Скачать книгу

und wie­der­hol­te:

      »Nie­mals, nie soll er Suzan­ne be­kom­men. Ich wer­de nie mei­ne Zu­stim­mung ge­ben.«

      Wal­ter mur­mel­te nie­der­ge­schmet­tert:

      »Er hat sie doch schon. Er wird sie so lan­ge ir­gend­wo ver­bor­gen hal­ten, bis wir nach­ge­ben. Um ei­nem Skan­dal zu ent­ge­hen, muss man so­fort nach­ge­ben.«

      Von ei­ner ent­setz­li­chen See­len­qual ge­pei­nigt, wie­der­hol­te sei­ne Frau im­mer­fort:

      »Nein! Nein! Nie gebe ich mei­ne Ein­wil­li­gung.«

      Er fuhr un­ge­dul­dig fort:

      »Dar­über lässt sich nicht mehr strei­ten. Es muss sein. Ah! Der Ha­lun­ke, wie hat er uns her­ein­ge­legt … Aber er ist stark, trotz­dem. Wir hät­ten einen Mann aus ei­nem viel bes­se­ren ge­sell­schaft­li­chen Kreis fin­den kön­nen, aber kei­nen mit so viel Ver­stand und so großen Zu­kunfts­aus­sich­ten. Er wird Ab­ge­ord­ne­ter und Mi­nis­ter.«

      Ma­da­me Wal­ter er­klär­te mit ei­ner wil­den Ener­gie:

      »Nie­mals las­se ich ihn Suzan­ne hei­ra­ten … ver­stehst du? … Nie­mals.«

      Er wur­de schließ­lich böse und be­gann als prak­ti­scher Mann den Bel-Ami in Schutz zu neh­men.

      »Schwei­ge doch … ich sage dir doch, es muss sein … es muss un­be­dingt sein. Wer weiß? Vi­el­leicht wer­den wir es auch gar nicht be­dau­ern. Bei Män­nern von die­sem Schla­ge weiß man nie, was kom­men kann. Du hast ja ge­se­hen, wie er in drei Ar­ti­keln den Trot­tel Lar­oche-Ma­thieu ge­stürzt hat; wie wür­dig er es ge­tan hat, und da­bei war es in sei­ner Lage als Ehe­mann so ver­dammt schwie­rig und hei­kel. Wir wol­len se­hen … Denn wir sit­zen im­mer noch in der Klem­me und kön­nen nicht her­aus.«

      Sie hät­te am liebs­ten laut ge­schri­en, sich auf den Bo­den ge­wor­fen, sich die Haa­re aus­ge­ris­sen.

      »Er be­kommt sie nicht«, ver­setz­te sie mit ver­zwei­fel­ter Stim­me. »Ich … will … es … nicht.«

      Wal­ter stand auf, nahm sei­ne Lam­pe und fuhr fort:

      »Du bist dumm, wie alle Wei­ber. Ihr han­delt im­mer nur aus Pas­si­on, und wisst nie, euch den Ver­hält­nis­sen an­zu­pas­sen … ihr seid tö­richt! Ich sage dir, er wird sie hei­ra­ten … es muss so sein.«

      Mit den Pan­tof­feln schlur­fend, ging er hin­aus. Er durch­schritt wie ein ko­mi­sches Ge­s­penst im Nacht­hemd den brei­ten Flur des rie­si­gen schla­fen­den Palas­tes und be­gab sich ge­räusch­los in sein Zim­mer.

      Von ent­setz­li­chen Schmer­zen in­ner­lich zer­ris­sen blieb Frau Wal­ter zu­rück. Da­bei war ihr noch im­mer nicht al­les klar, sie litt nur. Dann sah sie ein, dass; sie un­mög­lich hier bis zum Ta­ge­s­an­bruch un­be­weg­lich ste­hen konn­te. Sie emp­fand ein hef­ti­ges Ver­lan­gen zu ent­flie­hen, fort­zu­lau­fen, Hil­fe zu su­chen, ge­trös­tet zu wer­den.

      Sie such­te, wen sie nun her­bei­ru­fen könn­te. Wel­chen Mann? Sie wuss­te kei­nen. Ei­nen Pries­ter! Ja, einen Pries­ter! Sie wür­de sich zu sei­nen Fü­ßen wer­fen, sie wür­de al­les ge­ste­hen, ihm ihre Sün­de und Verzweif­lung beich­ten. Er wür­de sie ver­ste­hen, er wür­de be­grei­fen, dass die­ser Ehr­lo­se Suzan­ne nicht hei­ra­ten könn­te, und er wür­de es zu ver­hin­dern wis­sen.

      Sie brauch­te so­fort einen Pries­ter! Wo soll­te man ihn jetzt fin­den? Wo­hin soll­te sie ge­hen? Und so blei­ben konn­te sie nicht mehr.

      Da trat ihr wie eine Vi­si­on die er­leuch­te­te Ge­stalt des auf dem Mee­re wan­deln­den Je­sus vor Au­gen. Sie sah ihn so klar und deut­lich, als stün­de sie vor dem Bil­de. Er rief sie also! Er sag­te zu ihr: »Kom­met zu mir, kniet vor mir hin. Ich will euch trös­ten und auch ein­ge­ben, was ihr tun sollt.«

      Sie nahm ihr Licht, ver­ließ das Zim­mer und ging hin­ab in den Win­ter­gar­ten. Das Je­sus­bild be­fand sich ganz am Ende des­sel­ben in ei­nem klei­nen Räu­me, der mit ei­ner Glas­tür ver­schlos­sen war, da­mit die Feuch­tig­keit der Erde die Lein­wand des Ge­mäl­des nicht an­grei­fen könn­te.

      Das Gan­ze sah aus wie eine klei­ne Ka­pel­le in ei­nem Wald von selt­sa­men Bäu­men.

      Als sie den Win­ter­gar­ten be­trat, den sie nie an­ders als nur in hel­ler Be­leuch­tung ge­se­hen hat­te, stand sie be­trof­fen da vor sei­ner dunklen Tie­fe. Die schwe­ren Tro­pen­pflan­zen ver­dick­ten die Luft mit ih­rem schwü­len Atem. Und da die Tü­ren ge­schlos­sen wa­ren, so drang der be­klem­men­de Duft die­ses selt­sa­men Wal­des, der von ei­ner Glas­kup­pel be­deckt und um­schlos­sen war, schwer und be­rau­schend in die Lun­gen.

      Die un­glück­se­li­ge Frau ging lang­sam vor­wärts; sie blick­te ängst­lich auf die Schat­ten der fan­tas­tisch ge­form­ten Pflan­zen, auf die das schim­mern­de Licht der Ker­ze fiel, und die wie un­ge­heu­er le­ben­de, selt­sa­me Miss­ge­stal­ten auf­tauch­ten.

      Plötz­lich sah sie Chris­tus. Sie öff­ne­te die Tür, die ihn von ihr trenn­te, und stürz­te auf die Knie.

      Zu­erst be­te­te sie ganz ver­stört, stam­mel­te Lie­bes­wor­te und lei­den­schaft­li­che und ver­zwei­fel­te Be­schwö­run­gen, dann wur­de sie et­was ru­hi­ger und rich­te­te ihre Au­gen zu ihm em­por, und sie blieb in ei­ner un­end­li­chen Angst er­starrt. Beim fla­ckern­den Licht ei­ner ein­zi­gen Ker­ze, die ihn von un­ten schwach be­leuch­te­te, war die Ähn­lich­keit zwi­schen ihm und Bel-Ami noch auf­fal­len­der. Es war nicht mehr Gott, son­dern ihr Ge­lieb­ter, der sie an­sah. Es wa­ren sei­ne Au­gen, sei­ne Stirn, sein Ge­sichts­aus­druck, sei­ne kal­te und hoch­mü­ti­ge Hal­tung.

      Sie stam­mel­te: »Je­sus! — Je­sus! — Je­sus!«

      Aber das Wort »Ge­or­ges« kam über ihre Lip­pen. Auf ein­mal fiel ihr ein, dass Ge­or­ges viel­leicht in die­ser Stun­de ihre Toch­ter ver­führ­te und in Be­sitz nahm. Er war al­lein mit ihr, ir­gend­wo, in ir­gend­ei­nem Zim­mer. Er! Er! Mit Suzan­ne. Sie wie­der­hol­te: »Je­sus! … Je­sus!« Doch sie dach­te an sie … an ihre Toch­ter und an ih­ren Ge­lieb­ten! Sie wa­ren al­lein in ei­nem Zim­mer… es war Nacht. Sie sah die bei­den. Sie sah sie so deut­lich, so deut­lich, wie das Bild, das vor ihr stand. Sie lä­chel­ten sich zu, sie küss­ten sich. Das Zim­mer war dun­kel, das Bett auf­ge­deckt. Sie stand auf, um sich zu nä­hern, um ihre Toch­ter am Haar zu fas­sen und sie aus die­ser Umar­mung her­aus­zu­rei­ßen. Sie woll­te sie an der Keh­le pa­cken, er­wür­gen, ihre ei­ge­ne Toch­ter, die sie hass­te, ihre Toch­ter, die sich die­sem Man­ne hin­gab. Sie fass­te sie schon. … ihre Hän­de stie­ßen an die Lei­ne­wand des Ge­mäl­des. Sie be­rühr­te die Füße Chris­ti … Sie schrie laut auf und sank zu Bo­den. Die Ker­ze war um­ge­fal­len und er­losch.

      Was ge­sch­ah wei­ter? Sie träum­te lan­ge von selt­sa­men schreck­li­chen Din­gen. Es war im­mer Ge­or­ges und Suzan­ne, die vor ihre Au­gen tra­ten, eng an­ein­an­der ge­schmiegt, und der Chris­tus seg­ne­te ihre ver­ruch­te Lie­be.

      Sie hat­te das Ge­fühl, sie be­fin­de sich nicht in ih­rem Hau­se. Sie woll­te auf­ste­hen, flie­hen, doch sie hat­te kei­ne Kraft. Eine Starr­heit hat­te sie be­fal­len, ihre Glie­der wa­ren ge­lähmt, nur die Ge­dan­ken blie­ben ihr noch, wenn auch ver­wirrt und be­tört durch gräss­li­che, fan­tas­ti­sche Vor­stel­lun­gen. Sie war halb be­täubt und träum­te. Es war ein un­ge­sun­der, selt­sa­mer und

Скачать книгу