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Sonst denken Sie am Ende noch, ich würde auf Nimmerwiedersehen verschwinden.«

      »Ich habe mir das polizeiliche Kennzeichen Ihres Wagens gemerkt.«

      »Ach ja? Und wenn das Auto gestohlen ist?«, fragte der Mann lächelnd.

      »Sie lesen zu viele Krimis«, antwortete Jutta.

      »Das ist wahr. Aber nur, wenn ich Nachtdienst habe. Am Tag kommt man in der Wald-Klinik nicht einmal zum Atemholen. Sagen Sie mal, für wen ist eigentlich diese Nerventeegroßpackung?«, wollte der Krankenpfleger wissen.

      »Für mich«, gab Jutta Sibelius zur Antwort.

      »Haben Sie Einschlafschwierigkeiten?«, fragte Erich Gloger.

      »Wenn Sie’s genau wissen wollen: Ich habe Alpträume. Ich träume jede Nacht von unfähigen Autofahrern, die mein Fahrrad demolieren.«

      »Vielen Dank, die Ohrfeige hat gesessen. Sie haben einen ziemlich harten Schlag ..und dabei benutzen Sie nicht einmal Ihre Fäuste. Soll ich Ihnen meine Daten hier draußen aufschreiben?«, fragte Erich Gloger.

      Sie nahm ihn mit ins Haus. Ihm gefiel, wie sie eingerichtet war, und er sagte es ihr.

      »Man fühlt sich auf Anhieb wohl«, meinte er.,

      »Ich werde Ihnen nicht erlauben, sich hier häuslich niederzulassen«, sagte Jutta und brachte ihm Bleistift und Papier.

      Er schrieb seinen Namen und seine Adresse drauf, notierte seine Telefonnummer und das Autokennzeichen.

      »Falls Sie noch mehr über mich wissen wollen, ich bin Schütze, fünfundzwanzig Jahre alt und ledig«, sagte er.

      Jutta wurde versöhnlich. »Möchten Sie etwas trinken?«

      »Nerventee?«, fragte der junge Mann schmunzelnd.

      »Davon gebe ich nichts ab, aber Sie können gern irgend etwas anderes haben. Es tut mir leid, dass ich so unfreundlich war, aber...«

      »Schon vergessen«, unterbrach Erich Gloger großzügig. »Sie haben sich geärgert. Wozu zum Teufel braucht jemand wie Sie so viel Nerventee?«

      »Ich habe morgen Fahrprüfung«, antwortete die Bankangestellte.

      »Das erklärt alles«, sagte Erich Gloger. »Deshalb zittern Sie sich im Moment durchs Leben. Sie müssen der Sache mit Gelassenheit begegnen.«

      »Ratschläge hat man mir schon genug erteilt, aber sie fruchten nicht«, sagte Jutta.

      »Ist der Führerschein für Sie denn so wichtig?«, wollte der Mann wissen.

      »Sie haben mir mein Rad kaputtgemacht. Ich brauche deshalb ein Auto«, gab Jutta Sibelius zur Antwort.

      »Mussten Sie es mir schon wieder unter die Nase reiben? Sie können wohl sehr schwer verzeihen. Oder ist das Ihre Taktik, mein Schuldgefühl länger am Leben zu erhalten?«, fragte er lächelnd.

      »Ich hätte gern einen Kleinwagen, nichts Protziges, das mir ein Loch ins Budget reißt. Ein Hupferl, würde man in Österreich dazu sagen. Vier Räder, ein Dach überm Kopf, wenig Benzinverbrauch, Freiheit — und Unabhängigkeit von allen Fahrplänen. Mein Stolz auf vier Rädern würde vor meiner Haustür stehen. Ich könnte jederzeit einsteigen und fahren, wohin ich will. Es hängt alles nur von diesem blöden Führerschein ab, den sie mir nicht geben wollen. Ich muss Feinde in der Kommission haben.«

      »Unsinn, jemand wie Sie hat keine Feinde«, meinte der junge Mann ernst.

      »Wieso steht mir dann morgen die zweite Bruchlandung bevor?«, fragte sie.

      »Woher wollen Sie das heute schon wissen?«, fragte Erich Gloger.

      »Ich fühle, dass die Gestirne für mich nicht günstig stehen«, antwortete die Bankangestellte.

      »Und ich sage Ihnen, dass Sie morgen nicht die geringsten Schwierigkeiten haben werden. Ich kann nämlich in die Zukunft sehen«, behauptete Erich Gloger. »Sagen Sie, wollten Sie mir vorhin nicht etwas zu trinken anbieten?«

      »Wie wär’s mit einem Glas badischen Weins?«, fragte Jutta.

      » Einverstanden «, sagte Erich Gloger.

      7

      Antje Büchner legte ihrem Chef die neue Arbeit vor, und er war von dem Baby begeistert.

      »Das kommt an, kommt voll durch«, sagte er strahlend. »Es spricht sogar mich als Mann an. Wie muss darauf erst der mütterliche Instinkt reagieren? Eine echte Meisterleistung, Antje, wirklich. Wenn man dieses Baby ansieht, möchte man es am liebsten in die Arme nehmen und an sich drücken. Sein Anblick macht einen glücklich.«

      »Und Sie machen mich mit Ihrem Lob glücklich«, sagte Antje dankbar.

      »Was es wiegt, das hat es. Wenn mir etwas nicht gefällt, meckere ich schon mal, und wenn mir etwas gefällt, halte ich damit nicht hinterm Berg. Mit diesem Baby verkauft unser Auftraggeber doppelt soviel Babynahrung wie bisher, darauf wette ich«, meinte der Chef zufrieden.

      Antje Büchner verließ das Werbestudio als Vorletzte. Nur ihr Chef blieb noch. Manchmal schlief er sogar in seinem Büro. Er nahm seine Arbeit sehr ernst.

      Die junge Grafikerin konnte sich keinen besseren Chef wünschen. Sie fuhr mit dem Autobus nach Hause und aß eine Kleinigkeit. Gideon hatte, sich immer noch nicht gemeldet. Antje stieg in ihren lindgrünen Golf Rabbit und fuhr auf gut Glück zu ihm.

      Der Sockel seines Hauses wies Frostschäden auf, und welkes Laub knisterte, vom Wind bewegt, vor dem Garagentor. Antje Büchner läutete, doch der Türsummer blieb stumm.

      Max Wehling, Gideons Nachbar, kam mit seinem Schäferhund vorbei. Antje wusste von Gideon, dass Max Wehling alkoholkrank war. Wehlings Gesicht war immer gerötet, die Augen stets glasig, aber er war nie unfreundlich, auch heute nicht.

      Er grüßte die junge Frau und fragte: »Lässt er Sie nicht ein? Er müsste eigentlich zu Hause sein. Ich habe ihn heimkommen sehen.«

      »Wann war das?«, wollte Antje Büchner wissen.

      »Vor zwei Stunden. Ich stehe natürlich nicht ständig am Fenster und gucke rüber. Man hat schließlich auch anderes zu tun«, antwortete der Mann.

      Trinken, dachte Antje.

      »Vielleicht fuhr er weg, während ich mit dem Hund die Runde machte«, sagte Max Wehling,

      »So wird es wohl sein«, meinte sie nachdenklich.

      Wehling verabschiedete sich, wünschte Antje einen schönen Abend und ging weiter, Antje sah ihn mit dem Hund in sein Haus gehen und stand unschlüssig vor der geschlossenen Gartentür.

      Sollte sie eine Nachricht hinterlassen? Sie hatte nichts zum Schreiben bei sich. Vor zwei Stunden war Gideon Arendt nach Hause gekommen, aber er hatte sie nicht angerufen.

      Hatte das etwas zu bedeuten? Unmöglich. Es war zwischen ihnen alles in Ordnung. Als Antje Gideon das letzte Mal gesehen hatte, war er sogar besonders lieb zu ihr gewesen.

      Sie nahm an, dass er sie inzwischen telefonisch zu erreichen versucht hatte, stieg wieder in ihren Wagen und fuhr nach Hause.

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