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nie im Le­ben!‹

      Ich habe ge­weint, ich wur­de böse, ich habe ge­schwo­ren, dass ich nur Sie hei­ra­ten wür­de. Ich habe ge­dacht, sie wür­de mich schla­gen. Sie wur­de wie wahn­sin­nig. Sie er­klär­te, dass man mich mor­gen schon ins Klos­ter schi­cken wür­de. Ich habe sie noch nie in ei­nem sol­chen Zu­stan­de ge­se­hen. Da kam Papa, der of­fen­bar ge­hört hat­te, wie sie alle ihre Dumm­hei­ten sag­te. Er wur­de nicht so wü­tend wie sie, aber er er­klär­te, Sie sei­en kei­ne gute Par­tie für mich. Sie mach­ten mich auch wü­tend, und da schrie ich noch lau­ter als sie. Da be­fahl mir Papa mit ei­nem dra­ma­ti­schen Ge­sichts­aus­druck, der ihm gar nicht stand, hin­aus­zu­ge­hen. Das brach­te mich zum Ent­schluss, mit Ih­nen zu flie­hen. Nun! Hier bin ich. Wo fah­ren wir hin?«

      Er hielt ihre Tail­le sanft um­schlun­gen; und er hör­te mit ge­spann­ter Auf­merk­sam­keit zu, sein Herz klopf­te, ein zor­ni­ger, nei­di­scher Hass stieg in ihm ge­gen die­se Leu­te auf. Doch er hielt die Toch­ter. Nun wür­den sie se­hen.

      »Es ist zu spät,« ant­wor­te­te er, »wir kön­nen kei­nen Zug mehr er­rei­chen. Wir fah­ren mit die­sem Wa­gen nach Se­vres und dort über­nach­ten wir, und mor­gen früh rei­sen wir nach La Ro­che Guy­on wei­ter. Es ist ein hüb­sches Dorf an der Sei­ne, zwi­schen Mon­tes und Bon­nie­res.«

      Sie mur­mel­te:

      »Ich habe aber gar kei­ne Sa­chen mit.«

      Er lä­chel­te mit sorg­lo­ser Mie­ne.

      »Ach was, das rich­ten wir drü­ben ir­gend­wie ein.«

      Der Wa­gen roll­te durch die Stra­ßen. Ge­or­ges nahm die Hand des jun­gen Mäd­chens und be­gann sie lang­sam und rück­sichts­voll zu küs­sen. Er wuss­te nicht, was er ihr sa­gen soll­te, denn er war an pla­to­ni­sche Zärt­lich­kei­ten nicht ge­wöhnt. Plötz­lich schi­en es ihm, als wenn sie wein­te.

      Er­schro­cken frag­te er:

      »Was ha­ben Sie, mei­ne lie­be Klei­ne?«

      Sie ant­wor­te­te mit schluch­zen­der Stim­me:

      »Mei­ne arme Mut­ter, wenn sie be­merkt hat, dass ich fort bin, wird sie jetzt si­cher nicht schla­fen kön­nen.«

      Und in der Tat schlief ihre Mut­ter nicht.

      So­bald Suzan­ne das Zim­mer ver­las­sen hat­te, stand Frau Wal­ter ih­rem Man­ne ge­gen­über und frag­te ängst­lich und nie­der­ge­schmet­tert:

      »O Gott! Was soll das nur be­deu­ten?«

      »Das be­deu­tet,« rief Wal­ter wü­tend, »dass die­ser Int­ri­gant ihr den Kopf ver­dreht hat. Er war es doch, der sie be­we­gen hat, dem Ca­zol­les ab­zu­sa­gen. Na­tür­lich fin­det er die Mit­gift hübsch!«

      Er be­gann wü­tend im Zim­mer hin und her zu lau­fen und fuhr fort:

      »Du auch, du hast ihn im­mer­fort ins Haus ge­lockt, du hast ihm ge­schmei­chelt, du hast ihm den Hof ge­macht, du fan­dest nie ge­nug schö­ne Wor­te für ihn. Bel-Ami hier, Bel-Ami dort, — so ging es vom frü­hen Mor­gen bis zum spä­ten Abend. Nun hast du den Lohn da­für.«

      »Ich?« stam­mel­te sie to­ten­blass, »ich lock­te ihn ins Haus?«

      Er schleu­der­te ihr ins Ge­sicht:

      »Ja­wohl, du! Ihr alle seid toll auf ihn, die Ma­rel­le, Suzan­ne und vie­le an­de­re. Glaubst du, dass ich nicht merk­te, wie du kei­ne zwei Tage aus­hal­ten konn­test, ohne dass er hier­her­kam?«

      Sie rich­te­te sich mit tra­gi­scher Mie­ne em­por:

      »Ich er­lau­be Ih­nen nicht, mit mir so zu re­den. Sie ver­ges­sen, dass ich nicht wie Sie in ei­nem La­den er­zo­gen bin.«

      Er stand zu­erst starr und ver­blüfft da, dann stieß er ein wü­ten­des »O Gott!« aus, ging hin­aus und warf die Tür hin­ter sich zu.

      So­bald sie al­lein war, ging sie un­will­kür­lich zum Spie­gel, um zu se­hen, ob nicht et­was an ihr ver­än­dert wäre, so un­glaub­lich, so un­ge­heu­er­lich er­schi­en ihr das Ge­sche­he­ne. Suzan­ne war in den Bel-Ami ver­liebt und Bel-Ami woll­te Suzan­ne hei­ra­ten! Nein! Si­cher irr­te sie sich, es konn­te nicht wahr sein. Das jun­ge Mäd­chen hat­te sich in den schö­nen jun­gen Mann ver­gafft, es war ganz na­tür­lich; sie hoff­te, ihn zum Gat­ten zu be­kom­men; sie hat­te es sich in den Kopf ge­setzt! Aber er? Er konn­te doch un­mög­lich die Hand im Spiel ha­ben! Sie grü­bel­te, ver­wirrt, wie man über­haupt vor ei­nem be­vor­ste­hen­den Un­glück ver­wirrt ist. Nein, Bel-Ami konn­te nichts von Suzan­nes Streich wis­sen.

      Sie sann lan­ge über die mög­li­che Ge­mein­heit oder Un­schuld die­ses Man­nes nach. Oh! welch ein treu­lo­ser Schur­ke war er, wenn er die­sen Streich vor­be­rei­tet hat! Was wür­de dann ge­sche­hen? Wie vie­le Ge­fah­ren und wie vie­le Qua­len glaub­te sie dann vor­aus­zu­se­hen.

      Wenn er nichts wuss­te, dann konn­te al­les noch ge­ret­tet wer­den. Man wür­de mit Suzan­ne für sechs Mo­na­te ver­rei­sen und da­mit wäre al­les zu Ende. Wie konn­te aber sie ihn dann wie­der­se­hen? Sie lieb­te ihn noch im­mer. Die­se Lei­den­schaft hat­te sich in sie hin­ein­ge­bohrt wie Pfeil­spit­zen, die sich nicht wie­der her­aus­rei­ßen las­sen. Le­ben ohne ihn war un­mög­lich. Dann lie­ber ster­ben.

      Ihre Ge­dan­ken schweif­ten in die­ser Angst und Un­ge­wiss­heit her­um. Ein hef­ti­ger Schmerz drück­te auf ih­ren Kopf. Ihre Ge­dan­ken wur­den sor­gen­voll, trü­be und quäl­ten sie furcht­bar. Verzwei­felt such­te sie die Sa­che zu er­grü­beln, und die Un­wis­sen­heit: mach­te sie ner­vös. Sie sah nach der Uhr, es war eins vor­bei. Sie sag­te sich: »So kann es nicht blei­ben, sonst wer­de ich wahn­sin­nig. Ich muss mir Ge­wiss­heit ver­schaf­fen. Ich wer­de Suzan­ne we­cken und sie aus­fra­gen.«

      Dann ging; sie ohne Schu­he, um kei­nen Lärm zu ma­chen, mit der Ker­ze in der Hand nach dem Zim­mer ih­rer Toch­ter. Sie öff­ne­te lei­se die Tür, trat her­ein und sah nach dem Bett. Es war nicht an­ge­rührt. Zu­nächst be­griff sie nichts und dach­te, das Mäd­chen sprä­che viel­leicht noch mit sei­nem Va­ter. Dann aber stieg plötz­lich in ihr ein furcht­ba­rer Ver­dacht auf und sie eil­te zu ih­rem Gat­ten. Blass und keu­chend stürz­te sie in sein Zim­mer. Er lag im Bett und las.

      Er war be­stürzt.

      »Was ist denn? Was ist los?«

      Sie stam­mel­te:

      »Hast du Suzan­ne ge­se­hen?«

      »Ich? Nein. Wie­so?«

      »Sie ist … sie ist … sie ist durch­ge­gan­gen. Sie ist nicht in … in ih­rem Zim­mer.«

      Mit ei­nem Satz sprang er auf den Tep­pich, schlüpf­te in sei­ne Pan­tof­feln und stürz­te ohne Un­ter­ho­sen, im blo­ßen Hemd, das um ihn her­um­flat­ter­te, in das Zim­mer sei­ner Toch­ter. So­bald er es selbst ge­se­hen hat­te, heg­te er kei­nen Zwei­fel mehr. Sie war ent­flo­hen.

      Er sank in einen Ses­sel und stell­te die Lam­pe vor sich auf den Bo­den hin.

      Sei­ne Frau kam nach. Sie stam­mel­te;

      »Nun? … Was jetzt? …«

      Er hat­te kei­ne Kraft mehr zu ant­wor­ten. Er war nicht mehr wü­tend, er seufz­te nur:

      »Es ist er­le­digt. Er hat sie. Wir sind ver­lo­ren.«

      Sie be­griff ihn nicht.

      »Wie­so

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