­tes We­he­ge­schrei aus: »Aan! Aan! Aan!« Die gan­ze Da­men­ge­sell­schaft brach in lau­tes Ge­läch­ter aus. Sie beug­ten sich vor und dräng­ten sich um bes­ser zu se­hen; es war ja auch zu när­risch mit die­sen En­ten. Der Herr ver­dop­pel­te sei­ne Lie­bens­wür­dig­keit, sei­nen Witz und sei­ne Ne­cke­rei­en.

      Rosa

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