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bis ich Ih­nen zu­ru­fe, wei­ter­zu­fah­ren. Dann brin­gen Sie mich nach dem Re­stau­rant Coq-Fai­san, rue Lafa­yet­te.« Der Wa­gen setz­te sich lang­sam tra­bend in Be­we­gung und Du Roy zog die Vor­hän­ge her­un­ter. So­bald er ge­gen­über sei­ner Woh­nung an­ge­langt war, ließ er kei­nen Blick mehr von sei­ner Haus­tür. Nach­dem er zehn Mi­nu­ten ge­war­tet hat­te, sah er, wie Ma­de­lei­ne das Haus ver­ließ und in der Rich­tung nach den äu­ße­ren Bou­le­vards ging. So­bald er sie aus dem Auge ver­lo­ren hat­te, steck­te er sei­nen Kopf durch die Fens­ter und rief: »Wei­ter­fah­ren!«

      Die Drosch­ke fuhr wei­ter und setz­te ihn vor dem Coq-Fai­san ab, ei­nem in je­ner Stadt­ge­gend be­kann­ten bür­ger­li­chen Re­stau­rant. Ge­or­ges be­trat den großen Spei­se­saal und aß in al­ler Ruhe und sah da­bei von Zeit zu Zeit auf sei­ne Uhr. Er trank sei­nen Kaf­fee aus, nahm zwei Glas Ko­gnak, rauch­te lang­sam eine gute Zi­gar­re und ver­ließ halb acht das Lo­kal; er hielt eine vor­bei­fah­ren­de lee­re Drosch­ke an und ließ sich nach der Rue La Ro­che­fou­cauld fah­ren.

      Ohne den Con­cier­ge was zu fra­gen, stieg er in dem an­ge­ge­be­nen Hau­se drei Trep­pen hin­auf; ein Dienst­mäd­chen öff­ne­te ihm die Tür und er frag­te:

      »Ist Herr Gui­bert de Lor­me zu Hau­se?«

      »Ja­wohl, mein Herr.«

      Er wur­de in einen Sa­lon ge­führt, wo er eine kur­ze Zeit war­te­te, dann er­schi­en ein hoch­ge­wach­se­ner Herr mit Or­dens­band in mi­li­tä­ri­scher Hal­tung und mit grau­en Haa­ren, ob­wohl er noch ziem­lich jung war.

      Ge­or­ges be­grüß­te ihn dann und sag­te:

      »Wie ich vor­aus­ge­se­hen habe, Herr Po­li­zei­kom­missar, ist mei­ne Frau mit ih­rem Ge­lieb­ten in ei­ner mö­blier­ten Woh­nung, die sie sich in der Rue des Mar­tyrs ge­mie­tet ha­ben.«

      Der Be­am­te ver­beug­te sich.

      »Ich ste­he Ih­nen zur Ver­fü­gung, mein Herr.«

      Ge­or­ges fuhr fort:

      »Wir ha­ben bis neun Uhr Zeit, nicht wahr? Nach die­ser Zeit dür­fen Sie nicht mehr in eine pri­va­te Woh­nung ein­drin­gen, um einen Ehe­bruch fest­zu­stel­len.«

      »Nein, mein Herr, bis 7 Uhr im Win­ter, bis 9 Uhr im Som­mer; heu­te ist der 5. April, also geht das noch bis 9 Uhr.«

      »Also gut, Herr Kom­missar, ich habe einen Wa­gen un­ten­ste­hen, wir kön­nen die Be­am­ten, die Sie be­glei­ten wer­den, ab­ho­len, und dar­in war­ten wir eine Wei­le vor der Tür. Je spä­ter wir kom­men, de­sto mehr Aus­sicht ha­ben wir, sie in fla­gran­ti zu er­wi­schen.«

      »Wie Sie wün­schen, mein Herr.«

      Der Kom­missar ging hin­aus und kam wie­der zu­rück. Er hat­te einen Über­rock an, der sei­nen drei­far­be­nen brei­ten Gurt ver­deck­te. Er trat bei­sei­te, um Du Roy den Vor­tritt zu las­sen, doch der Jour­na­list, des­sen Ge­dan­ken ganz wo­an­ders schweif­ten, wei­ger­te sich, zu­erst hin­aus­zu­ge­hen und wie­der­hol­te:

      »Nach Ih­nen … nach Ih­nen, bit­te.«

      Der Be­am­te ver­setz­te:

      »Ge­hen Sie doch vor, mein Herr, ich bin doch hier zu Hau­se.«

      Du Roy mach­te eine Ver­beu­gung und über­schritt so­fort die Schwel­le. Sie fuh­ren zu­erst nach der Po­li­zei­wa­che und nah­men drei Schutz­leu­te in Zi­vil mit, die auf sie war­te­ten, denn Ge­or­ges hat­te im Lau­fe des Ta­ges an­ge­ge­ben, dass das Ab­fas­sen des Pär­chens am sel­ben Abend statt­fin­den wür­de. Ei­ner der Schutz­leu­te setz­te sich auf den Bock ne­ben den Kut­scher. Die zwei an­de­ren stie­gen in die Drosch­ke, die nach der Rue des Mar­tyrs fuhr.

      Du Roy sag­te:

      »Ich habe den Plan der Woh­nung. Sie liegt im zwei­ten Stock. Wir kom­men zu­erst in ein klei­nes Vor­zim­mer, dann in das Spei­se­zim­mer und dann in das Schlaf­zim­mer. Alle drei Zim­mer lie­gen der Rei­he nach, eins nach dem an­de­ren. Es gibt kei­nen zwei­ten Aus­gang, der die Flucht er­mög­lich­te. In der Nähe wohnt ein Schlos­ser; er hält sich be­reit für den Fall, dass Sie ihn kom­men las­sen.« Als sie vor das be­tref­fen­de Haus ka­men, war es erst ein vier­tel nach acht; sie war­te­ten schwei­gend auf der Stra­ße noch etwa zwan­zig Mi­nu­ten. Doch als Ge­or­ges fest­stell­te, dass es schon drei­vier­tel neun Uhr schlug, sag­te er:

      »Jetzt los, ge­hen wir.«

      Sie stie­gen die Trep­pe hin­auf, ohne sich beim Por­tier zu mel­den, der sie auch gar nicht be­merkt hat­te. Ei­ner von den Be­am­ten blieb auf der Stra­ße, um den Ein­gang zu über­wa­chen.

      Die vier Män­ner blie­ben im Flur des zwei­ten Stock­werks ste­hen. Ge­or­ges press­te zu­nächst sein Ohr ge­gen die Tür, dann hielt er sei­ne Au­gen an das Schlüs­sel­loch. Er hör­te nichts und sah auch nichts. Er klin­gel­te.

      Der Kom­missar sag­te zu sei­nen Leu­ten:

      »Ihr bleibt hier drau­ßen und war­tet, bis ich euch rufe.«

      Sie war­te­ten. Nach zwei, drei Mi­nu­ten zog Ge­or­ges von Neu­em meh­re­re Male an der Klin­gel. Sie hör­ten im In­ne­ren der Woh­nung ein Geräusch. Dann nä­her­te sich ein lei­ser, kaum hör­ba­rer Schritt. Je­mand kam her­an, of­fen­bar, um hin­aus­zu­spä­hen. Der Jour­na­list klopf­te nun hef­tig mit sei­nem ge­krümm­ten Fin­ger ge­gen die höl­zer­ne Tä­fe­lung der Tür.

      Eine Stim­me, eine ver­stell­te Frau­en­stim­me, frag­te:

      »Wer ist da?«

      Der Po­li­zei­of­fi­zier rief:

      »Öff­nen Sie im Na­men des Ge­set­zes.«

      Die Stim­me wie­der­hol­te:

      »Wer sind Sie?«

      »Ich bin der Po­li­zei­kom­missar, öff­nen Sie oder ich las­se die Tür er­bre­chen.«

      »Was wol­len Sie?« frag­te die Stim­me wie­der.

      Du Roy rief:

      »Ich bin es. Es ist zweck­los, uns ent­rin­nen zu wol­len.«

      Die leich­ten Bar­fuß­schrit­te husch­ten fort; nach ein paar Se­kun­den ka­men sie wie­der.

      Ge­or­ges sag­te:

      »Wenn Sie nicht öff­nen wol­len, er­bre­chen wir die Tür.«

      Er drück­te die Tür­klin­ke aus Mes­sing nie­der und stemm­te mit sei­ner Schul­ter ge­gen die Tür. Da kei­ne Ant­wort er­folg­te, stieß er so hef­tig und ge­walt­sam da­ge­gen, dass das alte Schloss die­ser mö­blier­ten Woh­nung nicht stand­hielt und nach­gab. Die Schrau­ben flo­gen aus dem Holz, und der jun­ge Mann wäre bei­na­he auf Ma­de­lei­ne ge­fal­len, die nur mit Hemd und Un­ter­rock be­klei­det, mit nack­ten Bei­nen und zer­zaus­tem, auf­ge­lös­tem Haar im Vor­raum mit ei­ner Ker­ze in der Hand stand.

      »Da ist sie, wir ha­ben sie.«

      Und er stürz­te in die Woh­nung hin­ein. Der Kom­missar nahm sei­nen Hut ab und folg­te ihm. Die jun­ge Frau schritt ver­wirrt und er­schro­cken hin­ter ih­nen her und be­leuch­te­te ih­nen den Weg.

      Sie gin­gen durch das Spei­se­zim­mer, der Tisch war noch nicht ab­ge­deckt und die Res­te der Mahl­zeit stan­den dar­auf; lee­re Cham­pa­gner­fla­schen, eine of­fe­ne Gän­se­le­ber­pas­te­te, Hüh­ner­kno­chen und zur Hälf­te auf­ge­ges­se­ne

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