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      »Ich hät­te zehn Mil­lio­nen vor­ge­zo­gen. Das hier wird ihn nicht viel ge­kos­tet ha­ben.«

      Sie hat­te ge­dacht, er wür­de sich freu­en. Sei­ne Käl­te är­ger­te sie.

      »Du bist wirk­lich un­glaub­lich! Du bist jetzt mit nichts mehr zu­frie­den.«

      Er ant­wor­te­te ru­hig:

      »Die­ser Mann be­zahlt nur sei­ne Schul­den. Tat­säch­lich schul­det er mir viel mehr.«

      Sie war er­staunt über den Ton sei­ner Wor­te und sag­te:

      »In dei­nem Al­ter ist das doch sehr hübsch.«

      »Das eine hängt vom an­de­ren ab«, er­wi­der­te er. »Ich könn­te jetzt viel mehr be­sit­zen.«

      Er nahm das Käst­chen, stell­te es of­fen auf den Ka­min hin und be­trach­te­te ei­ni­ge Au­gen­bli­cke das Kreuz, das dar­in blitz­te, schloss es wie­der, und ging dann ach­sel­zu­ckend zu Bett.

      Der Of­fi­ciel vom 1. Ja­nu­ar ver­kün­de­te tat­säch­lich die Er­nen­nung des Schrift­stel­lers Herrn Pro­sper-Ge­or­ges Du Roy zum Rit­ter der Ehren­le­gi­on »we­gen au­ßer­ge­wöhn­li­cher Ver­diens­te«. Der Name war in zwei Wor­ten ge­schrie­ben und das mach­te Ge­or­ges mehr Freu­de als der Or­den selbst.

      Eine Stun­de spä­ter, nach­dem er die­se Nach­richt ge­le­sen hat­te, er­hielt er einen Brief von der Frau Di­rek­tor, worin sie ihn bat, den­sel­ben Abend noch zum Es­sen zu kom­men, um die Aus­zeich­nung zu fei­ern. Er zö­ger­te eine Wei­le, dann warf er den in zwei­deu­ti­gen Aus­drücken ge­schrie­be­nen Brief ins Feu­er und sag­te zu Ma­de­lei­ne:

      »Wir wol­len heu­te bei Wal­ters es­sen.«

      Sie war über­rascht.

      »Wie­so? Ich dach­te, du woll­test ihr Haus nicht mehr be­tre­ten.«

      Er sag­te lei­se:

      »Ich habe es mir an­ders über­legt.«

      Als sie er­schie­nen, saß Frau Wal­ter al­lein in dem klei­nen Louis-XVI-Bou­doir, das für den in­ti­me­ren Ver­kehr be­stimmt war. Sie war in Schwarz ge­klei­det und hat­te ihr Haar ge­pu­dert, was ihr sehr gut stand. Von wei­tem sah sie alt, von nahe jung aus, und wenn man sie ge­nau be­trach­te­te, so wirk­te sie wie ein schö­nes Bild.

      »Sind Sie in Trau­er?« frag­te Ma­de­lei­ne.

      Sie ant­wor­te­te schwer­mü­tig:

      »Ja und nein. Ich habe nie­man­den von mei­nen An­ge­hö­ri­gen ver­lo­ren. Aber ich bin be­reits in dem Al­ter, wo man um sein Le­ben trau­ert. Ich habe das Kleid heu­te an­ge­zo­gen, um es ein­zu­wei­hen. Fort­an wer­de ich die Trau­er in mei­nem Her­zen tra­gen.«

      Du Roy dach­te:

      »Wie lan­ge wird sie wohl bei dem Ent­schluss blei­ben?«

      Das Di­ner ver­lief et­was lang­wei­lig. Nur Suzan­ne schwatz­te un­auf­hör­lich. Rose schi­en ver­stimmt zu sein. Man be­glück­wünsch­te den Jour­na­lis­ten.

      Abends spa­zier­te man durch die Säle und den Win­ter­gar­ten und un­ter­hielt sich. Du Roy ging mit der Frau Di­rek­tor als letz­ter; sie hielt ihn am Arm zu­rück.

      »Hö­ren Sie,« sag­te sie mit dump­fer Stim­me, »ich will nie mehr mit Ih­nen dar­über re­den, nie­mals. Aber kom­men Sie mich be­su­chen. Se­hen Sie, ich duze Sie gar nicht mehr. Es ist mir ganz un­mög­lich, ohne Sie zu le­ben, ich kann es nicht! Sie kön­nen sich gar nicht vor­stel­len, was für eine Qual das ist. Ich füh­le Sie, ich habe Sie vor mei­nen Au­gen, in mei­nem Her­zen, in mei­nem Fleisch und in mei­ner See­le, den gan­zen Tag und die gan­ze Nacht hin­durch. Mir ist es, als hät­ten Sie mich ein Gift trin­ken las­sen, das mich nun in­ner­lich ver­zehrt. Ich hal­te es nicht mehr aus. Nein, ich kann nicht mehr. Ich will für Sie nur eine alte Frau sein. Ich tra­ge wei­ße Haa­re, um es Ih­nen zu zei­gen, aber kom­men Sie zu mir. Kom­men Sie von Zeit zu Zeit als Freund des Hau­ses.«

      Sie er­griff sei­ne Hand, press­te sie krampf­haft und drück­te ihre Nä­gel in sein Fleisch.

      Er ant­wor­te­te ru­hig:

      »Schön. Es ist un­nütz, dar­über wie­der Wor­te zu ver­lie­ren. Sie se­hen doch, ich bin heu­te gleich auf Ihren Brief ge­kom­men.«

      Wal­ter ging mit den bei­den jun­gen Mäd­chen und Ma­de­lei­ne vor­an und war­te­te auf Du Roy vor dem Bil­de »Je­sus über die Flu­ten schrei­tend«.

      »Stel­len Sie sich vor,« sag­te er la­chend, »ich habe ges­tern mei­ne Frau hier auf den Kni­en vor die­sem Ge­mäl­de vor­ge­fun­den, wie in ei­ner Ka­pel­le. Sie be­te­te. Wie ich ge­lacht habe!«

      Ma­da­me Wal­ter er­wi­der­te mit fes­ter Stim­me, die je­doch ei­ner ge­wis­sen zit­tern­den Er­re­gung nicht ent­behr­te:

      »Die­ser Chris­tus wird mei­ne See­le ret­ten. Er gibt mir Mut und Kraft je­des Mal, wenn ich ihn an­se­he.«

      Sie blieb vor dem auf dem Mee­re schrei­ten­den Gott ste­hen und sag­te lei­se:

      »Wie schön ist es, wie die­se Män­ner sich vor ihm fürch­ten und wie sie ihn lie­ben. Se­hen Sie sei­ne Au­gen, sei­nen Kopf, se­hen Sie, wie schlicht und doch über­ir­disch er ist!«

      Suzan­ne rief:

      »Aber er hat doch Ähn­lich­keit mit Ih­nen, Bel-Ami, ich bin si­cher, er ist Ih­nen ähn­lich! Wenn Sie so einen Dop­pel­bart hät­ten oder wenn er ra­siert wäre, dann wür­det ihr bei­de ganz gleich aus­se­hen. Oh, ist das auf­fäl­lig.«

      Sie woll­te, dass er sich ne­ben das Bild stell­te, und alle er­kann­ten tat­säch­lich, dass bei­de Ge­sich­ter mit­ein­an­der Ähn­lich­keit hat­ten.

      Al­les war über­rascht. Wal­ter fand die Sa­che sehr selt­sam. Ma­de­lei­ne mein­te lä­chelnd, dass Je­sus männ­li­cher aus­se­he.

      Frau Wal­ter rühr­te sich nicht, un­be­weg­lich und mit star­rem Blick be­trach­te­te sie das Ge­sicht ih­res Ge­lieb­ten ne­ben dem des Hei­lands. Sie war fast so weiß ge­wor­den wie ihr wei­ßes Haar.

      VIII.

      In der zwei­ten Hälf­te des Win­ters ging das Ehe­paar Du Roy oft zu den Wal­ters. Ge­or­ges selbst war sehr häu­fig dort zu Tisch, wäh­rend Ma­de­lei­ne er­klär­te, müde zu sein, und es vor­zog, zu Hau­se zu blei­ben. Sein fes­ter Tag war Frei­tag, und die Frau Di­rek­tor lud an die­sem Tage nie je­mand an­ders ein. Er ge­hör­te dem Bel-Ami, ihm al­lein. Nach dem Es­sen spiel­te man Kar­ten, füt­ter­te die chi­ne­si­schen Fi­sche, kurz man leb­te und amü­sier­te sich im Fa­mi­li­en­krei­se. Es ge­lang Frau Wal­ter meh­re­re Male hin­ter ei­ner Tür oder hin­ter ei­nem dich­ten Ge­büsch im Win­ter­gar­ten oder in ei­ner dunklen Ecke den jun­gen Mann stür­misch zu um­ar­men. Sie press­te ihn mit al­ler Kraft an ihre Brust und flüs­ter­te ihm has­tig ins Ohr: »Ich lie­be dich!… Ich lie­be dich!… Ich lie­be dich zum Ster­ben!« Doch er wies sie je­des Mal kalt zu­rück und er­wi­der­te ihr kurz und tro­cken:

      »Wenn Sie wie­der da­mit an­fan­gen, kom­me ich nie wie­der hier­her.«

      Ge­gen Ende März sprach man plötz­lich von der be­vor­ste­hen­den Hei­rat der bei­den Schwes­tern. Rose soll­te sich mit dem Gra­fen La­tour-Yve­lin und Suzan­ne mit dem Mar­quis de Ca­zol­les ver­mäh­len. Bei­de Her­ren wa­ren

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