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mich großartig. Vor allem dann, wenn jemand wie du an meiner Meinung interessiert ist. Her mit den Entwürfen! Lass sie mich sehen.«

      »Es geht um die Inseratenkampagne für Zentralheizungskessel«, erklärte Antje und legte die Mappe auf den Tisch. Sie nannte den Namen der Firma.

      »Na, mal sehen, was du dir dazu einfallen lassen hast«, sagte Bernd Riepel und schlug die Mappe auf.

      Als er das Känguru sah, brach er in schallendes Gelächter aus, und beim Anblick des Eskimos schlug er sich vor Vergnügen auf die Schenkel.

      »Freut mich, dass es dir schon wieder bessergeht«, sagte Antje ärgerlich.

      »Entschuldige«, sagte Bernd Riepel mit Tränen in den Augen.

      »Ich weiß, dass ich mit diesen Ideen keinen Preis gewinnen kann, aber so umwerfend komisch, wie du tust, finde ich sie auch wieder nicht«, entgegnete Antje Büchner wütend.

      »Ich kenne den Mann, der diese Heizkessel herstellt«, bemerkte der Werbetexter, nachdem sein Heiterkeitsausbruch abgeklungen war. »Das ist ein absolut knochentrockener Mensch. Er würde vor Zorn an die Decke gehen, wenn du ihm diese Entwürfe vorlegst. Er würde annehmen, du würdest dich über sein Produkt lustig machen. Er verlangt nüchterne Sachlichkeit. Schlüpf in die Haut eines vollkommen humorlosen Menschen. Lass jeden netten Geistesblitz unter den Tisch fallen, bringe Zahlen, Daten, Fakten und eine grafisch gefällige Form, und unser Kunde wird dich vor Glück und Freude umarmen.«

      »Warum hat mir der Chef diese Direktiven nicht gegeben? Er hätte doch wissen müssen ...«

      »Er wird nicht daran gedacht haben. Gut, dass du damit zu mir gekommen bist, Eskimo und Känguru sind dir sehr gut gelungen. Ich würde sie an deiner Stelle den Walt Disney Productions anbieten«, unterbrach Bernd seine Kollegin.

      »Du bist heute ungenießbar«, sagte Antje, nahm ihm ihre Mappe weg und stürmte aus dem Büro.

      Und dann rief endlich Gideon Arendt an. Sie wollte wissen, warum er sich erst so spät meldete, sagte, sie wäre bei ihm gewesen.

      »Ja«, erwiderte er. »Max Wehling hat es mir erzählt «

      »Sehen wir uns heute? Ich habe dir einiges zu sagen«, meinte Antje Büchner.

      »Ich dir auch«, erwiderte Gideon. Seine Stimme hatte einen seltsamen Klang. Jedenfalls kam es Antje so vor.

      »Hast du berufliche Schwierigkeiten?«, fragte die junge Frau freundlich.

      »Nicht am Telefon«, antwortete Gideon Arendt.

      »Kommst du heute Abend zu mir? Wir essen Baguette und trinken dazu französischen Landwein. Ich lege eine Schallplatte mit französischen Liedern auf, und wir erinnern uns an das wunderschöne verlängerte Wochenende in Paris«, entgegnete die Grafikerin.

      »Ich habe im Augenblick sehr wenig Zeit«, sagte Gideon. Er ließ jede Herzlichkeit vermissen. War das Feuer seiner Leidenschaft erloschen? Antje hoffte, dass sie sich irrte. »Ich hole dich von der Firma ab, und wir trinken irgendwo etwas zusammen.«

      »Sei bloß nicht zu hektisch, mein Lieber. Denk an dein Herz. Du wirst noch gebraucht«, sagte die junge Frau.

      »Mein Herz ist in Ordnung. Wir sehen uns um halb fünf«, meinte er.

      »Ich liebe dich, Gideon.«

      Er zögerte einen Augenblick. »Ja«, sagte er dann. »Das freut mich.«

      Eigentlich hätte er sagen müssen: »Ich liebe dich auch.« Er hatte das bisher immer erwidert.,

      Eine unangenehme Vorahnung beschlich Antje. Es war nicht leicht, sie zu verdrängen.

      11

      Antje Büchner erfuhr zum ersten Mal, wie schwierig es für einen phantasievollen Menschen ist, einfallslos und nüchtern zu sein.

      Sie verstand nicht, warum der Kunde die Annoncenkampagne nicht selbst organisierte. Wenn er verkaufsfördernde Gags und umsatzsteigernde Ideen ablehnte, brauchte er doch keine Werbefirma zu bemühen. Er hätte gutes Geld gespart.

      Die junge Grafikerin setzte den Heizkessel so nüchtern wie möglich in Szene, und war froh, ihre Tätigkeit unterbrechen zu können, als das Telefon läutete.

      Am anderen Ende der Leitung war Jutta Sibelius. Die Freundin schlug stimmliche Purzelbäume.

      »Ich habe ihn!«, jubelte Jutta. »Ich habe den Führerschein! Antje, du sprichst mit einer frischgebackenen Führerscheinbesitzerin! Ich habe die Prüfung bestanden!«

      »Meinen herzlichen Glückwunsch«, sagte Antje in den Redeschwall hinein.

      »Danke. Ich weiß gar nicht, wie ich durchgekommen bin. Ich bin so schrecklich durcheinander, und glücklich bin ich... glücklich! Ich könnte die ganze Welt vor Freude umarmen. Als es losging, dachte ich, ich würde sterben. Mein Kopf war wieder völlig leer. Ich beantwortete die Fragen, ohne nachzudenken, und stelle dir vor, alle Antworten waren richtig. Ich kam mir vor wie ein Computer. Das menschliche Gehirn ist etwas Phänomenales. Ich bin stolz auf meinen Kopf. Was in dem alles drinnen ist... erstaunlich. Als es dann ans Fahren ging, schlotterten mir die Knie. Stell dir vor, der Prüfer, dieser hinterlistige Kerl, stellte mir eine Falle. An der nächsten Ecke sollte ich rechts abbiegen, sagte er ganz scheinheilig. Zufällig wusste ich, dass die nächste Straße eine Einbahn in verkehrter Richtung war. Als ich erst eine Straße später einbog, sah ich, wie dieser Mistkerl süffisant lächelte. Ich wäre ihm am liebsten an die Kehle gegangen. Ich finde es unfair jemanden, der ohnedies unsicher und nervös ist, hereinlegen zu wollen.«

      »Es ist dem Prüfer ja zum Glück nicht gelungen«, sagte Antje.

      »Ja, aber wenn die Sache schiefgegangen wäre... Ich glaube, ich hätte dem Mann die Augen ausgekratzt. Ich hätte mich nicht beherrschen können«, entgegnete Jutta Sibelius.

      »Dann also: Willkommen im Club der Führerscheinbesitzer«, sagte Antje.

      »Wir müssen das unbedingt feiern. Ich hole dich nach Feierabend ab und...«

      »Tut mit leid, Jutta, aber ich bin bereits mit Gideon verabredet«, unterbrach sie ihre Freundin.

      »Der hat natürlich Vorfahrt. Hast du ihm schon gesagt, dass er Vater wird?«, fragte Jutta aufgeregt.

      »Ich wollte das nicht am Telefon tun«, antwortete Antje Büchner.

      »Nicht einmal andeutungsweise?«, wollte Jutta Sibelius wissen. »Ich könnte eine solche Sensation nicht für mich behalten. Sie würde aus mir herausplatzen.«

      »Du weißt doch, dass ich bei Gideon nicht mit der Tür ins Haus fallen darf. Ich muss ihm das so schonend wie möglich beibringen, damit er mir nicht aus den Pantinen kippt. Aber Gideon hat heute nicht lange für mich Zeit. Wir könnten uns später treffen und...«

      »Wunderbar. Wann und wo? Hättest du etwas dagegen, wenn wir die kleine Fete bei dir steigen ließen? Ich würde alles mitbringen, was wir brauchen«, unterbrach die Bankangestellte ihre Freundin.

      »Einverstanden«, meinte die Grafikerin.

      »Ich stehe Punkt zwanzig Uhr vor deiner Tür.«

      »Gut«, sagte Antje. »Und nochmals herzlichen Glückwunsch.«

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